Letzten Sommer, nachdem wir uns intensiv mit der theoretischen Seite einer anderen Wirtschaftspolitik befasst hatten und als klar wurde, dass die Mit-Organisation der Degrowth-Konferenz zwar erhebliche, aber nicht alle unsere Kapazitäten binden wird, entschieden wir uns für ein neues Projekt. Dabei wollten wir uns auf Akteure konzentrieren, die bisher eher als Objekt denn als Subjekt einer großen Transformation wahrgenommen werden – Unternehmen. Unsere Beobachtung – trotz widriger Umstände gibt es in Leipzig eine ganze Reihe von SÖDU – soziale, ökologische und demokratische Unternehmen. Leider machen diese Unternehmen bisher nur einen kleinen Teil der Wirtschaft aus.
Unsere Forschungsfrage lautete daher:
Wie kann man die ökonomischen und strukturellen Rahmenbedingungen für SÖDU in Leipzig verbessern?
Unsere fertige Studie findet Ihr hier, es folgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
Unternehmen als Akteure einer großen Transformation
Beim Konzeptwerk glauben wir, die Wirtschaft sollte darauf ausgerichtet sein, ein gutes, gleichberechtigtes Leben für alle Menschen zu ermöglichen und gleichzeitig die Umwelt intakt zu halten. Wir konstatieren, dass die derzeitige Ökonomie beide Ziele in weiten Bereichen verfehlt. Wir sind also überzeugt, dass wir eine sozial-ökologische Transformation brauchen.
Für eine solche Transformation spielen SÖDU eine wichtige Rolle:
- In SÖDU wird ein anderes Wirtschaften ausprobiert – sie sind damit Reallabore einer anderen Wirtschaftsweise
- In SÖDU wird ein anderes Wirtschaften erlebbar und anschaulich gemacht für Kunden, Nachbarn, Zulieferer, etc.
- SÖDU sorgen schon heute für eine Verbesserung der Lebensqualität
SÖDU schaffen also einerseits die Grundlage für eine sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft, andererseits haben sie selbst schon damit begonnen. Beispiele für diese Unternehmen sind z.B. das solidarische Landwirtschaftsprojekt Rote Beete, das Bau + Farben Kontor, der Wilde Heinz oder die Feinkostgenossenschaft.
Entsprechend dem Mehrebenenmodell nach Geels (2002) bilden sie Alternativen im Nischenniveau, die das dominierende sozio-technische Regime in Frage stellen und hoffentlich irgendwann grundlegend verändern, was wiederum zu einer Veränderung auf der Ebene der Megatrends führt (siehe Abbildung 1).
Was sind SÖDU?
Die Frage, welche Unternehmen wirklich zu den Pionieren einer großen Transformation gehören und welche nicht, ist natürlich nicht leicht zu beantworten. Für unser Projekt haben wir SÖDU wie folgt definiert:
Zentral für SÖDU ist ihr Unternehmenszweck: das Gemeinwohl. Um diesem Zweck zu dienen verfolgen sie zwei Ziele:
- Sie wollen zu einer Gesellschaft beitragen, die tatsächlich ökologisch nachhaltig, sozial gerecht und demokratisch ist.
- Sie wollen mit dem Unternehmen den Lebensunterhalt der Mitarbeiter erwirtschaften. Dieser Punkt diente uns als Abgrenzung zu ehrenamtlichen Initiativen, die außerhalb unserer Betrachtungen lagen.
Die Methode – Interview, Interviews, Interviews
Um zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten SÖDU kämpfen und an welcher Stelle und welchen Feldern sie sich Veränderungen wünschen würden, führten wir 16 Interviews mit Unternehmen durch. Bei diesen Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen arbeiten insgesamt 82 Menschen. Was sie eint, ist die Überzeugung, selber etwas bewegen zu wollen und dabei das Allgemeinwohl in das Zentrum ihres Schaffens zu stellen.
Bei den Lösungsvorschlägen beschränkten wir uns auf die Möglichkeiten auf städtischer und kommunaler Ebene, eine Auseinandersetzung mit nationalen oder globalen Fragen z.B. der Verteilungsgerechtigkeit, Lobbymacht von Konzernen, Sinn und Unsinn von Werbung hätte den Rahmen des Projekt gesprengt.
Um möglichst anschlussfähige und konkrete politische Forderungen formulieren zu können, mussten wir zunächst einen Überblick über die Förderlandschaft, politische Entscheidungsfindungsprozesse und Struktur der Verwaltung bekommen. Hierfür machten wir nochmal 8 Interviews mit Politikern, Beratern und Personen aus der Verwaltung.
Probleme, Lösungen und Forderungen an die Kommunalpolitik
In den Interviews kristallisierten sich drei Problembereiche für SÖDU heraus. Es folgt eine kurze Beschreibung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten.
