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SDGs: Steht Nachhaltigkeit unter Wachstumsvorbehalt?

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Mit den Sustainable Development Goals zementiert die Weltgemeinschaft die Wachstumsideologie und vergibt sich eine weitere Chance für die Forderung und Förderung einer ökonomischen Entwicklung, die ökologisch und sozial zukunftsfähig ist. Entsprechend muss die kritische Auseinandersetzung mit Wachstum und Postwachstum in den früh entwickelten Industrieländern fortgeführt werden und sie muss sich auch mit den Auswirkungen von Postwachstum auf die Entwicklungs- und Schwellenländer beschäftigen. Darüber hinaus ist in diesen Ländern selbst eine kritische Auseinandersetzung mit der westlichen, inzwischen globalisierten und nicht zukunftsfähigen Wachstumsideologie nötig.

Nachhaltige Entwicklung ist das Leitbild für das 21. Jahrhundert – auf die Agenda 21 hatte sich die Staatengemeinschaft bei der ersten UN-Weltkonferenz zu Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 verpflichtet. Jetzt soll auf dem UN-Gipfel am 25. September 2015 in New York die Initiative der Weltkonferenz von 2012 umgesetzt werden und mit den Sustainable Development Goals (SDGs) ein neuer Anlauf unternommen werden, Nachhaltigkeit im Zeitraum von 2016 bis 2030 in den Mittelpunkt der globalen politischen Agenda zu stellen. Dazu sollen die Ziele, die sich aus dem Rio-Prozess entwickelt haben, sowie die Millenium Development Goals (die zwischen 2005 bis 2015 und vorrangig sozialen Zielen in den Entwicklungsländern galten) zusammengeführt und weiterentwickelt werden. Die Staatengemeinschaft will sich auf 17 (neue) Ziele mit 169 Unterzielen verständigen und zur Umsetzung dieser Agenda verpflichten. Es soll eine neue Globale Partnerschaft für eine transformative Agenda vereinbart werden.

Kennzeichen der neuen Globalen Partnerschaft sind:
– die Universalität der Ziele, die für alle Länder – Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer – und für alle Politikbereiche gelten,
– das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung für das globale Gemeinwohl, insbesondere globale öffentliche Güter,
– ein Überprüfungsmechanismus für Wirksamkeit, Transparenz und Monitoring,
– ein Multi-Akteursansatz, der Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft einbezieht.

So sinnvoll es ist, die verschiedenen UN-Prozesse zusammenzuführen und damit auch den Zusammenhang der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu stärken und gleichzeitig gemeinsame Ziele für alle Länder und Politikbereiche zu formulieren, so kritisch ist dieser Anspruch im Hinblick auf das formulierte wirtschaftliche Ziel (SDG 8) „Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ zu beurteilen.

Als das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung mit dem Bericht der Weltkommission zu Umwelt und Entwicklung 1987 auf die politische Agenda kam, wurde das Verhältnis von Wachstum und Nachhaltigkeit noch anders gesehen. Nach der bekannten Definition „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche weltweit die heutigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken“ wird zum Verhältnis von Wachstum und Nachhaltigkeit ausgeführt: „Nachhaltige Entwicklung erfordert klar ökonomisches Wachstum dort, wo elementare Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Anderswo kann es mit ökonomischem Wachstum übereinstimmen, vorausgesetzt die Art des Wachstums berücksichtigt die allgemeinen Prinzipien der Nachhaltigkeit und das Prinzip, andere nicht auszubeuten.“ 1987 gab es also klare ökologische und soziale Leitplanken für ein Wachstum im Rahmen von Nachhaltigkeit.

Daraus ist in den SDGs die generelle Forderung nach ökonomischem Wachstum geworden. Im Ziel 8 heisst das erste Unterziel: „sustain per capita economic growth in accordance with national circumstances and, in particular, at least 7 per cent gross domestic product growth per annum in the least developed countries“. Die Festlegung auf permanentes Wirtschaftswachstum (pro Kopf) weltweit steht im Widerspruch mit den Planetaren Grenzen, die bereits in verschiedenen Bereichen überschritten sind, und den Grenzen von ökologischen Effizienzgewinnen. Das SDG 8 ist die Übernahme und Festschreibung der Wachstumsideologie als globales Ziel nachhaltiger Entwicklung. Es blendet die zunehmende Debatte über die ökologische und soziale Fehlsteuerung einer Politik, die sich prioritär am Ziel des Wirtschaftswachstums (und seinem Indikator Bruttoinlandsprodukt) ausrichtet, aus. Wachstumskritik wird also ignoriert und die Fortsetzung des Wachstumskurses sanktioniert.

Zwar kann das Wachstum gemäß SDG „in accordance with national circumstances“ variieren, aber es muss sein. Für die am wenigsten entwickelten Länder wird eine pauschale Wachstumsrate von mindestens 7 % zum Ziel gesetzt. Wohl ist in diesen Ländern eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation dringend nötig, es ist allerdings fraglich, ob zum einen eine Wachstumszielvorgabe sinnvoll ist. Für Indien z.B. stellt der Nobelpreisträger Amartya Sen fest, es hätte Wachstum ohne Entwicklung stattgefunden. Entsprechend ist zum anderen zu fragen, ob Wirtschaftswachstum das geeignete Mittel für eine Verbesserung der Lebensbedingung der dort lebenden Menschen ist oder nicht eher eine Umverteilung (oftmals bräuchte es Bodenreformen) und Stärkung von Landwirtschaft, Eigenversorgung und lokalen Ökonomien.

Auf die ökologische Seite des Wirtschaftswachstums wird in einem weiteren Unterziel eingegangen: “Improve progressively, through 2030, global resource efficiency in consumption and production and endevour to decouple economic growth from environmental degradation, in accordance with the 10-year framework of programmes on sustainable consumption and production, with developed countries taking the lead.“ Hier wird allein auf Effizienz und die altbekannte Forderung nach Entkoppelung des Wachstums von Umweltschäden gesetzt. Änderungen des Konsumverhaltens zu suffizienteren Lebensstilen sind nicht vorgesehen – dürften sie doch dem Wachstumsziel zuwiderlaufen. Dabei gibt es durchaus Konzepte, wie wirtschaftliche Entwicklung mit einer Verringerung des Umweltverbrauchs innerhalb der ökologischen Grenzen realisiert werden kann, z.B. durch eine ökologische Steuerreform, Emissionshandel, den Abbau umweltschädlicher Subventionen, schärfere Grenzwerte und absolute Reduktionsziele im Verbrauch von Ressourcen und im Ausstoß von Emission (statt nur effizienzbezogener Ziele pro Produktionseinheit). Doch von solchen Instrumenten ist in den 169 Unterzielen fast gar nichts zu lesen. Ihre Durchsetzung scheitert ohnehin zumeist, denn jedes ökologische wirksame Instrument verliert an Rückhalt, solange Wirtschaftswachstum Priorität genießt und negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum vermutet werden.

Das SDG-Ziel „dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wachstum“ suggeriert eine Harmonie von Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum. Die Realität zeigt die Konflikte täglich – und die Priorität des Wirtschaftswachstums. Zugunsten letzterem kann man sich in Zukunft gar auf die SDGs berufen, – auf SDGs, die zweifellos auch ein bedeutender (positiver) Bezugspunkt für mehr Nachhaltigkeit weltweit sein werden.

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