Suffizienzpolitik, im Sinne einer Politik des „Weniger“, begibt sich auf ein noch selten bestelltes, eher gemiedenes Feld. Während Effizienz und Konsistenz breite Zustimmung finden, weil sie Verbesserungen ohne Verzicht und sogar Wirtschaftswachstum versprechen, begegnet die Suffizienz deutlicher Reserve.
Dieser Blogbeitrag basiert auf einem Wuppertal Spezial, das Suffizienz ins Zentrum stellt und in dem viele Beispiele vorgestellt werden, in denen sich diese als politische Praxis verwirklichen lässt. Die bearbeiteten 30 Politiken sind dabei keine erschöpfende Aufstellung. Es sind Beispiele, Stellvertreter, ein Strauß von Möglichkeiten sehr unterschiedlicher Reichweite.
Sondersteuern auf Fast Food
Neben Aufklärung und Ge- und auch Verboten werden auch richtungsgebende Eingriffe von Seiten der Politik in Form von Steuern und Subventionen von Nöten sein, um Suffizienzpolitik in die breite Praxis zu verhelfen. Auch diese Maßnahmen müssen dabei nicht zwangsläufig zu lebensqualitätsvermindernden Auswirkungen führen. Wenn bspw. fett- und kalorienreiche Nahrungsmittel, wie sie vor allem als Fast Food auf den Markt kommen, mit Sondersteuern belegt werden, sollen damit vor allem Wohlstandskrankheiten wie Übergewicht und Diabetes bekämpft werden. Ihres Fleisch- und Milchanteils wie ihrer Produktionsbedingungen wegen haben sie aber ebenfalls einen Suffizienz-Bezug.
Hierfür gibt es bereits einige Beispiele: In Mexiko wurde auf Initiative von Premier Enrique Pena Nieto eine Sondersteuer auf Fast Food eingeführt. Als Teil eines Maßnahmenbündels gegen Übergewicht (u.a. mit Erziehungs- initiativen, neuen Etikettierungsvorschriften und Sportprogrammen), wird ab 2014 auf alle Lebensmittel mit mehr als 275 Kalorien je 100 Gramm eine Steuer von acht Prozent erhoben. Das ungarische Parlament beschloss im Juli 2011 eine «Chips-Steuer», wonach eine Sonderabgabe auf übermäßig gesalzene, süße, kohlenhydrat- oder koffeinreiche Fertigprodukte erhoben wird. Bei inländischen Produkten werden die Hersteller zur Kasse gebeten, bei Importgütern die Vertreiber. In Peru wird seit Mai 2013 die Werbung für Fast Food eingedämmt. Dadurch sollen vor allem Minderjährige vor Fettleibigkeit geschützt werden.
In Deutschland forderte 2013 der SPD-Abgeordnete Edgar Franke in Presse und Fernsehen ebenfalls eine Strafsteuer von 9,5 Prozent auf Lebensmittel mit besonders hohem Kalorienanteil: „Ich plädiere für einen Aufschlag in Höhe des halben Mehrwertsteuersatzes auf Produkte mit umgerechnet mehr als 275 Kalorien je 100 Gramm.“ Auch MdB Erwin Rüddel von der CDU fordert einen Risikoaufschlag auf besonders fetthaltige Lebensmittel. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz hält eine solche Steuer jedoch für die falsche politische Maßnahme im Kampf gegen Fettleibigkeit und kritisiert diese als Bevormundung der Bürger.
Ökologische Steuerreform
Eine weitere wichtige Unterstützung für Suffizienz ist die Weiterführung der ökologischen Steuerreform. Diese hat zum Ziel, durch die Besteuerung von Brennstoffen und elektrischer Energie die knappen Energiereserven zu schonen und die Emission von CO2 zu senken. Die meist Ökosteuer genannte Abgabe ist eine Verbrauchssteuer, welche in Deutschland 1999 als Erhöhung der Mineralölsteuer und als zusätzliche Stromsteuer eingeführt wurde. Besteuert wird alle Energie mit Ausnahme von Strom aus erneuerbaren Energieträgern, wenn er aus einem ausschließlich von ihnen gespeisten Netz entnommen wird. Ausnahmen bzw. geringere Sätze gibt es für Industrien mit hohem Energieverbrauch, vor allem für solche, die im internationalen Wettbewerb stehen.
