Die Landkarte Suffizienzpolitik integriert „das Genug“ breit in politische und zivilgesellschaftliche Strategien
Auf der 5. Internationalen Degrowth Konferenz in Budapest stellten Angelika Zahrnt und Anja Humburg erstmalig die digitale „Landkarte Suffizienzpolitik“ bei der gut besuchten Session „Sufficiency „Policy for Sustainable Degrowth“ vor. Das interaktive Online-Tool wurde von Dominik Zahrnt [(r)evolutionäre ideen] und Angelika Zahrnt, BUND-Ehrenvorsitzende und IÖW-Fellow, entwickelt und am Tag zuvor auf dem Blog Postwachstum veröffentlicht.
Die Suffizienz-Landkarte basiert inhaltlich auf dem Buch „Damit gutes Leben einfacher wird – Perspektiven einer Suffizienzpolitik“[1] und bietet zivilgesellschaftlichen sowie politischen Akteuren, die in der Gestaltung suffizienter Lebensweisen aktiv werden wollen, Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von politischen Projekten.
Die Session hatte unter anderem zum Ziel, die praktische Umsetzbarkeit der Suffizienz-Landkarte zu diskutieren. Ein Einsatzort könnten die Masterplan-Kommunen sein, die im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums (BMUB) seit Sommer 2016 jeweils ein Suffizienzkonzept für die eigene Region entwickeln. Der „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ sieht vor, dass die teilnehmenden Kommunen, darunter etwa Lüchow-Dannenberg und Gießen, einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf das Suffizienzprinzip legen. Suffizienz soll dabei „als handlungsleitendes Prinzip in bestehende Strategien, Leitbilder und Prozesse der Kommune einfließen“[2]. Das BMUB schlägt vor, Pioniere zu unterstützen sowie deren Erfahrungen in den Kommunen zu kommunizieren und erlebbar zu machen. Die Suffizienz-Landkarte könnte hier helfen, kommunikative und politische Strategien zu entwickeln, um etwa neue gemeinschaftliche Wohnformen mit geringem Energiebedarf oder eine Mobilitätswende zu fördern, zum Beispiel durch eine Aufwertung von Quartierzentren, fußgänger- und fahrradfreundliche Ampelschaltungen, eine entsprechende Parkraumplanung und -bewirtschaftung. Suffizienz könnte auch eine stärkere Rolle bei der Schaffung von Wohnraum spielen. Entscheidender Beitrag der Landkarte wäre die Fortentwicklung der Narrative von „Suffizienz“ zu „Suffizienzpolitik“. Daraus können ganz konkrete kommunalpolitische und -administrative Politikvorschläge abgeleitet werden.
Die Suffizienz-Landkarte verwandelt die komplexen und teils auch unbequemen Themen Suffizienz und Postwachstumsgesellschaft in greifbare Visionen eines guten Lebens. Durch inspirierende Beispiele und zahlreiche Argumentationshilfestellungen werden Anwender/innen dabei unterstützt, eine konkrete Vorstellung für Suffizienzpolitik zu entwickeln. Die praktische Relevanz könnte zukünftig noch erhöht werden, wenn Politiker/innen und Multiplikator/innen die Möglichkeit erhielten, ihre gesammelten Erfahrungen beizutragen – das digitale und interaktive Format der Landkarte schließt Open Source-Optionen immerhin nicht aus. Jetzt müssen nur noch ausreichend Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft von der Landkarte erfahren – die Lust zum Experimentieren mit Suffizienzpolitik entsteht bei der Nutzung von ganz allein.
[1] Schneidewind, Uwe und Angelika Zahrnt (2013): Damit gutes Leben einfacher wird- Perspektiven einer Suffizienzpolitik, oekom-Verlag, München.
[2] BMUB (o.J.): Merkblatt Förderung von Masterplan-Kommunen. Hinweise zur Antragstellung, URL: https://www.klimaschutz.de/sites/default/files/page/downloads/merkblatt_masterplan-richtlinie.pdf