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Optimismus und Lebensglück – der amerikanische Beitrag zum Postwachstumsdiskurs

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Die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern steigt, die Umweltzerstörung nimmt zu und die Menschen sind mit ihrem Leben unzufrieden. So diagnostiziert Juliet Schor – und verspricht, alle Probleme auf einmal lösen zu können. Ist das zu simpel gedacht?


„True Wealth“ (Titel der Erstausgabe: „Plenitude“) ist ein typisch amerikanischer Beitrag zum Postwachstumsdiskurs. Juliet Schor ist Professorin für Soziologie am Boston College. Während sie früher in Harvard Wirtschaftswissenschaften gelehrt und geforscht hat, beschäftigt sie sich nun mit der kritischen Analyse des amerikanischen Konsum- und Arbeitslebens; ihre Bücher erreichen dabei regelmäßig Bestsellerstatus.

Schors Position ist von der noch immer anhaltenden Rezession in den USA, den hohen Arbeitslosenzahlen und der anhaltenden Klimaveränderung geprägt. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA lässt sich die Wirtschaft nicht mehr durch kreditfinanzierten Konsum ankurbeln. Die wachstumskritische These, die von einer für jedermann verständlichen wirtschaftwissenschaftlichen Analyse begleitet ist, lautet: Eine Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch ist nicht möglich, wir müssen daher auf Wirtschaftswachstum verzichten, um unseren Planeten zu retten.

Der Verzicht auf Wachstum funktioniert durch eine individuelle Reduktion der Erwerbsarbeit bei gleichzeitiger Bewegung hin zu mehr Selbstversorgung und durch eine stärkere soziale Vernetzung. Schor fordert drei Punkte:

Weniger klassische Erwerbsarbeit

Alle Menschen sollen ihre Arbeitszeit in klassischen Jobs reduzieren und aufteilen. Die Gesamtmenge, die Menschen in der klassischen Erwerbsarbeit verbringen, bleibt gleich. Die durch den technischen Fortschritt knappen Arbeitsplätze werden aber gleichmäßiger verteilt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Die individuell gewonnene Zeit soll in soziale Beziehungen, in den Aufbau von kleinen Unternehmen und für die Eigenproduktion investiert werden.

Mehr Selbstversorgung

Schor fordert den Wandel von der Wegwerf- hin zur Reparaturgesellschaft. Die Forderung nach mehr Selbstversorgung kombiniert sie mit neuen technologischen Entwicklungen; mit Hilfe von kommunalen Fab Labs, Permakulturen und Vertical Gardening kann die Gesellschaft einen größeren Teil ihrer Bedürfnisse ohne zentralisierte Produktion decken.

Größerer sozialer Zusammenhalt

Soziale Vernetzungen sind eine Form von Reichtum und sollten uns wichtiger sein. Sie sorgen nicht nur für mehr Lebenszufriedenheit, sondern federn auch finanzielle Instabilitäten ab und erlauben neue Formen von Konsum, etwa durch gemeinsame Nutzung von Werkzeugen und Maschinen.

Die Veränderungsvorschläge sind stark auf das Individuum ausgerichtet. Schor entwickelt kaum Neues, sondern trägt Entwicklungen zusammen, die bereits existieren. Charmant an „True Wealth“ ist die positive Grundhaltung. Dem Trend zur Vereinfachung des Lebens folgend, schlägt sie vor, wie jeder Einzelne nachhaltiger, unabhängiger und glücklicher leben kann.

Dabei bleibt sie auf der individuellen Ebene und liefert keine Systemlösung. Lösungen auf wirtschaftspolitischer und unternehmerischer Ebene werden kaum angeboten. Schor geht damit weniger weit als etwa Niko Peach.

Die grundsätzliche Frage ist, ob eine grassroot-Bewegung aus der Motivation Einzelner, besser zu leben, das Potential hat, die gesamtgesellschaftliche Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum zu verändern. Was meinen Sie?.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Postwachstumsökonomie“ an der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

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