Gesellschaftlicher Wandel hin zu einer Postwachstumsgesellschaft wird oft als dezentraler, kooperativer und heterogener Prozess imaginiert. Durch die Vernetzung von Akteuren entstehen “Räume anderer Selbstverständlichkeiten” (Habermann, 2016), “Halbinseln gegen den Strom” (Habermann, 2009) und “selbstorganisierte Räume des Mitmachens und Teilens” (Siefkes, 2016) in denen durch “polyzentrische Selbstorganisation” (Meretz, 2015) andere Logiken des Wirtschaftens und des Zusammenseins gelebt werden. Verbindungen zwischen Menschen – als gemeinschaftliche Organisation und Vernetzung für soziale und ökologische Gerechtigkeit, sowie als gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung entgegen der zunehmenden Entfremdung kompetitiver und ego-zentrischer Gesellschaften – nimmt eine Schlüsselrolle ein. Dem/r Nutzer/in von Human Connection soll es – wie der Name schon sagt – möglich gemacht werden sich mit anderen Personen im Netzwerk zu verbinden um gemeinsam in Aktion kommen zu können. Ebenso finden bereits bestehende Organisationen durch geteilte Themen(gebiete) einfacher zueinander. Human Connection ist ein Werkzeug, um menschliche Verbindungen in unserer digitalen Gesellschaft (wieder) herzustellen und damit ein Netzwerk im Zeichen des Wandels zu schaffen.
Als gemeinnütziges soziales Wissens- und Aktionsnetzwerk, das durch den öffentlichen Austausch von Wissen, Ideen und Projekten einen positiven Wandel unterstützen möchte, adressiert Human Connection eine Vielzahl von gesellschaftlichen und ökologischen Themen und Problemen. Diese reichen von Artenschutz über nachhaltigen Konsum, Frieden und gewaltfreier Kommunikation bis hin zu Bildung, Demokratie und Pressenfreiheit. Gemeinwohl und die Menschenrechte dienen den Macher/innen als grundlegende Handlungsmaximen. Doch auch Kritiken von (mangelndem) Datenschutz und Überwachung werden durch das Projekt adressiert. Als gemeinnützige Organisation schlägt Human Connection kein Kapital aus den Nutzer/innendaten und ist komplett werbefrei – Letzteres garantiert letztendlich auch seine Unabhängigkeit. Finanziert wird die Organisation derzeit aus Spenden sowie privat durch Dennis Hack selbst. 2130 Personen unterstützen Human Connection derzeit mit 22500 monatlich – das ist jedoch nicht ausreichend, um die laufenden Betriebskosten zu decken. Auch zwei Crowdfunding Kampagnen, durch die insgesamt rund 150.000€ eingeworben werden konnten, können diese Unterfinanzierung nicht auffangen. Transparenz spielt eine zentrale Rolle. Die Organisation legt sämtliche Verwendungen der Gelder offen.
Seit März 2018 ist eine Alpha Version des Netzwerkes online, nachdem bereits im Februar der Quellcode veröffentlicht wurde. Für 2019 ist der Start einer öffentlichen Beta Version geplant. Im folgenden Gespräch erläutert Dennis Hack die Hintergründe und Besonderheiten des Netzwerkes.
Benedikt Schmid: Du versuchst mit Human Connection ein Werkzeug für einen positiven Wandel zu schaffen. Was sind für Dich die Ursachen für die vielen Probleme, die eine Veränderung notwendig machen?
Dennis Hack: Ich erinnere mich noch gut an Erntedankfeste in meiner Kindheit. Ein Fest, das, wie der Name schon sagt, ein Dankesfest ist. Schaut man sich das heutige Wirtschaftssystem an, ist von diesem Brauch bald nichts mehr übrig. Gleichzeitig ist es beschämend, wenn wir als Weltgemeinschaft zu Gunsten des kurzfristigen Profites dem weltweiten Artensterben und der Zerstörung des Planeten fast tatenlos zusehen.
Wo ist die Dankbarkeit für die Geschenke des Lebens geblieben? Wir leben in einer unter geplanter Obsoleszenz stehenden Wegwerfgesellschaft, die die Zukunft ihrer Kinder verspielt und dabei tragen wir alle die Verantwortung. Erkennen wir das, schaffen wir es vielleicht wieder, die Geschenke des Lebens mehr zu schätzen und uns nicht überheblich über das Leben, die Natur und den Menschen zu stellen.
