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„Wir machen uns das Leben nicht noch durch Konkurrenz und Neid schwieriger“

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DG_RZ_Logo_72dpi 150pxInterview mit der Autodidaktischen Initative in Leipzig.

Ziel dieser Initiative ist es, einen nicht-kommerziellen Raum schaffen, in dem Menschen aus eigenem Antrieb gemeinsam diskutieren, lernen, reflektieren und forschen. Für den Stream towards Degrowth legen sie ihre kritische Position zur Wachstums- und Fortschrittslogik dar und beschreiben rückblickend aus einer vorgestellten Zukunft, wie es 2014 um alternative Ideen stand.

Stellen Sie sich vor, wir erleben eine Zeit „des guten Lebens“ jenseits des Wachstums. Blicken wir dann, sagen wir im Jahre 2030, auf die vergangenen Jahrzehnte zurück: Inwiefern war unsere Gesellschaft wachstumsabhängig?

Die westliche Metaphysik beruht auf einer diffusen Idee des Fortschritts. Alles musste immer „besser“ und damit auch größer, schneller, „mehr“ werden. Selbst Ideen, die eine andere Form der Produktion und Konsumption vertraten, mussten sich in Hinblick auf dieses Logik rechtfertigen und taten dies auch. Insofern war die Ausrichtung der Wirtschaft auf das Wachstum nur der konkrete Ausdruck eines allgemeinen Strebens, das tief in den Menschen verankert war. Die Herrschaft und weitere Expansion des Menschen war zu einem Dogma geworden, um der „entzauberten“, der materialistischen Weltanschauung, überhaupt irgendeinen Sinn abzuringen.

Welcher Art waren die Hindernisse, die einer Wachstumswende im Wege standen?

Allein die Wachstumsideologie zu überwinden war schon sehr schwierig, da sie eben die individuellen Lebenskonzepte durchdrang. Dazu kam, dass die Reichen und Mächtigen nur wenig Interesse an einer grundlegenden Veränderung hatten. Die Geschäfte gingen gut und solange nichts geändert werden musste, sollte alles beim Alten bleiben, bzw. das Bestehende langsam und behutsam verändert werden, um ja keine fundamentalen Veränderungen zuzulassen. Die Tatsache, dass die meisten Ressourcen in den Händen Weniger konzentriert waren, erschwerte eine Suche nach guten Formen des Lebens. Viele praktische Initiativen fanden fantastische Lösungen, verblieben aber in gesellschaftlichen Nischen. Im Verhältnis zur individualistischen Bequemlichkeit des Kapitalismus erschienen sie Vielen nicht der Mühe wert…

Wie hat Ihr Handeln zu einer Gesellschaft jenseits des Wachstums beigetragen?

Wir haben direkt zu einem Bewusstseinswandel beigetragen, indem wir die damals herrschende Weltanschauung in all ihren Aspekten hinterfragten. Wir schufen einen Raum, in dem Fragen nach einem grundlegenden Wandel überhaupt erst gestellt werden konnten. Solche Räume waren damals nur selten vorhanden! Durch direkte Aufklärung, Inspiration und aktive Suche nach anderen Fragen und Antworten haben wir beigetragen was wir konnten!

Was macht für Sie das „gute Leben“ innerhalb einer Gesellschaft mit bewusst geringem Produktions- und Konsumptionsniveau aus?

Das Miteinander! Der Umgang zwischen den Menschen, aber vor allem auch mit den Dingen, ist bewusster und echter geworden. Durch das Ende der Fortschrittsideologie wurde das Leben einen guten Schritt entspannter. Wir haben immer noch viele Probleme; es gibt immer noch viel ’nervige‘ Arbeiten, aber wir machen uns das Leben nicht noch durch Konkurrenz und Neid zusätzlich schwieriger. Stattdessen arbeiten wir zusammen und dieses Bewusstsein gibt viel Kraft, auch schwierige Aufgaben anzugehen. Durch das Gefühl, von der Gesellschaft unterstützt zu werden, gibt es kaum noch überflüssige Probleme wie Kriminalität oder schwere Gewalt.

Welche Anzeichen für eine Welt jenseits des Wachstums gab es schon 2014?

Wenn man nach Anzeichen suchte, konnte man durchaus hoffnungsvolle Projekte finden, die aber wenig Dynamik entfalteten. Es gab zwar verschiedene Bewegungen, die sich mit den konkreten Problemen des bürgerlichen Kapitalismus beschäftigten, sogar eine Auseinandersetzung mit den Fragen nach einer guten Gesellschaft; oft erschien das jedoch leider sehr oberflächlich. Selbst wenn wirklich ernsthafte Fragen behandelt wurden, so blieb das soziale Verhältnis in Initiativen und Veranstaltungen, das individuelle Verhalten der AktivistInnen und die Prioritäten der Gruppen auf eine merkwürdige Weise kaum davon berührt. Dies ließ die Hoffnung auf eine wirkliche Wende oftmals als Farce erscheinen, denn wenn die Auseinandersetzung nur als Teilbereich des Lebens gesehen, oder gar rein auf rationaler Ebene verhandelt wurde, konnte sie keine Dynamik entfalten.

Ein Interview mit der Autodidaktischen Initiative. Vielen Dank dafür!

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