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Forschungslandschaft Suffizienz: ein Überblick

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Nachhaltige Entwicklung kann nicht allein auf Effizienz- und Konsistenzstrategien beruhen. Es braucht Suffizienzstrategien, dessen sind sich die Wissenschaftler/innen im Forschungsnetzwerk Suffizienz sicher. Daniel Eichhorn, Julia Siedle und Leon Leuser geben einen Überblick über die deutschsprachige Forschungslandschaft zu diesem Thema.

Hintergrund

Die Suffizienzstrategie ist (neben Effizienz und Konsistenz) unverzichtbar, wenn Gesellschaften ihren Umweltverbrauch ausreichend senken möchten. Nach Fischer et al. [1] umfasst Suffizienz „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern.“ Im Kreise Gleichgesinnter haben wir 2016 das Forschungsnetzwerk Suffizienz gegründet, um diejenigen zusammen zu bringen, die sich wissenschaftlich mit Fragen rund um die Suffizienzstrategie auseinandersetzen. Mittlerweile ist unser Netzwerk Teil einer weltweit wachsenden Gemeinschaft von Forscher*innen, die sich 2018 im internationalen Netzwerk enough zusammengeschlossen haben.

Zwischen Anfang Juni und Mitte Juli 2018 haben wir als Vertreter*innen des Forschungsnetzwerk Suffizienz eine Umfrage unter Suffizienz-Forscher*innen initiiert und durchgeführt, um einen Überblick über die Forschungslandschaft zu erhalten. Zudem wollten wir Ansprechpersonen kennenlernen und einer interessierten Öffentlichkeit ermöglichen, mit diesen in Kontakt zu treten (wir danken Angelika Zahrnt für diesen Impuls). Um den Aufwand gering zu halten, haben wir auf eine einfache Online-Umfragemaske und eine Verbreitung des Links über bekannte Kanäle gesetzt. Die Umfrage erhob die Daten mit Fokus auf einzelne Forschungsprojekte. Abgefragt wurden Titel, Laufzeit, Ziele/Forschungsfragen/Schlagwörter, Finanzierungsart, -umfang und -quelle, mitwirkende Personen, wichtige Quellen und Links sowie Ansprechpersonen.

Insgesamt wurden 31 Projekte eingetragen. Die Teilnehmer*innen kamen aufgrund der Sprachwahl der Umfrage ausschließlich aus dem deutschsprachigen Raum. Ein weiterer Selbstselektionseffekt ist das Stichwort „Suffizienz“ selbst, das der Umfrage zugrunde lag. Forscher*innen, die themennah arbeiten, aber nicht unter diesem Stichwort, nahmen wahrscheinlich nicht an der Umfrage teil.

In diesem Artikel wollen wir wichtige Ergebnisse der Umfrage kurz vorstellen. Der (bis auf wenige Ausnahmen) vollständige Datensatz der Umfrage findet sich als Tabelle unten als Download. Für die Korrektheit der Daten im Einzelnen können wir natürlich keine Gewähr übernehmen.

Themenschwerpunkte

Die Teilnehmer*innen der Umfrage beforschen ein breites Spektrum an Themen zur Suffizienz. Am häufigsten sind die Themenfelder Strom/Energie und Stadtentwicklung/Kommunales vertreten (sieben bzw. sechs Projekte). Jeweils vier Projekte beschäftigen sich mit Multiplikator*innen suffizienten Verhaltens und mit moralisch-philosophischen Fragen der Suffizienz. Wesentlich sind außerdem die Themen Mobilität, Digitalisierung und (Wohn-)fläche, die von jeweils drei Projekten bearbeitet werden.

Interessant ist dabei auch der Blickwinkel, aus dem die Forschenden eine Entwicklung hin zu mehr Suffizienz ins Auge fassen. Titel und Kurzbeschreibung der 31 Forschungsprojekte zu Suffizienz zeigen, dass bei 15 von ihnen eher das Individuum als handelndes Subjekt im Mittelpunkt steht, das durch Verhaltensänderungen den Umweltverbrauch verringern soll. Beispielhaft hierfür stehen etwa Konsummuster bei Kleidung und Energie in privaten Haushalten. Bei 11 Projekten wiederum liegt der Fokus eher auf politischen Maßnahmen, die durch Modifikation von Infrastrukturen, Anreizen und Vorschriften eine Reduktion des Konsums erreichen sollen, z. B. wenn es um Vorschläge zur Anpassung der EU-Effizienzrichtlinie oder der Verkehrsinfrastruktur geht.