„Nur wer nicht geliebt wird, hasst“, sagte einmal Charlie Chaplin. Und auch ich glaube, es ist der vorherrschende Mangel an Liebe, der unsere Gesellschaft prägt.
Benedikt Schmid: Wie schafft es Human Connection, diese Probleme zu adressieren?
Dennis Hack: Systemisch und automatisiert. Alles findet bei Human Connection in einem gemeinnützigen Rahmen statt. Das heißt: Alles muss am Ende dem Gemeinnutzen dienen. Bei Human Connection erreichen wir das durch Funktionalität, indem wir alle öffentlichen, sprich thematisierten Beiträge, mit dazu passenden non-profit und gemeinnützigen Inhalten verknüpfen. Man kommt also systemisch und automatisiert von der Information in die Aktion und fokussiert sich auf positiven Wandel, der wirklich allen hilft. Durch Hinzugabe von vielen weiteren Werkzeugen wollen wir nicht nur eine bessere Welt, sondern auch gleichzeitig ein besseres Zusammensein in sozialen Netzwerken schaffen. „Alles, was den Menschen dient“ ist hier das Credo. Ein kommerzielles Netzwerk kann diesem Anspruch nie gerecht werden.
Benedikt Schmid: Was ist das wirklich Besondere und Neue an Human Connection im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken?
Dennis Hack: Ob man nun ein/e private/r Nutzer/in oder eine Organisation ist – alles auf Human Connection dient auch gleichzeitig der Vernetzung. Das Spannendste hier ist jedoch die Funktionalität, mit der man eine Brücke zum/ Otto-Normal-Verbraucher/in schafft und man ihn/sie zum richtigen Zeitpunkt abholt, was das System von Human Connection automatisch macht.
Wir alle kennen es: Am Wochenende finden sich zwischen Marktstraßen und Einkaufspassagen immer wieder Organisationen, die versuchen, für ihre gute Sache zu werben und Spender/innen zu gewinnen. Und ich selbst weiß, wie schwer sich diese Arbeit gestaltet. Viele sind in Hektik, haben einen Termin oder wollen auch einfach mal bei einem Spaziergang die Seele baumeln lassen. Es ist also extrem schwierig, potentielle Unterstützer/innen zu finden, wenn diese während des Vorbeilaufens meist etwas ganz anderes im Kopf haben, als die Welt zu retten. Was nun? Wie kann man die Menschen leichter „abholen“? Mit Human Connection funktioniert das ganz einfach:
Nehmen wir an, ein/e Nutzer/in auf Human Connection schreibt einen Artikel über das Bienensterben und veröffentlicht diesen unter einem oder mehreren der 16 Themenkategorien, in diesem Fall Tierschutz und vielleicht noch Natur & Umwelt. Zusätzlich „tagged“ er/sie mit Verschlagwortung wie Biene, Bienen, Glyphosat, Bienensterben usw. den Artikel. Hier kommt nun die Kernfunktionalität zum Einsatz, bei dem per MEHR INFO- und AKTIV WERDEN-Button alle bisher geposteten und relevanten Inhalte zum Thema Bienen verlinkt werden. Das können auf dem MEHR INFO-Button zum Beispiel aktuelle oder vergangene PRO/CONTRA-Diskussionen über die Ursachen des Bienensterbens sein oder auf dem AKTIV WERDEN-Button der Link zu einer Bienenschutzorganisation, einem Bienenschutzprojekt oder einem Event sein. Im Gegensatz zu Facebook, wo man das Rad als Werbende/r jeden Tag von neuem antreiben muss, kann man sich bei Human Connection getrost zurücklehnen.
Wenn man sich überlegt, dass zum Beispiel eine gut bewertete Anleitung für einen bienenfreundlichen Garten vielleicht auch noch nach Jahren in den oberen Suchergebnissen verlinkt wird, kann man sich schon ein vages Bild davon machen, welch gigantisches Potential dabei entsteht und mit nur einem Klick abrufbar ist.
