Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg rückt die Frage um Energieverbrauch sowie die Notwendigkeit zum Energiesparen wieder mehr in den Fokus der Debatte. Jedoch wird beispielsweise Energiesuffizienz oft auf der individuellen Ebene verortet, wie unter anderem beim Thema Flugscham, der persönlichen Ernährungsweise oder dem generellen Verzicht auf CO2-intensive Produkte oder Mobilitätsformen. Diese Fokussierung, besonders im Postwachstumsdiskurs, führt unter anderem auf diesem Blog immer wieder zu Kritik. Dabei kann und sollte Suffizienz sehr wohl auch politisch gesteuert werden. Suffizienzpolitik spielt beispielsweise in der Stadtplanung, im Bereich der Landwirtschaft, Mobilität oder natürlich beim Thema der Energiesuffizienz eine wichtige Rolle.
Suffizienz im Gegensatz zu Effizienz zeichnet sich vorallem dadurch aus, dass zweitere durch die sogenannten Rebound-Effekte als obsolet angenommen wird und zudem nur eine relative Reduktion, jedoch keine absolute stattfindet. In diesem Sinne ist es zum Beispiel falls möglich immer zielführender, gar kein Auto zu besitzen als eines, das einen geringeren Verbrauch hat, also effizienter ist. Mehr zur Problematik rund um den Fokus auf Effizienz in der Umweltdebatte erläutert Marcel Hänggi auf dem Blog.
Politisch sollte Suffizienz als eigenes Politikfeld im Klima- und Umweltschutz behandelt werden, das einen höheren Stellenwert in der Politik verdient hätte. Wie Suffizienz als politische Strategie gedacht werden kann, zeigt die neue ausführliche Energiesuffizienzpolitik-Sammlung der BMBF-SÖF-Nachwuchsgruppe „Die Rolle von Energiesuffizienz in Energiewende und Gesellschaft“ (EnSu). Die beinahe 300 in dieser Politikdatenbank enthaltenen Beiträge verdeutlichen, dass für die Effektivität von Suffizienz eine breite Palette an politischen Instrumenten benötigt wird, zu denen beispielsweise passende Rahmenbedingungen, Anreizmechanismen, Regulierungen oder die sinnvolle Umnutzung und Erweiterung bestehender Infrastrukturen gehört.
Beispiele aus der Datenbank
In der Energiesuffizienz-Politikdatenbank wurde eine Vielzahl an Suffizienzpolitiken aus verschiedenen Quellen für alle Sektoren zusammengestellt und kategorisiert. Dabei kann nach diversen Kategorien gefiltert und gesucht werden, wie beispielsweise auf Grundlage des Suffizienz-Typus, einer konkreten politischen Maßnahme, dem angestrebten Ziel des Instruments oder auch dem Langfristigkeit des Impacts einer Maßnahme.
Die Datenbank listet unter anderem folgende Politikinstrumente auf:
- die Erstellung eines Masterplans mit Ernährungsempfehlungen, die mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sind (aus dem Sektor „Agrar- und Ernährungswirtschaft“)
- Subventionen für das Aufteilen eines Einfamilienhauses (aus dem Sektor „Gebäude“
- Einführung von Wohlfahrtsmaße jenseits des BIP
- das Verbot von Müll-Exporten aus der EU (aus dem Sektor „Industrie/Produktion)
- Einschränkung unnötiger Beleuchtung (von Gebäuden, Schaufenstern etc.)
- Konsument*innen-Bildung zur Reduktion des Energieverbrauchs
- Einführung eines Rechts auf Homeoffice (aus dem Sektor „Transport“)
- Steuer auf mineralischen Dünger
- Verlängerung der Mindestgarantie-Zeit von Geräten
Zielgruppe und Zukunft der Datenbank
Die Datenbank richtet sich an Gestalter*innen aus Politik, Verwaltungen und der Zivilgesellschaft, die Suffizienzpolitik planen und umsetzen, sowie an Wissenschaftler*innen, die Klimaschutzpfade modellieren. Die Indikatoren unterstützen die Integration von Suffizienz in quantitative Modelle und Szenarien, die wichtige Werkzeuge der Politikberatung sind.
Die Datenbank steht auf der Projektwebseite energysufficiency.de/policy-database/ zum Durchsuchen, Lesen und Herunterladen bereit. Unter dem Titel „Building a Database for Energy Sufficiency Policies“ ist zudem eine Analyse der ersten 281 Einträge der Datenbank in einer Fachzeitschrift erschienen.
In den kommenden Monaten soll die Datenbank zudem kontinuierlich erweitert werden, wie mit weiteren Vorschlägen (Ergänzungen können per Mail an info@energysufficiency.de gesendet werden) oder durch zusätzliche Informationen zu den Politikinstrumenten und Einschätzungen zu ihrem Minderungspotenzial sowie ihrer Umsetzungsgeschwindigkeit.
Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier.
Das Forschungsteam für die Politikdatenbank besteht aus Dr. Benjamin Best und Johannes Thema, beide Senior Researcher am Wuppertal Institut, Frauke Wiese, Junior-Professorin an der Europa Universität Flensburg und Carina Zell-Ziegler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Öko-Institut.