Neues aus der Wissenschaft

SRU regt Debatte über Suffizienz an

Schreibe einen Kommentar

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) will eine neue Debatte über Suffizienz im Wirtschaftssystem fördern. In seinem vor Kurzem veröffentlichten Diskussionspapier „Suffizienz als ‚Strategie des Genug‘“ regen die sieben ‚Umweltweisen‘ dazu an, Konflikte zwischen den Paradigmen Green Growth und Degrowth zu überwinden, indem der Fokus auf vorsorgeorientiertes Wirtschaften gesetzt wird.

Das Beratungsgremium der Bundesregierung legt in 16 Thesen dar, warum Suffizienz als Strategie für einen Wandel hin zu einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Gesellschaft notwendig ist. Ausgangspunkt der Überlegungen sind zwei zentrale Erkenntnisse: Erstens befindet sich die Menschheit durch die Klimaerwärmung, den Verlust der Biodiversität und die Überschreitung zahlreicher weiterer planetarer Grenzen in einer existentiellen Krise. Ressourcen-, Energie- und Flächenverbrauch steigen seit Jahrzehnten an und Deutschland ist noch weit davon entfernt, die ökologischen Grenzen einzuhalten (SRU 2024: 7). Aktuell deutet einiges darauf hin, dass es selbst an seinen eigenen Zielen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie für 2030 scheitert. Zweitens kommen die Autor*innen zu dem Schluss, dass die Versuche, unsere Wirtschaft ökologisch nachhaltig zu gestalten derzeit vor allem auf Effizienz und Konsistenz setzen. Ersteres zielt dabei auf eine Verringerung des Inputs je Output, letzteres auf umweltgerechtere Inputs, beispielsweise durch die Substitution von Rohstoffen oder Energieträgern durch weniger umweltschädigende Alternativen, durch Kreislaufwirtschaft oder Recycling (ebd.: 17). Obwohl Effizienz und Konsistenz notwendig für ein ressourcensparendes Wirtschaften sind, sind sie alleine nicht in der Lage, eine sozial-ökologisch nachhaltige Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen zu erreichen. Suffizienz, also eine absolute Reduktion der Outputs durch kollektive Selbstbegrenzung, sehen die Regierungsberater*innen des SRU als zentralen dritten Pfeiler einer Nachhaltigkeitsstrategie, welcher in öffentlichen Debatten jedoch stark unterrepräsentiert ist (ebd.). Suffiziente Formen der Produktion und des Konsums sollten dabei nicht allein in der Verantwortung von Individuen liegen, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Vor allem im Bereich Vorsorgeorientierung der Wirtschaft greift das Diskussionspapier wichtige Forderungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsentwicklung (IÖW) auf (Petschow et al. 2018, in SRU 2024: 36). Der Ansatz der vorsorgeorientierten Postwachstumsposition erkennt an, dass es keine hinreichende Evidenz für die behauptete Sicherheit einer hinreichend starken Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcen- und Energieverbrauch gibt. Deshalb müssen gesellschaftliche Institutionen wachstumsunabhängig gestaltet werden, um auch bei stagnierendem oder sinkendem BIP funktionsfähig zu bleiben (ebd.). Vor allem die Sozialversicherungssysteme basieren in Deutschland aber auf kontinuierlichem Wachstum der Wirtschaft. Um auch bei einem Rückgang wirtschaftlichen Wachstums zu funktionieren und dabei nicht von ebenfalls wachstumsabhängigen Steuereinnahmen abhängig zu sein, muss auf diesem Feld weiter geforscht werden (SRU 2024: 38). Auch hier greift der SRU den Vorschlag einer Vorsorgeorientierung in Form von präventiver Sozialpolitik und universellen Sozialdienstleistungen auf (ebd.). Neben der Sozialpolitik muss in einer vorsorgeorientierten Gesellschaft auch über neue Formen der Erwerbsarbeit, der Landwirtschaft, der Gesundheitsversorgung und der Wohnungspolitik nachgedacht werden.

Am Montag, den 29. April 2024, lädt der SRU zu einer Diskussion im Rahmen einer Online-Veranstaltung ein. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Hier geht es zur Veranstaltung.

 

Literatur:

Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (2024): Suffizienz als „Strategie des Genug“: Eine Einladung zur Diskussion. Online verfügbar hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.