Standpunkte

Rohstoffpolitik 2.0

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Unser Hunger nach Rohstoffen ist unersättlich und das nicht trotz, sondern unter anderem gerade wegen neuer (digitaler) Technologien. Während in Deutschland der Verbrauch klassischer Rohstoffe wie Erdöl und Stahl seit Jahren bestenfalls stagniert, steigt er für verschiedene Metalle wie Lithium und Kobalt rasant an. Neben den ganz konkreten katastrophalen Folgen für Ökosysteme und Menschen in den Abbauländern der Rohstoffe ist die Höhe des stofflichen Durchsatzes einer Gesellschaft auch ein Indikator für ihre Nachhaltigkeit. Denn untrennbar verknüpft mit deren Abbau und Nutzung sind die Zerstörung von Lebensräumen und die Emission von Giftstoffen und Treibhausgasen. Ziele etwa im Klima- und Biodiversitätsschutz können letztlich nur erreicht werden, wenn der Verbrauch von (Primär-)Rohstoffen, besonders in den hochentwickelten Industriestatten, drastisch sinkt. Hierfür bedarf es auch politischer Gestaltung: Rohstoff- bzw. Ressourcenpolitik.

Kleine Schritte…

Ausgehend von dieser Diagnose stellt sich nun die Frage, wie eine zukunftsfähige Rohstoffpolitik aussehen kann. In einer neuen Broschüre des Deutschen Naturschutzrings (DNR) versuchen wir, einige Konturlinien zu zeichnen und konkrete Forderungen zu formulieren. Gastbeiträge aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Organisationen wie NABU, Öko-Institut und PowerShift erweitern und ergänzen dabei die Perspektive des DNR-Projektes.

Die Analysen und Forderungen sind keineswegs neu oder revolutionär, angesichts stetig lauter werdender Warnrufe etwa aus Klima- oder Biodiversitätsforschung aber dringlicher denn je. Das Themenspektrum reicht dabei von Tiefseebergbau, der aufgrund katastrophaler ökologischer und sozialer Risiken keine Option zur weiteren Befriedigung unseres Rohstoffhungers darstellen darf, bis zu Instrumenten und Strategien zur Senkung des Rohstoffverbrauchs, dem Abbau fossiler Subventionen und die Umsetzung einer ökologischen Steuerreform.

… und das große Ganze

Konkrete Instrumente sind zwar notwendig, aber bei weitem nicht hinreichend für eine zukunftsfähige Rohstoffpolitik. Bisherige Lösungsstrategien, vermeintliche Patentrezepte und implizite Grundannahmen, die einen wesentlichen Anteil an der aktuellen Problemlage haben, müssen kritisch beleuchtet werden. So ist es mindestens zweifelhaft, ob Steigerungen der Effizienz, das bisher präferierte Mittel deutscher Ressourcenpolitik, den Verbrauch – wenn überhaupt – innerhalb des verfügbaren Zeitfensters in ausreichendem Maße senken können. Ein Verweis auf die umfangreichen Debatten und Untersuchungen zu Rebound-Effekten mag hier genügen.

Darüber hinaus muss gerade aus der Perspektive des Ressourcenschutzes das wirtschaftspolitische Mantra anhaltenden Wirtschaftswachstums diskutiert werden. Es ist augenscheinlich, dass eine fortgesetzte Expansion der Wirtschaftsaktivitäten mit einem steigenden Bedarf an Rohstoffen einhergeht – selbst wenn dieses Wachstum ausschließlich im Dienstleistungssektor stattfindet. Eine Entkopplung der Wirtschaftsentwicklung vom Ressourcenverbrauch durch Effizienzsteigerungen ist prinzipiell möglich und punktuell, beispielsweise in Deutschland, sogar tatsächlich zu beobachten. Dass diese Effizienzgewinne auch in Zukunft erreicht werden können, ist jedoch lediglich eine kühne Hoffnung. Wenn sie nicht erreicht werden, erhöht das Wachstum der Wirtschaft den Ressourcenverbrauch noch weiter. Und wenn sie erreicht werden, verlangsamt das fortgesetzte Wachstum die dringend notwendige drastische Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs.

Postwachstum und Ressourcen?

In einem Gastartikel plädieren Autor/innen von IÖW, Wuppertal Institut und RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung deshalb dafür, eine vorsorgeorientierte Postwachstumsposition im rohstoffpolitischen Diskurs einzunehmen. Wie genau sich die Wirtschaft entwickeln wird, wenn eine Transformation hin zu einer Gesellschaft innerhalb der globalen ökologischen Grenzen tatsächlich gelingt, kann demnach nicht vorhergesagt werden. Es besteht jedoch die ernstzunehmende Möglichkeit, dass eine Gesellschaft mit nachhaltigem Ressourcenverbrauch aus heutiger Perspektive mindestens eine Postwachstums-, wenn nicht sogar eine Degrowth-Gesellschaft sein könnte (bzw. muss). Das Vorsorgeprinzip gebietet es, Vorbereitungen für diesen Fall zu treffen, indem zentrale Gesellschaftliche Institutionen in ihren Funktionen unabhängig(er) vom Wachstum der Wirtschaft – und einem hohen Input importierter fossiler und mineralischer Rohstoffe – gemacht werden.

Die Broschüre kann auf der Seite des DNR hier heruntergeladen werden.

Gerne senden wir Ihnen Druckexemplare der Broschüre kostenfrei zu. Wenden Sie sich dazu bitte an: konstantin.hartwig@dnr.de

Beitragsbild: © Christian Hermani

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