Zurück zu den Bienen: Wenn jemand schlechte Nachrichten zum Beispiel über Bienensterben liest, wird er/sie am Ende des Artikels nicht alleine gelassen, sondern stetig eingeladen, sich weiter zu informieren oder sogar in die Aktion für den Schutz der Bienen zu treten. Das ist der springende Punkt: Man holt den Menschen zum richtigen Zeitpunkt ab, im Moment der gesteigerten Aufmerksamkeit.
Um das mal gedanklich mit dem Werbestand auf dem Marktplatz zu vergleichen: Wenn jemand ein paar hundert Meter vor Ihrem Promotionstand einen Flyer in die Hand bekommt, der über Bienensterben aufklärt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der/die Passant/in am Stand Ihrer Bienenschutzorganisation anhält, erheblich größer als ohne die Vorinformation durch die Flyer.
Auf Human Connection wird deswegen natürlich nicht jede/r sofort zum Weltenretter, das muss aber auch nicht sein, es ist ja schließlich auch immer noch ein ganz normales soziales Netzwerk. Da mag die Wahrscheinlichkeit vielleicht zu Beginn noch so klein sein, dass ein/e Leser/in immer sofort aktiv wird und auf den AKTIV WERDEN-Button klickt, um auf Hilfsorganisationen, Projekte, Events usw. zu kommen: Aber früher oder später wird er/sie es tun.
Human Connection stellt den positiven Wandel ins Rampenlicht und lädt jeden Menschen nach dem Lesen eines jeden Posts dazu ein, viele kleine und große Veränderungen im persönlichen Handlungsspielraum umzusetzen. Weiterhin zu sagen: „Ach, da kann man sowieso nichts machen“, zählt dann in jedem Fall nicht mehr.
Benedikt Schmid: Welche Faktoren sind entscheidend, dass Human Connection soweit gekommen ist und jetzt eine Alpha Version einer Teilöffentlichkeit zugänglich gemacht hat?
Dennis Hack: Das ist eine lange Geschichte. Ohne die finanziellen Mittel und den Rückhalt durch meine eigene Firma wäre erst mal gar nichts passiert. Und so viel Geduld man bei einem solchen Projekt aufbringen muss, meine Frau muss mehr davon aufbringen. Außerdem braucht man ein starkes Team, auf das man sich, auch wenn es mal brennt, verlassen kann. Alleine geht es jedenfalls nicht, denn es ist ein echter Marathon, bei dem man auch Rückschläge einstecken können muss. Deswegen habe ich im Laufe der Zeit nicht nur viele kommen, sondern auch gehen sehen und dadurch erlebt, wie sehr Human Connection ein Vertrauensprojekt ist.Der entscheidende Faktor ist jedoch meine Tochter: Ich mache das vor allem für sie. Da kann man schon mal das Unmögliche möglich machen wollen.
Benedikt Schmid: Was erschwert die Umsetzung Eurer Ziele?
Dennis Hack: Mediale Ausblendung und Geldmangel. Und es gibt leider wenig gute Programmierer/innen, die Zeit haben.
Übrigens jede/r, der/die Interesse hat mit uns in der Programmierung zusammenzuarbeiten, bitte ich, eine Mail an developer@human-connection.org zu schreiben oder einfach in eines unserer öffentlichen Meetings zu kommen, bei dem man das Team kennenlernen und alle wichtigen Fragen stellen kann.
Ganz unabhängig davon liegt der Quellcode des Human Connection-Netzwerks offen. Jede/r kann also am Code mitprogrammieren oder sich sogar selbst sein eigenes Netzwerk daraus bauen. Außerdem wollen wir öffentliche Daten zukünftig auch per Schnittstelle bereitstellen. Dann geht nichts von der Arbeit verloren, auch wenn Human Connection vielleicht unplanmäßig scheitern sollte.
Benedikt Schmid: Wie stellst Du Dir gesellschaftlichen Wandel vor?
Dennis Hack: Positiv. Von innen heraus gedeihend. Allen Menschen dienend. Gerecht. Friedvoll. Und Human Connection ist der längst überfällige Online-Werkzeugkasten dazu.
Ich selbst habe noch nie so viel Aufbruchsstimmung und wahrhaftige Hoffnung gesehen wie bei Human Connection. Aber wen wundert das? Wir wissen: Ein System wie Human Connection ist die Antwort auf viele Fragen und Probleme. Und es ist nicht nur von Menschen – es ist vor allem für Menschen.