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Green Growth bietet genug Anlass zur Kritik

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Green Growth appears impervious to critique“. Die knapp 24 Autor/innen von „Green Growth. Ideology, Political Economy and the Alternatives“ (Zed Books, 2016) finden hingegen zahlreiche, zu einem Großteil auf empirische Untersuchungen gestützte Argumente, die das Potential von Green Growth Ansätzen zur Lösung von Nachhaltigkeits- und Umweltproblemen grundsätzlich in Frage stellen und das Grüne Wachstum auf diese Weise als Utopie dekonstruieren.

Mit technologischem Fortschritt planetare Grenzen einhalten?

Nach einer spannenden einleitenden Beschreibung der Genese des Green Growth Diskurses und seinen Bezügen zur Green Economy und Nachhaltigkeitsdebatte, wird schnell auf die ihm inhärenten Widersprüche eingegangen. Das Green Growth Versprechen, sich ohne jeglichen Verzicht in Richtung einer nachhaltigen Zukunft zu begeben, sei angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen, Rebound-Effekten und der inhärenten Logik des Wachstumsparadigmas nicht mehr als ein soziologischer Mythos. Ohne den Wandel hin zu einer Kultur der Suffizienz, einer gerechteren Ressourcenverteilung, tiefgreifenden Veränderungen des Konsumverhaltens und ökonomischen Systems sowie einer klaren Distanzierung vom Wachstumsparadigma und der gesellschaftlichen Ausbeutung der Natur wird der technologische Fetischismus nicht ausreichen, um die planetaren Grenzen zu berücksichtigen und unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Empirische Widerlegung des Versprechens grünen Wachstums

Besonders spannend sind die im zweiten Teil des Buchs zu findenden Fallstudien, die das breite Spektrum an Green Growth Ansätzen aufzeigen und ihre praktische Anwendung beschreiben. Vom Green Growth Pionierland Südkorea bis hin zur Europäischen Union und Indien werden verschiedene politische Kontexte vorgestellt, in denen Green Growth den politischen und gesellschaftlichen Diskurs geprägt hat. Es werden verschiedene Maßnahmen zur Umsetzung politischer Green Growth Strategien beschrieben.

So erfährt man, dass die praktische Umsetzung in Südkorea aufgrund mangelnder Konzeptualisierung teilweise zu kontraproduktiven Effekten wie Ressourcenverschwendung geführt haben und die angestrebten Ziele bei Weitem nicht erreicht wurden: Die Anzahl der Stellen („Green Jobs“), die für die lokale Bevölkerung vorgesehen war, stellte sich sehr viel geringer heraus als ursprünglich angekündigt. Zudem waren die Teilnahmemöglichkeiten lokaler Unternehmen an den vorgesehenen grünen Projekten sehr gering. Als klare Kritikpunkte an der Umsetzungsform werden darüber hinaus beispielsweise die fehlende Berücksichtigung lokaler nicht-monetärer Wertschöpfungsformen und des absoluten Ressourcenverbrauchs bei Monitoring-Indikatoren sowie der Mangel an partizipativen Ansätzen genannt.

Ein interessanter Fall ist auch Brasilien: Zwei Autorenteams bieten in jeweils einem Kapitel einen Einblick in die brasilianische Umsetzung der Green Growth Idee. In einem dieser Kapitel wird anschaulich, dass sich ökonomisches Wachstum nicht als Erfolgsindikator eignet, denn trotz bedeutsamer Einkommenssteigerung der ärmeren Bevölkerungsschichten versprechen die fehlende Investition in Kollektivgüter, die Rekarbonisierung der Wirtschaft durch eine Steigerung des Anteils von Kohle und Gas im brasilianischen Energymix und die Investitionen in hydroelektrische Infrastrukturen dem Land keine nachhaltige Zukunft.

Katalog der Alternativen

Schließlich wird der Leser oder die Leserin in einem abschließenden Teil in verschiedene alternative Ansätze zu Green Growth eingeführt, die einen Wandel fernab des Wachstumsparadigmas in Richtung Nachhaltigkeit vorschlagen oder praktisch erproben. So werden beispielsweise das Potential lokaler Gemeinschaften und die selbstorganisierte Lebensmittelproduktion kritisch unter die Lupe genommen.

Mein Fazit: Ein interessantes Buch, das einen unverstellten Blick auf den Diskurs rund um das Grüne Wachstum und seine weltweite Praxis bietet.

 

Dale, Gareth; Mathai, Manu V.; De Oliveira, Jose Puppim: Green Growth. Ideology, Political Economy and the Alternatives. 2016. Zed Books, London, 300 Seiten.

Dr. Pauline Riousset ist seit April 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsfeld „Ökologische Produktpolitik“ im Berliner Büro des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung. Ihre Promotion absolvierte sie in Politikwissenschaft über Transdisziplinarität und die strategischen Wirkungen von Umweltwissenschaften in Politik und Gesellschaft. Für internationale Organisationen (z.B. OECD, UNEP) arbeitete sie als freiberufliche Beraterin zur Wirkungsevaluation von Forschung. Ihren Master absolvierte sie in Paris an der UPMC und an der Sciences Po Paris in Umweltpolitik und Umweltwissenschaften mit Schwerpunkt nachhaltige Landwirtschaft und Agrar-Ökologie.

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