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Wandel in der Arbeitswelt? Flexibilisierung und Möglichkeiten der individuellen Arbeitszeitgestaltung (Teil II)

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Die moderne Arbeitswelt wird von einem Wandel der Arbeitszeiten und Flexibilisierungstendenzen bestimmt. Neue Beschäftigungsformen und Arbeitszeiten etablieren sich und sorgen für eine Ungleichverteilung. Aber auch die Ansprüche der Beschäftigten an ihre Arbeitszeiten steigen; so ist eine Vereinbarkeit mit der Familie, Weiterbildungen oder dem Alter gefordert.

Arbeitszeiten im Wandel

Die deskriptiven Ergebnisse meines letzten Beitrags weisen darauf hin, dass eine Umverteilung der Erwerbsarbeit sinnvoll sein kann. So scheint eine Reduzierung der Arbeitszeit insgesamt als folgerichtig, aber auch eine Förderung der Erwerbspartizipation von Frauen und die Stärkung der Rolle von Vätern in der Familie. Wie wichtig eine Erwerbstätigkeit für Frauen ist, zeigen Diskussionen um sogenannte Erwerbslücken, Arbeitszeitlücke oder Altersarmut. Um aber eine „ideale“ Wochenarbeitszeit von ca. 30 Stunden für Frauen zu ermöglichen, müssen die Rahmenbedingungen, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben verbessert werden.

Lösungsmöglichkeiten

Es ist die Aufgabe einer modernen Arbeitszeitpolitik, Arrangements zu entwickeln, die einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen herbeiführen und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und persönlicher Lebensführung in den verschiedenen Lebensphasen gewährleisten. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten bietet dazu interessante Optionen.

Möglichkeiten von Arbeitszeitkonten

Arbeitszeitkonten stellen eine Möglichkeit dar, die die Beschäftigten selbst gestalten können. Sie dienen der Erfassung der geleisteten Arbeitszeit und speichern die Abweichungen zwischen tatsächlicher und vertraglich vereinbarter Arbeitszeit. So kann der Auf- bzw. Abbau von Arbeitszeiten kontrollieren werden (vgl. Scheier und Hildebrandt 2010). Es gibt verschiedene Modelle von Arbeitszeitkonten; grundsätzlich kann zwischen Kurz- und Langzeitarbeitskonten unterschieden werden. Besonders für dieses Konzept erscheinen sog. Lebensarbeitszeitkonten als geeignet, die vor allem dazu dienen, einen flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen und das Ansparen von Überstunden über einen langen Zeitraum voraussetzen. So könnten Arbeitszeitkonten dazu genutzt werden, eine bestimmte Lebensarbeitszeit flexibel im Verlauf des gesamten Erwerbslebens zu verteilen (vgl. Wotschack 2010 und Wotschack et al. 2008). Diese Form der Arbeitszeitgestaltung ermöglicht eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, aber auch einen individuellen, auf die jeweilige Lebenssituation angepassten Einsatz. Nötig sind dafür zudem die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen, wie z. B. eine Insolvenzsicherung von Langzeitkonten und Regelungen zur Zeitmitnahme bei Firmenwechseln.

Lösungsvorschläge und nötige Voraussetzungen

Vorstellbar wäre eine Koppelung von Langzeitarbeitskonten an das Rentensystem. Es könnte damit eine bestimmte Lebensarbeitszeit an den Bezug von vollen Rentenleistungen geknüpft werden.[1] Betont werden muss allerdings, dass ein solches Modell eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen voraussetzt und hohe Produktivität der Arbeitskräfte – sowie ein hohes Bildungsniveau – benötigt, um einen materiellen Wohlstand auch halten zu können. Diese Voraussetzung enthält zuerst einmal die Tatsache, dass Familienarbeit zwischen den Geschlechtern gleichwertiger verteilt werden muss, damit Frauen eine höhere Anzahl von Arbeitsstunden leisten können und damit auch ihr guter Ausbildungsstand genutzt werden kann. Zudem muss eine breitere Akzeptanz für arbeitende Mütter geschaffen werden und eine bessere Betreuungsinfrastruktur, um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern

Eine zweite ebenso wichtige Voraussetzung – neben der gesellschaftlichen Akzeptanz – stellt das Angebot an passenden Arbeitsstellen dar. So müssen mehr Teilzeitstellen angeboten werden, die nicht nur auf 50% der Normalarbeitszeit beschränkt sind, sondern auch beispielsweise 30 Wochenstunden ermöglichen. Wichtig ist zudem, dass solche Angebote auch für Führungskräfte entstehen. Denkbar ist hier eine Förderung solcher Arrangements von Seiten der Politik, beispielsweise durch steuerliche Vergünstigungen an anderen Stellen, wenn Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Teilzeitstellen anbieten.

Gegenwärtig erscheint ein solcher Gesellschaftsentwurf noch als schwer realisierbar. Die Wünsche der Beschäftigten gehen aber sicher in diese Richtung und sollten berücksichtigt werden.

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Literaturverzeichnis

Scheier, Franziska; Hildebrandt, Eckart (2010): Arbeitszeit. Eine wichtige Dimension für die Lebenslaufperspektive? In: Diskussion Paper WZB (506), S. 1–61.

Wotschack, Philip (2010): Lebensarbeitszeitkonten in der Perspektive sozialer Ungleichheit. Kumulation oder Abbau sozialer Benachteiligungen im Lebensverlauf (505), S. 1–54.

Wotschack, Philip; Hildebrandt, Eckart; Scheier, Franziska (2008): Langzeitkonten. Neue Chancen für die Gestaltung von Arbeitszeiten und Lebensläufen. In: WSI Mitteilungen (11/12), S. 619–626.


[1] Dieser Vorschlag der Autorin muss allerdings noch eingehend geprüft und berechnet werden, kann aber eine sinnvolle Lösungsmöglichkeit für diese Frage darstellen.

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