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Warum ein Besuch der Ausstellung Klima_X lohnt

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Starkregen, Hitzeperioden oder Dürren – auch in Deutschland erleben wir längst Klimaextreme. Der Klimawandel ist omnipräsent und klar ist: Wir müssen handeln – dringend. „Warum tun wir nicht, was wir wissen?“, fragt das Berliner Museum für Kommunikation in seiner aktuellen Sonderausstellung. Mit „KLIMA_X“ will das Museum Mut machen zum Reden, Reflektieren und Handeln. Das Team der Öffentlichkeitsarbeit vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) empfiehlt, die Ausstellung zu besuchen. Klimaforschung muss nicht komplex und abstrakt sein – der interaktive und niedrigschwellige Ansatz des Museums beweist, wie zugängliche Klimakommunikation und ein spielerisches Nachdenken über andere Wirtschafts- und Lebensweisen aussehen können. 

Mit eigenen Gefühlen und Handlungsmustern konfrontiert 

Wissen, Fühlen, Handeln: Beim Klimawandel und der Frage, was wir gegen ihn tun können, spielen verschiedene Ausprägungen des Umweltbewusstseins eine Rolle. Dabei geht es nicht nur um Fakten, sondern auch um die Emotionen, die die Klimakrise bei uns auslöst. Die Ausstellung zeigt den Besucher*innen zu Beginn Bilder von Überflutungsgebieten, eine Vitrine stellt schlammige Weinflaschen aus dem Ahrtal aus, die an die verheerende Sturzflut im Jahr 2021 erinnern. Daneben sehen wir aber auch, wie es anderes sein kann: etwa Zukunftsvisionen grüner Städte. Was lösen die verschiedenen Eindrücke in uns aus – machen sie uns wütend, schuldig oder hoffnungsvoll? Dieser Einstieg in die Ausstellung zeigt: Das Klima lässt niemanden kalt.  

Auch Tastsinn und Muskelkraft sind gefragt: In einer Station zum CO?-Ausstoß von Konsumgütern heben die Besucher*innen unterschiedlich schwere Dosen an: Wie viel wiegt der eigene Impact auf das Klima – in (Kilo-)Gramm CO? – etwa, wenn man 100 Gramm Fleisch, Käse oder Karotten isst oder zehn Kilometer mit dem Zug, dem Auto oder zu Fuß unterwegs ist? Selten wird dieser Unterschied so greifbar wie hier. 

Die Besucher*innen können sich entsprechend ihrer Emotionen einem Verhaltensmuster zuordnen – zum Beispiel dem aufgescheuchten Huhn, das vor lauter Klimaangst nicht weiß, wo es ansetzen soll. Andere „Klimatiere“: die bockige Ziege, der ignorante Strauß, die fleißige Biene oder das geschockte Erdmännchen. Foto: Klimatiere, Copyright Museum für Kommunikation Berlin, Yves Sucksdorff.

Klima und Wachstumsgrenzen: Ein Kampf um die Deutungshoheit 

Ein Zeitstrahl verdeutlicht, wie sich die CO?-Konzentration in der Erdatmosphäre seit Beginn der Industrialisierung verändert hat – und verortet parallel dazu Wendepunkte in der Debatte übers Klima. Einige Eckdaten, die uns überrascht haben: Schon im Jahr 1857 machte die Forscherin Eunice Foote (USA) die Bedeutung von CO? für den Treibhausgaseffekt deutlich, 1912 erschien ein Artikel zum Einfluss der Kohleverbrennung auf das Klima und 1941 warnte der deutsche Meteorologe Hermann Flohn vor unabsehbaren Folgen der menschgemachten Klimaveränderungen. Übersichtlich zeigt die Darstellung, wie das Klima vor allem seit den 1980er Jahren auf der internationalen Bühne verhandelt wird und wie parallel dazu die globale Temperatur immer weiter steigt. 

Die nächste Vitrine: Zwei Erstausgaben von „The Limits to Growth“ bzw. die „Grenzen des Wachstums“ in deutscher Übersetzung – das Pionierbuch der Wachstumskritik schlechthin. Eine ganze Wand widmet die Ausstellung dem mittlerweile über 50 Jahre alten Werk und führt in die damals durchgeführten Computersimulationen zu den Zusammenhängen zwischen Bevölkerung, Industrie, Nahrungsmittel, Rohstoffe und Umweltverschmutzung ein. Warum das stark rezipierte Werk keine Wende in der wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik erreicht hat? Trotz internationalen Debatten darüber, dass sich das System aus dem Gleichgewicht bewegt, konnten Zweifelnde mit den Vorwürfen von Katastrophismus, Unwissenschaftlichkeit und Innovationsblindheit punkten.  

