Die politisch oft betonte Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen sowie vorhandene zu sichern wird immer wieder als eine der treibenden politischen Kräfte für Wirtschaftswachstum identifiziert. Problematisch an dieser Wachstumsfokussierung ist jedoch, dass die Option einer absoluten Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcen- sowie Umweltverbrauch inzwischen bereits vielfach widerlegt worden ist.
Doch wieso genau sind die Beschaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen ein politisch so gefestigtes Argument für Wirtschaftswachstum und was bedeutet das für die Umwelt- und Arbeitssituation? Und welche politischen Zielsetzungen könnten dem Wachstumsfokus in Bezug auf die Arbeitswelt etwas entgegensetzen? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich ein aktueller Bericht von Jan Mayrhofer vom European Youth Forum sowie Katy Wiese vom Europäischen Umweltbüro. In diesem entwerfen die Autor*innen eine neue, vom Wachstumszwang gelöste Politikagenda für ein Europa Post-Corona (Seidl und Zahrnt 2021).
In vier Kapiteln – von „Trapped on an endless treadmill“ bis „Escaping the endless treadmill: a new policy agenda for a post-coronavirus Europe“ – beschreiben die Autor*innen der Studie die Zusammenhänge von Arbeit und Wachstum als eine Art Tretmühle. Einerseits wird von einer stetig steigenden Arbeitsproduktivität ausgegangen, diese führt andererseits aber zur Entlassung von Arbeitnehmer*innen, um Überproduktion auszuschließen. Weswegen wiederum weiteres Wirtschaftswachstum notwendig ist, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Kreislauf, der schwer zu durchbrechen scheint.
Dabei machen Mayrhofer und Wiese im Bericht zum einen deutlich, welche Entwicklungen die Tretmühlen am Laufen halten und welche negativen Effekte diese haben. Kurz genannt sei hier nur die Ausbreitung des „Rentier-Kapitalismus“, die Deregulierung der Arbeitsbedingungen sowie der globale Wettbewerb von Arbeitskräften sowie die rasanten Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und Automatisierung.
Zum anderen zeigen die Autor*innen aber auch Lösungswege aus der Wachstums-Tretmühle auf. Zur Transformation unseres aktuellen, wachstumsfokussierten Systems schlagen sie unter anderem vor, das Bruttoindlandsprodukt zu relativieren und durch alternative Indikatoren zu ersetzen. Auch der Ausbau der Arbeitnehmer*innen-Rechte und die Bekämpfung ökologischer Probleme soll zum übergeordneten politischen Ziel des „Wellbeing“ beitragen. Als weitere konkrete Maßnahmen werden zudem das Universelle Grundeinkommen, eine Arbeitszeitreduktion, mehr demokratische Partizipation am Arbeitsplatz sowie eine Jobgarantie angeführt (Mayrhofer; Wiese 2020).
Inspiriert zum Bericht hat die Autor*innen unter anderem das Buch „Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft“ (Zahrnt; Seidl 2019), was dem Bericht und seiner Problemanalyse sowie den aufgezeigten Lösungsvorschlägen auch anzumerken ist.
Zum vollständigen Bericht „Escaping the growth and jobs treadmill. A new policy agenda for post-coronavirus Europe“ gelangen Sie hier. Eine lesenswerte Einordnung des Berichtes im Postwachstumskontext haben zudem Angelika Zahrnt und Irmi Seidl verfasst. Diese ist vor der sowohl online beim Oekom-Verlag als auch in der ÖkologischesWirtschaften, Ausgabe 3/2021, namens „Utopisieren“, erschienen.
Literatur:
Seidl, I./Zahrnt, A. (Hrsg.) (2019): Ta?tigsein in der Postwachstumsgesellschaft. Marburg, Metropolis.
Seidl, Irmi; Zahrnt, Angelika (2021): Postwachstum nach der Pandemie: Eine neue politische Agenda für Europa. Online verfügbar unter: https://www.oekom.de/beitrag/postwachstum-nach-der-pandemie-eine-neue-politische-agenda-fu-r-europa-260, zuletzt abgerufen am 04.02.2022.
Wiese, K./Mayrhofer, J. (2020): Escaping the growth and jobs treadmill: a new policy agenda for post-coronavirus Europe. Brussels, European Environmental Bureau, European Youth Forum.
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