In ihrer umweltpolitischen Wirkung hat die Ökologische Steuerreform den CO2-Ausstoß um gut zwei Prozent gesenkt, wobei einstweilen die zahlreichen Ausnahmen und Erleichterungen eine größere Wirkung verhindern. In ihrer sozialpolitischen Wirkung ermöglicht die Ökosteuer, den Beitragssatz zur Rentenversicherung um 1,7%-Punkte zu ermäßigen. Die dadurch mögliche Senkung der Arbeitskosten hat Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen. Im Übrigen wächst aufgrund der Ökosteuer die Nachfrage nach energiesparenden Produkten und der öffentliche Personenverkehr nimmt zu.
Wieder einzuführen wäre eine mäßige jährliche Steigerung der Ökosteuer. Sie entlastet die Rentenkassen, animiert zu Energie sparenden Investitionen in Produktion und Verbrauch und bleibt relativ kostenneutral, wenn sie sich in ihrer Höhe an der jeweils im Vorjahr erreichten Energieproduktivität orientiert. Gleichzeitig verhindert sie den Rebound-Effekt, der sonst durch Effizienzgewinne entstünde. Ein Nachteil der Ökosteuer ist jedoch, dass sie die Haushalte mit geringem Einkommen stärker belastet, weil bei ihnen die Energiekosten einen größeren Teil der Einkünfte beanspruchen. Sie verlangt darum nach einem sozialen Ausgleich, etwa durch progressiv steigende Energiepreise mit niedrigem Eingangsniveau oder durch eine Rückerstattung.
Abbau umweltschädlicher Subentionen
Gleichzeitig zur Weiterführung der ökologischen Steuerreform ist es notwendig die Subventionen für umweltschädliche Maßnahmen abzubauen. Der unterschiedlich definierte Begriff Subventionen wird hier auf Umwelt belastende Steuerverschonungen, Steuererleichterungen und finanzielle Fördermaßnahmen des Staates angewandt. Sie schädigen, wie das Umweltbundesamt in seinem Bericht von 2010 feststellt, die Natur auf mehrfache Weise: Zunächst einmal begünstigen sie umweltschädliche Produkte und Verhaltensweisen und tragen damit zur Übernutzung der Naturgüter – wie Klima, Luft, Boden, Wasser – bei. Gleichzeitig ziehen sie zusätzliche Ausgaben für die Schadensbeseitigung nach sich und durchkreuzen so die Anstrengungen für den Umweltschutz, den die Gesellschaft an anderen Stellen mit großem Aufwand betreibt. Schließlich stärken sie die Wettbewerbsfähigkeit umweltschädlicher Verfahren, indem umweltfreundliche Techniken geringere Entwicklungsmöglichkeiten und schlechtere Marktchancen haben. Mit all dem sind sie suffizienzrelevant und belasten nicht nur den gegenwärtigen Staatshaushalt sondern beschweren ebenso die zukünftigen Budgets.
In Deutschland wurden ökologisch schädliche Finanzhilfen und Steuerbefreiungen des Bundes in Höhe von mehr als € 50 Milliarden (Angaben für 2010) vor allem auf drei Gebieten ausgegeben: Energie, Verkehr und Landwirtschaft. Eine ausführliche Darstellung aller die Umwelt gefährdenden Finanzhilfen samt einer Begründung ihrer Schädlichkeit findet sich im Bericht des Umweltbundesamtes 2010. Eine Aktualisierung ist 2014 erschienen. Sie lässt teils ein Auslaufen umweltschädlicher Subventionen, teils die Einführung neuer Subventionen erkennen, ohne dass ein systematischer Abbau sichtbar wird.
Damit lohnt es sich weiter darüber nachzudenken und die verschiedenen Möglichkeiten in der politischen Praxis weiter auszuprobieren. Weitere Beispiele für Steuern und Subventionen der Suffizienz mit unterschiedlicher Eingriffstiefe sind zu finden unter „Suffizienz als Politische Praxis“.