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Ökodörfer: Ökologisch und feministisch? Teil I

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Postwachstum wird heute bereits im ‚Kleinen‘ praktiziert, zum Beispiel in Öko-Gemeinschaften. Mit ihren suffizienzorientierten Praktiken sind Letztere als Untersuchungsgegenstand von besonderem Interesse, da sie Einblicke liefern, wie Postwachstum in der Praxis tatsächlich aussehen könnte (D’Alisa et al. 2014: 167). Doch inwiefern rütteln diese Praktiken an den Pfeilern der Wachstumsgesellschaft? Ökofeminist*innen gehen davon aus, dass die Ursachen derzeitiger Vielfachkrisen im herrschaftsförmigen Charakter der patriarchal-kapitalistischen Gesellschaftsform zu suchen sind (Von Werlhof 2007). Folglich braucht es eine tiefgreifende Veränderung der Herrschaftsverhältnisse über Natur, Frauen, queere, rassifizierte Menschen und andere strukturell benachteiligte Gruppen.

Geschlecht und Care in Ökodörfern

Während die einschlägige Literatur zu Öko-Gemeinschaften wenig explizite Analysen zu Geschlecht bereit hält, sehen Feminist*innen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten wie etwa Co-Housing schon lange ein gewisses Potenzial, Geschlechterrollen zu transformieren (Pickerill 2015; Mac Gregor und Tummers 2019).

Folglich stellt sich die Frage, inwiefern es sich in Ökodörfern nicht nur ökologischer, sondern auch geschlechtergerecht(er) lebt? Diese Frage knüpft auch an aktuelle Debatten in der feministischen Postwachstumsforschung an: etwa wie eine feministische Postwachstumsgesellschaft aussehen kann und wie Sorgearbeit organisiert würde, ist dabei eine breit diskutierte Frage (Dengler und Lang 2019).

Durch die Verschränkung eines Social Practice Ansatzes (Shove 2010) mit Konzepten aus ökofeministischen Theorien und der Feministischen Politischen Ökologie, galt es den oben genannten Fragestellungen Rechnung zu tragen. Konzeptuell wurde sich für Shoves Ansatz entschieden, der Soziale Praktiken als ein Gefüge aus Materialitäten, Kompetenzen und Bedeutungen beschreibt. Diese Elemente der gelebten Postwachstumspraxis wurden in einer ethnographischen Feldstudie erhoben. In insgesamt drei Öko-Gemeinschaften in Frankreich wurden über mehrtägige Aufenthalte von insgesamt vier Wochen qualitative Interviews mit 15 Personen geführt sowie teilnehmende Beobachtungen via Feldnotizen festgehalten.

Kochen, Putzen, Waschen: Küchenpolitik in Ökodörfern

Wer verrichtet die zusätzlich anfallende Hausarbeit ohne technologische Hilfsmittel, wer kocht nach den Prinzipien einer besonders nachhaltigen Ernährung und wer kümmert sich um die Kinder?

Ein besonders ökologisches Konsumverhalten, das Rückzug aufs Land und Selbstversorgung wie in Ökodörfern praktiziert, kann einen negativen Backlash auf Geschlechterrollen sowie die Organisation und Verteilung von Reproduktionsarbeit zur Folge haben oder aber jene Geschlechterverhältnisse grundlegend verändern.

Konvivial, suffizient und sexistisch? Zwischen Wissenshierarchien und Kompetenztransfer

Soziale Praktiken sind gekoppelt an Kompetenzen, insbesondere dann, wenn eine Praktik zugunsten einer ökologischeren Alltagspraxis verändert wird. Als Beispiel hierfür fungiert ein Raketenofen in der gemeinsamen Outdoor-Küche, die Solarduschen oder eine solarbetriebene Waschmaschine in den untersuchten Gemeinschaften. Diese ökologischeren low-tech-Alternativen waren in einigen Fällen gekoppelt an eine (meist männliche) Person und deren Wissen. So entstehen Wissenshierarchien, Abhängigkeitsverhältnisse sowie Verantwortungsgefälle zwischen der verantwortlichen und wissenden Einzelperson und der Gemeinschaft. Dies ist auch unabhängig von der Kategorie Geschlecht problematisch.

Suffiziente Alternativen birgen aber auch Potenziale in sich. Als positives Gegenbeispiel konnten in einer Gemeinschaft Asymmetrien abgebaut werden, indem Wissen transparent und zugänglich gemacht wurde. Das Putzen mit selbst hergestellten ökologischen Produkten setzt ein gewisses Know-How voraus, welches durch Anleitungen auf unterschiedlichen Sprachen weitergegeben wurde und somit nicht auf einzelne Personen zurückfiel. Weiter konnte festgestellt werden, dass gerade Suffizienz und eine gewisse bauliche Planung Hausarbeit erheblich reduzieren kann, sofern es weniger zu putzende Produkte oder Räumlichkeiten gibt. Putznormen, die weniger stark ausgeprägt sind, etwa Spülen mit Asche oder das Hängenlassen von Spinnenweben aus antispeziestischen Gründen, führen zu einem niedrigeren Putzbedarf, der sich positiv auf den Workload aller Bewohner*innen auswirkt. Hier sind es die veränderten Symboliken und Werte (minimalistisches Leben, Räume in denen die Natur nicht verdrängt wird), die eine Veränderung des Bedarfs an Reproduktionsarbeit zur Folge haben.

Die Küche als Herz feministischer Gemeinschaften

Die untersuchten Ökodörfer organisieren sich intern sehr unterschiedlich. Von fixen Rollen je nach Interessen und Fähigkeiten der Einzelpersonen, über rotierende Aufgabenverteilungen, bis hin zu Teams und Kommissionen. Dennoch bleiben Aufgaben, die durch das Raster der kollektiven Organisation fallen:

„Wenn es darum geht, mit dem Aufräumen zu beginnen, den Abwasch zu erledigen und so weiter, sind es oft nicht alle. Die Männer sind die, die sitzen bleiben, und die Frauen beginnen bereits“ (eine Bewohnerin).

Die untersuchten Ökodörfer variieren stark in Bezug auf ihre Kochpraktiken und decken dabei die Bandbreite von Gemeinschaftsküchen zu überwiegend individuellen Küchen ab. In einem Ökodorf befindet sich die Küche draußen und ist in der Dorfinfrastruktur zentral positioniert. Ebenso nimmt dort das Kochen in der Tagesplanung einen zentralen Platz ein, denn nicht nur auf der Aufgaben-Tafel der Gemeinschaft wird die kochende Person und deren Arbeit sichtbar(er) gemacht. Die materielle räumliche Disposition ebenso wie Prozesse der Vergemeinschaftung – also dass die Verantwortung, zu kochen, auf Mitglieder der Gemeinschaft aufgeteilt wird und rotiert – kann als der Sichtbarkeit und Wertschätzung zuträglich beurteilt werden. Auch die feministische Geographie schlägt vor Häuser ohne Küchen zu designen, damit diese nicht automatisch als Raum der Frauen fungieren. Besonders Gemeinschaftsküchen erweisen sich hier als eine zeitsparende und genderneutralere Lösung (Jarvis 2013).

 

Dies ist der erste Teil eines zweiteiligen Artikels. Im zweiten Teil geht es insbesondere um die Frage, wer in Ökodörfern den Großteil der Care-Arbeit übernimmt und wie eine feministische Postwachstumsgesellschaft in der Praxis aussehen könnte.

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