Als „Händler des Zweifels“ setzte die fossile Lobby alles daran, den wissenschaftlichen Konsens anzuzweifeln. Die Ausstellung ruft in Erinnerung, wie der weltgrößte Öl- und Gaskonzern Exxon bereits 1977 von den Gefahren des Klimawandels wusste und dies mit einer Strategie gezielter Desinformation und Verwirrung verschleierte. Ausschnitte aus der Dokumentation „The Campaign against the Climate“ erzählen, wie eine Gruppe von Männern versucht hat, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft gezielt zu untergraben: In einer Kampagne verbreiteten sie bewusst Zweifel und Falschinformationen über den Klimawandel – leider mit einigem Erfolg. 

Persönliche Stimmen aus Gegenwart und Zukunft 

Am Ende von Klima_X kommen die Ausstellungsbesucher*innen in der Gegenwart an: Greta Thunberg, Fridays for Future, die Debatte um Schulstreiks und die Demonstrationen der „Letzten Generation“. Die Ausstellung stellt auch einen lokalen Bezug her: Für die Berliner*innen gibt es einen Blick darauf, was die Stadt selbst vorhat, um mit ihrem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm schnellstmöglich klimaneutral zu werden.  

Mit gemischten Gefühlen zwischen Empörung, Trauer, Wut und Hoffnung treten wir in den letzten Raum der Ausstellung. In Sesseln sitzen uns lebensgroß (auf vertikalen Bildschirmen) „Klima-Pionier*innen“, wie die Ausstellung sie nennt, gegenüber – etwa der Fernsehmoderator und Kabarettist Eckart von Hirschhausen, die Publizistin Ute Scheub oder die Transformationsforscherin Maja Göpel. Über Kopfhörer lauschen wir ihren Gedanken zu den dringend notwendigen tiefgreifenden Veränderungen, zu politischer Beteiligung und zu inspirierenden Beispielen.  

Die Ausstellung schließt mit einem Rückblick aus der Zukunft in die Gegenwart: Wir nehmen (in diesem Zusammenhang eher antiquarisch anmutende) Telefonhörer zur Hand, um Stimmen aus dem Jahr 2045 zu lauschen. Im Plauderton behandeln die fiktiven Gesprächspartner*innen mal mehr, mal weniger überraschende Lösungsansätze, die die Wende gebracht haben, wie Urban Farming, CO?-Budgets und alternative Arbeitsmodelle. Fernrohre bieten einen Blick in lebenswert anmutende Städte der Zukunft, die aus dem oekom-Buch „Zukunftsbilder 2045“ entnommen sind.

Quelle: Zukunftsbild 2045 Berlin, Copyright Reinventing Society und Render Vision

 

Fazit des IÖW-Kommunikationsteams nach einem ca. zweistündigen Besuch: Wir nehmen neue Perspektiven mit und haben uns gefreut, dass auch Arbeiten aus dem IÖW an mindestens zwei Stellen in diese interessante Ausstellung eingeflossen sind. Fest steht: Die Doku „Campagin against the Climate“ werden wir unbedingt in Gänze anschauen und die Ausstellung können wir nur weiterempfehlen – ein Besuch lohnt für jede*n.

Themenzuschnitt, Elemente und Umfang waren überzeugend gewählt. Doch eine einzige Sache haben wir bei diesem Museumsbesuch sehr vermisst: Publikum. An einem Dienstagnachmittag waren wir in der Ausstellung bis auf wenige weitere Gäste unter uns. Und selbst bei themenaffinen Berliner*innen in unserem Umfeld ist die Ausstellung nur wenig bekannt. Hier wäre dem Museum noch einmal eine Kommunikationsoffensive ans Herz gelegt, damit diese gelungene Ausstellung ein möglichst großes Publikum erreicht.

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Museum für Kommunikation Berlin: KLIMA_X. Warum tun wir nicht, was wir wissen?

Laufzeit: 29. September 2023 bis 1. September 2024

https://klima-x.museumsstiftung.de

Lara Schultz ist Volontärin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Als angehende Wissenschaftskommunikatorin kümmert sie sich darum, Projektergebnisse aus der Nachhaltigkeitsforschung auf den Punkt zu bringen. Ihr Antrieb: Wissenschaft soll verständlich sein. Dafür arbeitet die studierte Medien- und Kultursoziologin im Dialog mit den Wissenschaftler*innen den Kern ihrer Forschung heraus.

Antonia Sladek ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation am IÖW. Die studierte Sozialanthropologin bringt Kernergebnisse aus Forschungsprojekten kompakt und anschaulich an die Öffentlichkeit. Ihr Spezialgebiet: wissenschaftliche Erkenntnisse und Themen des nachhaltigen Wirtschaftens für verschiedene Zielgruppen aufzubereiten.

Diplom-Geoökologe Richard Harnisch leitet seit 2009 die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin.

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