Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden eine Abkehr vom „Fetisch Wachstum“ gefordert. Die Definition des wirtschaftlichen Erfolgs müsse erweitert werden, sagte Schneider bei einer Diskussionsrunde über Wirtschaftswachstum und Glück. Eine Wirtschaft, die das Glück möglichst vieler Menschen ermögliche, sei von Nachhaltigkeit und Solidarität geprägt.
Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz kritisierte, dass Wachstum allzu oft als eine Art Selbstzweck erscheine. „In Jesu Gleichnissen hat Wachstum immer ein Ziel: Gerechtigkeit, Frieden und das Reich Gottes. Es muss maßvoll sein und der Überwindung der Armut dienen.“ Der Mensch müsse daher, so Dröge, im Mittelpunkt stehen.
Tilman Santarius (Referent für internationale Klima- und Energiepolitik bei der Heinrich-Böll) betont in seinem Vortrag, dass die Herausforderungen der „großen Transformation“, welche unsere bisherigen Produktions- und Lebensweisen in nachhaltigere Bahnen lenken könnte, deutlich größer sind als lediglich „überall Solarzellen aufs Dach zu schrauben“. Neben einer technischen Revolution sei auch eine „kulturelle, politische und institutionelle Evolution“ nötig. Im Gegensatz zu dieser notwendigen Transformation sind die heute „vorherrschenden politischen Ansätze zu sektoral und zu sehr an dominanten Interessen orientiert“ so Ulrich Brandt (Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“) in seinem Impulsreferat.
In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel plädiert Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsidentin des Bundestages und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland) für „eine Kultur des Weniger“. Eine kritische Erwiderung des liberalen Europaabgeordneten Holger Krahmer auf Göring-Eckardt findet sich hier.
Auf dem Kirchentag wurde zudem eine Resolution mit dem Titel „Wirtschaft braucht Alternativen zum Wachstum“ verabschiedet. Die Resolution wurde explizit gerichtet an: den Deutschen Bundestag und dessen Fraktionen, das Parlament der Europäischen Union, den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, sowie namhafte deutsche Unternehmen wie Volkswagen oder Deutsche Telekom. In der Resolution werden u.a. ein Ende des Wachstumszwangs und die Entwicklung von Alternativen zum Wirtschaftswachstum gefordert. Diese Themen werden u.a. in der Broschüre „Darf‘s ein bisschen mehr sein? Von der Wachstumsgesellschaft und der Frage nach ihrer Überwindung“ von Evangelischen Entwicklungsdienst und Brot für die Welt intensiv diskutiert.