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„Kuchenentzug“ vs. Technologieoptimismus

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Treffen sich ein Umweltschützer und ein Umweltschützer…

Was wie ein schlechter Witz klingt, soll in ein Streitgespräch münden? Zugegebenermaßen rollt die Debatte im Dialog von Erhard Eppler und Niko Paech, zwei namhaften Figuren in der vergangenen und aktuellen Klimafrage, nur langsam los. Doch sie gewinnt an Fahrt. In vier Kapiteln kämpfen sich die beiden durch die Entstehung der Umweltbewegung in (West-)Deutschland, das Streben nach Wirtschaftswachstum oder -rückbau, die Stoßrichtung der Energiewende sowie die Suche nach den gesellschaftlichen und politischen Hebeln für Veränderung.

Erhard Eppler, der vielleicht prominenteste Umweltpolitiker, den die SPD bisher hatte, streitet mit Niko Paech, einem der zumindest im deutschsprachigen Raum bekanntesten Vordenker, um den richtigen Weg hin zu einer besseren Gesellschaft. Moderiert, begleitet und teils auch provoziert werden ihre Gedanken und Thesen von Christiane Grefe. Sie ist Journalistin und Autorin im Bereich von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Geschickt versteht Grefe es, nicht zu viel Raum einzunehmen und dennoch an nicht wenigen Stellen das Gespräch ein wenig anzufachen.

Die Problemlage ist klar, auch wenn eine genauere Einschätzung beider Autoren nicht stattfindet: Die Klimakrise fordert aktives Handeln und eine Veränderung unseres Zusammenlebens. Paech zeigt an vielen Stellen auf, dass er den Antrieb dieses Wandels deutlich in der Umweltbewegung und in Postwachstumsnischen sieht. Eppler hält dagegen und nimmt damit klassisch die Rolle des Politikers ein. Auch an weiteren Stellen vertritt Eppler einen systemischen Blick, kritisiert den Einfluss von Großkonzernen und sieht Steuerpolitik als Möglichkeit des aktiven Lenkens vonseiten des Staates.

Der Buchrücken verrät einen zweiten zentralen Dissens der beiden: „Mir verschafft das bisschen Wirtschaftswachstum überhaupt keine schlaflosen Nächte“, so Eppler. „Mir schon!“, erwidert Paech. Das führt jedoch ein wenig in die Irre, denn ein Wachstumsfanatiker ist Eppler ganz sicher nicht, laut ihm sei ein Ende des Wirtschaftswachstums in den Industrienationen nur noch eine Frage der Zeit. Postwachstumsideen scheint er als eine Art Luxus zu begreifen, sozusagen die Kür nach der drängenden Bekämpfung der Klimakrise.

Wie dieser Kampf aussehen soll, wird bei Eppler nie ganz deutlich. Während Paech stark die Rolle des Technikpessimisten und Spaßverderbers einnimmt, ganzheitliche Nachhaltigkeit fordert und massiv Wohlstand eingrenzen will, wird Eppler zum Nebendarsteller. Eher passiv stimmt er Paechs Zielsetzungen oft zu, aber bremst den Optimismus und weist auf den fehlenden gesellschaftlichen Willen hin. Im vierten und letzten Kapitel dreht er wieder auf, kurz wird er beinahe ausfällig: „[I]ch halte Ihre Vorstellung für naiv […] Für mich sind Sie einfach zu wenig strategisch, es fehlt die Ausdauer.“ Es endet versöhnlicher, mit vereinter Kritik am Karrierismus in der Politik und einem Paech, der Politiker*innen angesichts der komplexen modernen Herausforderungen etwas aus dem Schussfeuer nimmt.

„Was Sie da vorhaben, wäre ja eine Revolution…“ liest sich schnell und angenehm, wird auch mal polemisch, bleibt aber in einem fast vertrauten Raum. In der Mitte des Buches finden sich Fotos der Autoren und kurz wähnt sich die Leserin selbst im schwäbischen Gartenparadies des mittlerweile verstorbenen Eppler. Irritierend für den Lesefluss wurden Zitate in kleine Kästen an den Textrand gestellt, was dem Buch manchmal den Eindruck eines SZ Magazin-Ausschnitts verleiht. Leider zeigen Eppler und Paech zudem nicht selten eine gewisse Nostalgie, so zum Beispiel, wenn sie den Gesprächen mit Fremden im Zug hinterhertrauern. Durch das omnipräsente Smartphone sei dies heute verunmöglicht, so ihr doch sehr klischeehafter Rückschluss. Des Weiteren zieht sich die Debatte um den Ausbau der Erneuerbaren ein wenig, obwohl beide ihre Standpunkte schnell verdeutlichen. Und im ersten Kapitel schleppt sich die Aufreihung des politischen Werdegangs von Eppler, auch, weil Grefe und Paech parallel einen gemeinsamen Lobgesang anstimmen.

Das Buch erwartet nur wenig Kenntnis im Feld, adressiert dennoch vermutlich eher Menschen, die sich einer wirksamen Klimapolitik bereits verschrieben haben oder auf dem besten Weg dahin sind. Seit der ersten Auflage des Buches (2016) hat sich einiges getan, so ist die SPD von damals nicht mehr die Partei von heute und insbesondere die Covid-19-Pandemie würde einige der getätigten Aussagen Lügen strafen. Das Gespräch endet sympathisch, weil es keine Entscheidung zwischen beiden Wegen erzwingt und auch nur andeutungsweise einen Kompromissversuch unternimmt. Es bleiben Widersprüche und als Leserin hadere ich: Paechs anvisierte „Kuchenentzugskur“ löst einen kleinen Bauchschmerz aus, aber zugleich hält Epplers Technologieoptimismus meinem wachstumskritischen Blick nicht stand. Von einer „Revolution“ spricht indes keiner so wirklich, aber das im Titel versprochene Streitgespräch wird geboten.

Dass es nun wieder zwei Männer sein müssen, die diesen Raum einnehmen, ist schade. Aber hier zeigt sich, dass es in der Debatte (leider) an Frauen fehlt, sie seltener zu Wort kommen oder selbst diskursiv das Wort ergreifen. Vielleicht wird der nächste Dialog ja von einem Quotenmann moderiert – als Gegengewicht zu zwei Diskutantinnen. Darauf bleibt zu hoffen.

 

Erhard Eppler und Niko Paech (2021, 2. Aufl.): Was Sie da vorhaben, wäre ja eine Revolution… Ein Streitgespräch über Wachstum, Politik und eine Ethik des Genug. Moderiert von Christiane Graefe, München: Oekom, 208 Seiten. Mit anschließenden Auszügen der zentralen Thesen beider Autoren.

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