Wie können individuelle, alltägliche Routinen durch planerische Instrumente auf kommunaler Ebene gestaltet werden, sodass das individuelle suffiziente Verhalten gefördert wird? Innerhalb meiner Bachelorarbeit im Studienfach Urbanistik habe ich die Einflussmöglichkeiten kommunaler Planung auf das suffiziente Verhalten von Individuen am Beispiel der Stadt Weimar untersucht. Die Arbeit wurde im Rahmen des BUND-Forschungspreises für wissenschaftliche Arbeiten zur nachhaltigen Entwicklung 2020 in der Kategorie Bachelorarbeit ausgezeichnet.
Um suffizientes Verhalten von Individuen zu ermöglichen, kann eine kommunale Suffizienzpolitik Infrastrukturen so gestalten, dass suffizientes Verhalten einfach und bequem wird. Dadurch werden Alternativen gegeben, die wiederum neue Routinen im Alltag der Menschen anregen können. Innerhalb von drei Handlungsfeldern – Mobilität, Bauen und Wohnen, Konsum und Ernährung – wurden im Rahmen der Bachelorarbeit kommunale – sowohl informelle als auch formelle – Planungsinstrumente untersucht. Diese können eine bedeutende Rolle in der kommunalen Planung einnehmen, um Suffizienz zu gestalten.
Anhand der Analyse in Weimar zeigte sich, dass innerhalb der untersuchten Planungsinstrumente, wie unter anderem dem Radverkehrskonzept, Bebauungspläne und die Werbesatzung, bereits suffizienzfördernde Maßnahmen zu finden sind. Die Art dieser Maßnahmen beinhalten Informationen, Angebote und Anreize sowie die Bereitstellung von notwendiger Infrastruktur. Die Maßnahmen finden in Teilen dann Anwendung, wenn andere Probleme auftreten, sodass Suffizienz nicht ausschlaggebender Grund für die Entscheidung und diese primär durch andere Faktoren motiviert ist. Besonders deutlich wurde dies anhand der Werbesatzung.
Doch zeigt die Gesamtschau auch, dass eine Vielzahl an Projekten und Aktionen, die implizit suffizientes Verhalten in der Stadt stärken könnten, vorhanden sind. Vor allem werden viele solcher Projekte von Partner*innen aus der Zivilgesellschaft mitgetragen und durch die Lokale Agenda 21 unterstützt. Diese Projekte sind meist auf gezielte Problematiken beziehungsweise konkrete Themen fokussiert, wodurch ein explizites Ziel verfolgt wird, wie beispielsweise das Projekt Weimar parkt um! oder das Mehrwegbecherpfandsystem. Daran wird deutlich, dass das Zusammenspiel von Zivilgesellschaft und Stadt eine wichtige Komponente darstellt. Die Zivilgesellschaft kann unterstützend agieren und innerhalb der Stadt als Pionierin neue transformative Ideen erlebbar machen. Die Stadt besitzt Möglichkeiten diese Ideen zu fördern und einzelnen Gruppen Raum dafür zur Verfügung zu stellen.
Weitere Maßnahmen, die suffizientes Verhalten fördern können, sind bereits in Instrumenten festgelegt oder verankert doch treffen auf verschiedene Umsetzungsschwierigkeiten. Ausschlaggebend sind fehlende finanzielle Mittel, welche durch den eigenen Haushalt nicht geleistet werden können. Aus diesem Grund sind Maßnahmen, wie beispielsweise der Ausbau des Radnetzes, zusätzlich von Landes- oder Bundesmittel abhängig. Weitere Schwierigkeiten bestehen darin, dass in Teilen personelle Kapazitäten nicht ausreichen, um die formulierten Maßnahmen und deren Projektkoordination zu bewerkstelligen. Hinzukommt, dass suffizienzfördernde Maßnahmen oftmals innerhalb freiwilliger Aufgaben der Kommune verankert sind, wie beispielsweise der Radverkehr oder Klimaschutz. Problematisch zu sehen ist dabei, dass informelle Konzepte innerhalb derer suffizienzfördernde Maßnahmen visiert werden, oftmals im Rahmen von Förderprogrammen erstellt werden und damit folglich keine Anschlussfinanzierung verbunden ist. Dies erschwert zusätzlich das Handeln und fordert gleichzeitig Rechtfertigungen gegenüber der Bevölkerung bei Nicht-Ausführung der Maßnahmen.
Außerdem konnten auch suffizienzhemmende Maßnahmen festgestellt werden, welche dementsprechend kontraproduktiv wirken und deutlich machen, dass nur eine stringente Suffizienzstrategie zu einer nachhaltigen Entwicklung führen kann. Beispielsweise weist die Stadt Weimar weiterhin Einfamilienhausgebiete aus, um der Nachfrage gerecht zu werden. Sie fördert dadurch eine flächenintensive Wohnform, wodurch außerdem aufgrund der örtlichen Lage weiterer Verkehr entsteht. Problematisch zeigt sich, dass in Teilen kein Mut vorhanden ist oder Unwissenheit darüber besteht, wie Suffizienz in der Stadt verfolgt werden soll und welche Maßnahmen zielführend sein könnten. So wird an bestehenden Ausführungen festgehalten und nur langsam finden neue Alternativen, wie zum Beispiel Wohnprojekte, Eingang in die kommunale Planungspraxis in Weimar.
Die Analyse der Planungsinstrumente hat gezeigt, dass der Begriff der Suffizienz auch mit Verzicht verbunden wird, doch kann die Strategie vielmehr zu einer gerechten Verteilung von Boden beziehungsweise Raum innerhalb einer Kommune beitragen. Suffizienzorientierte Stadtplanung hat aus diesem Grund nicht nur das Ziel, den Ressourcenverbrauch zu senken, sondern die Kommune nach dem menschlichen Maß (nach Gehl) aus- und umzugestalten – sprich ein gutes Leben für möglichst viele, statt für wenige zu schaffen. Suffizienz wird zwar implizit in Teilen mitgedacht, doch sollte die Strategie breiteren Eingang in Planungsprozesse und – diskussionen finden. Problematisch dabei ist, dass die formulierten Maßnahmen oftmals nicht mit „schnellen“ Handlungen verbunden sind – obwohl ein rasches Handeln aufgrund der Dringlichkeit von Nöten ist.
Aus dieser Betrachtung heraus stellt sich weitergehend die Frage, wie neue, flexible Lösungen für eine Kommune erprobt werden können. Diese sind nicht nur innerhalb der Planungspraxis zu finden, sondern innerhalb diverser kommunaler Aufgaben im Austausch mit der Bevölkerung und Politik. Für die kommunale Planung kann das folglich statt Neubau Umnutzung, statt motorisiertem Individualverkehr umweltfreundliche Mobilitätsformen oder statt Förderung von verschwenderischem Konsum bewusster, ressourcenschonender Konsum, bedeuten.
Sehr interessant! Ich würde diese Arbeit evtl. Auchvgrrne in unseren ewa-Gemeinden präsentieren! Kann ich sie bekommen?
Vielen Dank!
Liebe Anna Glindemann,
wie schaffe ich es denn Ihre Arbeit in die Hände zu bekommen?
Beste Grüße
Florian Hörmann