- Finanzierung
Für ein Unternehmen, das den Unternehmensgewinn und damit die Möglichkeit der Kreditbedienung nicht an erste Stelle stellt, ist es deutlich schwieriger, Kredite über konventionelle Banken zu erhalten. Viele Unternehmer_innen sehen auch davon ab, sich über Bankkredite zu finanzieren, da sie keinen „Businessplan“ erstellen wollen, dessen finanziellen Vorgaben man sich dann beugen muss.
Als Ausweg finanzierten viele Unternehmer_innen den Unternehmensstart über Direktkredite von Sympathisant_innen des Unternehmens oder trugen die Investitionen selbst.
Daneben bieten sich theoretisch auch städtische Förderprogramme an. In unseren Interviews hat sich allerdings herausgestellt, dass nur 6 der 16 Unternehmen staatlich gefördert wurden. Dabei beschränkte sich die Förderung meist auf Beratungsgespräche, wenige Tausend Euro für die Einrichtung eines Ladengeschäfts oder einen Lohnzuschuss für die ersten Jahre.
Wir sind der Meinung, dass sich die Wirtschaftsförderung in Leipzig nicht länger auf große Leuchtturmprojekte konzentrieren sollte (die es an sozialen, demokratischen und ökologischen Werten fehlen lassen, z.B. Amazon, BMW) sondern auf kleine und mittlere Unternehmen die das Wohl der Gesellschaft in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen.
- Raum und Fläche
Das Thema Fläche und Raum umfasst mehrere Aspekte
- landwirtschaftliche Flächen
- Ladenflächen
- öffentliche Dachflächen (regenerative Energieerzeugung)
- hohe Mieten, da dadurch die Lebenserhaltungskosten der Unternehmer_innen steigen
- Fläche für nachhaltige Verkehrskonzepte
Die Stadt Leipzig hat bei dem Thema Fläche einen gewissen Handlungsspielraum. Wir sind der Meinung, dass Möglichkeiten gefunden werden können, dass für den Verkauf und die Verpachtung zukünftig soziale und ökologische Kriterien die entscheidende Rolle spielen.
Auf die Mietpreise für Wohnungen und Geschäfte kann die Stadt ebenfalls Einfluss nehmen, wenn auch weniger direkt. So kann die Stadt etwa darauf hinwirken, dass durch die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) günstiger Wohnraum angeboten wird. Insgesamt ist dies aber ein komplexes Thema, das in dieser Studie nicht in der benötigten Tiefe beleuchtet werden konnte.
Statt den Pkw-Verkehr in Leipzig attraktiver zu machen, kann die Stadt durch eine andere Stadtplanung dafür sorgen, dass Verkehr vermieden wird. Darüber hinaus kann die Stadt Maßnahmen ergreifen, um den motorisierten Personenverkehr durch öffentlichen Nahverkehr, Fahrrad- und Fußverkehr zu ersetzen.
- Bürokratie und Behörden
Gerade für kleine Unternehmen, in denen oft viele Aufgaben auf wenige Menschen verteilt sind, ist es sehr aufwändig, sich in die bürokratischen Vorgaben einzuarbeiten.
Zum schwierigen Gang durch den „Ämterdschungel“ kommt hinzu, dass die Personen, die man dabei trifft, die Besonderheiten eines SÖDU oft nicht verstehen und erst einmal misstrauisch reagieren. Viele Unternehmer_innen wünschen sich daher mehr Offenheit für Unternehmen, die nicht in eine bestimmte Schublade passen.
Sind die bürokratischen Hürden auch hoch, so sind es doch – zumindest branchen-intern – immer die gleichen. Der Austausch der SÖDU untereinander kann daher ein sinnvolles Mittel sein. Alternativ oder ergänzend wären zentrale Anlaufstellen für SÖDU oder Leitfäden hilfreich. Dabei ist wichtig, dass die Informationen auch die Besonderheiten von SÖDU berücksichtigen.
Schließlich sollten öffentliche Verwaltung und die Kammern für SÖDU und ihre Besonderheiten sensibilisiert werden, um Misstrauen abzubauen.
Fazit:
Innerhalb Leipzigs leisten SÖDU bereits heute einen wertvollen Dienst am Gemeinwohl: Menschen lernen ihre eigenen Lebensmittel anzubauen. Sie lernen in demokratischen Strukturen gemeinsam ein Unternehmen zu führen. Sie bilden Hausgemeinschaften und stellen sich und anderen günstigen Wohnraum zur Verfügung. Sie experimentieren mit einer anderen Art des Wirtschaftens, die es ihnen ermöglicht, ihr Leben selbst zu gestalten. So geben sie der Perspektive eines anderen Wirtschaftens ein Gesicht.
All dies tun sie allerdings nicht so sehr dank sondern trotz der Rahmenbedingungen, die sie vorfinden. Um dies zu ändern brauchen wir eine andere Wirtschaftspolitik, die ebenso wie diese Unternehmen das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt.
Falls Sie ausführlichere Informationen wollen sind Sie herzlich eingeladen, unseren Abschlussbericht des Projekts zu lesen. Bei Fragen können Sie sich auch gerne an uns wenden.