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Plädoyer für einen „empirical turn“ in der Wachstumsdebatte

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Die Diskussion über Wachstum und Wachstumsalternativen erweist sich als ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie implizite Denkverbote in Politik, Gesellschaft und in der Wissenschaft (!) auch offene Gesellschaften wie die unsere durchziehen.

Jeder, der eine wissenschaftliche oder politische Diskussion über „Post-Wachstum“ oder „De-Growth“ erlebt hat, wird von der Emotionalität berichten könnten, mit der häufig die unterschiedlichen Positionen aufeinandertreffen. Es wird deutlich, dass es dabei um mehr als Sachkonflikte geht. Hier prallen vielmehr vielfältige implizite Wertannahmen aufeinander.

Der Wachstumsdebatte tut das nicht gut. Denn es verbaut uns die Möglichkeit, umfassend und kreativ darüber nachzudenken, wie wir mit schrumpfenden Ökonomien und Gesellschaften umgehen – wie ein gleichzeitiges Nebeneinander von ökonomischer Expansion (gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern) und schrumpfenden Entwicklungspfaden in anderen Teilen der globalen Ökonomie aussehen kann.

Dabei ist Schrumpfung schon heute in vielen Bereichen gegenwärtig: der demographische Wandel, die Entvölkerung ganzer Städte und Regionen durch Bevölkerungsrückgang, aber auch neue Konsummuster vom Slow Food bis zur Rückbesinnung auf Eigenarbeit wirken sich durchaus auch ökonomisch aus.

Deswegen braucht es eine empirische Wendung (einen „empirical turn“) der Wachstumsdebatte. Es gilt nüchtern auf die Phänomene bestehender Schrumpfung und die sich daraus ergebenden politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Gestaltungsmuster zu schauen. Dies schafft uns neue gesellschaftliche Optionen, macht gerade entwickelte Volkswirtschaften, aber auch ganze Städte und Regionen wachstumsunabhängiger. Letztlich entsteht hier eine reizvolle Vision: Gesellschaften und Ökonomien, die in einer Weise institutionell konstruiert sind, dass sie mit ökonomischen Wachstums- und Schrumpfungsphasen in gleicher Weise produktiv umgehen können. Während der Finanzkrise haben viele produzierende Unternehmen deutlich gemacht, wie dies heute schon auf einer betrieblichen Ebene gelingen kann.

Um an solchen Optionen zu arbeiten, muss sich die Wissenschaft und gerade die Wirtschaftswissenschaft der Wachstumsdebatte stärker öffnen. Bücher wie die „Postwachstumsgesellschaft“ weisen den Weg zu vielversprechenden Analyseansätzen. Dass es für viele der im Buch vorgesehenen Kapitel fast unmöglich war, Experten aus der „klassischen“ Wirtschaftswissenschaft zu gewinnen war, zeigt, dass hier noch ein langer Weg zu gehen ist. Doch der Aufbruch dahin lohnt!

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Prof. Dr. Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

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