Disziplinärer Hintergrund der Forschenden

Es zeigt sich, dass die Forschung zu Suffizienz ein sehr interdisziplinäres Forschungsfeld ist. Nicht nur insgesamt, auch in den Forschungsprojekten wird sehr interdisziplinär zusammengearbeitet. Dominant sind Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Sozialwissenschaften/Soziologie, häufig in Kombination miteinander. Aber viele weitere Disziplinen von Ingenieurwissenschaften, Physik und Mathematik, über Management, Design, Bildungswissenschaften bis hin zu Geographie, Architektur und Städtebau sind vertreten.

Projektstart und -laufzeit

Die Projektdauer wurde in Jahreszahlen abgefragt. Am häufigsten wurden vier Jahre genannt, gefolgt von drei, fünf und zwei Jahren. Die Angaben entsprechen ungefähr einer Normalverteilung; es handelt sich um Zeiträume, die eher üblich sind in der wissenschaftlichen Community. Einen Anteil daran haben auch einige Dissertationen, die im Rahmen der Umfrage eingetragen wurden. Die für den Projektstart am häufigsten angegebenen Jahreszahlen waren 2017, 2018, 2016 und 2019; das spricht dafür, dass im Rahmen der Selbstauswahl der Umfrage-Teilnehmer*innen vor allem aktuell laufende Projekte eingetragen wurden.

Finanzierung

Die Abfrage der Finanzierungshöhe erfolgte in Stufen. Rund 30 % der Projekte wurde mit 200.000 – 500.000 € finanziert. Knapp die Hälfte der Projekte erhielt 200.000 € oder mehr für ihr Projekt, die andere Hälfte lag darunter. Rund zwei Drittel der verwendeten Projekte finanzierte sich hauptsächlich aus Drittmitteln. Ein weiteres Fünftel wurde aus Eigenmitteln der forschenden Person(en) bzw. Organisationen finanziert. Drei Projekte basieren auf Stipendien. Unter den Förder-Institutionen werden am häufigsten das (deutsche) Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF; sieben Mal), die Stiftung Mercator Schweiz (fünf Mal) und das (deutsche) BMU bzw. das UBA (vier Mal) genannt. Unter den Projekten finden sich drei Projekte mit mehr als 1.000.000 € Projektmitteln, die alle aus Mitteln des BMBF gefördert werden. Es zeigt sich somit deutlich, dass Suffizienzforschung der Nische von Promotionen und kleinen Eigenforschungsprojekten entwachsen ist und auf eine – weiterhin eingeschränkte – aber vorhandene Förderbasis bauen kann.

Ausblick

Wir möchten den Teilnehmenden der Umfrage danken, dass sie uns so bereitwillig Auskunft gegeben haben. Wir hoffen, dass die Daten helfen, der Suffizienzperspektive in Forschung und Öffentlichkeit mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Natürlich kann eine solche Umfrage nur eine Momentaufnahme der Forschungslandschaft bieten. Wir empfehlen daher allen Forschenden, ihre vergangen, aktuellen und zukünftigen Projekte in die einschlägige Datenbank des Umweltbundesamtes (UFORDAT) einzutragen und mit dem Stichwort „Suffizienz“ zu verschlagworten. Interessierte am Forschungsnetzwerk können sich an forschungsnetzwerk_suffizienz@riseup.net wenden. Wer in den Mailverteiler des Forschungsnetzwerk Suffizienz aufgenommen werden möchte, kann dies hier beantragen: https://lists.posteo.de/listinfo/forschungsnetzwerk-suffizienz.

 

Die Ergebnisse der Umfrage zur Forschungslandschaft zum Thema Suffizenz finden Sie hier: Ergebnisse Umfrage Forschungslandschaft Suffizienz_Eichhorn_Leuser_Siedle

 

[1] Fischer, Corinna, and Rainer Grießhammer. 2013. “Mehr Als Nur Weniger. Suffizienz: Begriff, Begründung Und Potenziale.” Freiburg. https://www.oeko.de/oekodoc/1836/2013-505-de.pdf

 

1 Kommentare

  1. Tolle Arbeit, vielen Dank für diesen hilfreichen Überblick, der die Vernetzung unter Forschenden im Bereich Suffizienz sicherlich fördert! Als externe Doktorandin an der Uni Oldenburg kann ich mein Thema wohl leider nicht in die UFORDAT eintragen (fehlende DB-Nr. meiner Institution), daher hinterlasse ich mein Promotionsthema als Ergänzung zur o.g. Übersicht mal hier: Sufficiency-based business models in transitions towards sustainable consumer practices. Das Ziel ist – ganz platt ausgedrückt – durch die Verbindung von Suffizienz und Social Practice Theory zu erforschen wie Unternehmen Konsumenten dabei helfen können suffizienter zu leben. Vielleicht trifft man sich ja auf dem ERSCP in Barcelona im Oktober 2019.

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