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„Jetzt ist der Wettstreit der politischen Parteien gefordert“ – Eine Nachbetrachtung zur Enquetekommission

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„Hartnäckiges Bohren dicker Bretter“ hat Max Weber einst zur Maxime politischen Handelns erklärt. Das gilt auch für den Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Die Diskussionen in der Enquetekommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ und das Ergebnis sind ein Beleg dafür, dass weder ein sturer Pragmatismus noch blauäugiger Idealismus für die Zukunft taugen. Die bisherige eindimensionale Ausrichtung auf Wachstum führt in eine Sackgasse. Aber auch eine Strategie des „Postwachstums“, auf Deutsch einer Stagnation oder Schrumpfung führt noch nicht zu einer Lösung, selbst wenn sich viele Beispiele finden lassen, in denen materielles Wachstum Wucherung und nicht Wohlstandsmehrung darstellt. Es ist nach meiner Überzeugung ein kluger Kompromiss zwischen den Beteiligten, am BIP als Wachstumsindikator festzuhalten, aber zugleich Indikatoren für die Entwicklung der Gesellschaft im sozialen und ökologischen Bereich aufzustellen, weil nur so ein zukunftsorientiertes ganzheitliches Bild von der gesellschaftlichen Entwicklung beschrieben werden kann.

Es ist ein Wachstum an Kreativität erforderlich

Angesichts der nicht nur regionalen sondern globalen Dimension der Überbeanspruchung unserer natürlichen Ressourcen ist zur Lösung der Nord-Süd Diskrepanz auf jeden Fall ein Wachsen an Kreativität erforderlich. Die Vernetzungen unserer modernen Welt, das haben die politischen Diskussion deutlich gemacht, können bei unbedachten Eingriffen genau so gravierende Beschädigungen erleiden wie der Raubbau an der Natur und die toxische Überfrachtung unserer Umwelt. Deswegen ist die Annahme wirklichkeitsfremd, mit einer Fülle von Vorgaben die „richtige“ Richtung zu erreichen,.

Die Menschen müssen mitgenommen werden und über ihre Zukunft selbst entscheiden können, das ist der Kern von Demokratie und aufgeklärter Gesellschaft. Die Verirrungen, die die gesellschaftliche Entwicklung durch Positivismus und Materialismus genommen hat, ändern nichts daran, dass im europäischen kulturellen Muster seit 200 Jahren die Utopie einer Selbstkritik und Selbstkorrektur des Einzelnen und der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielt.

Ein schlichtes „Weiter-so“ bietet mehr Risiken als Chancen

Die Enquetekommission hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass auch Bürger mit unterschiedlichen politischen Vorstellungen gemeinsam erkennen können, dass ein schlichtes (lineares) „Weiter-so“ mehr Risiken als Chancen bietet. Damit wird der Notwendigkeit zu Veränderungen eine Stimme gegeben. In Teilbereichen des täglichen Handelns, zum Beispiel in Ernährungs-, Gesundheits- und Mobilitätsfragen sind schon Änderungen erkennbar, auch wenn sie nach Meinung vieler nicht umfassend genug und nicht schnell genug erfolgen. Aber die Richtung stimmt. Kluges Gebrauchen von Ressourcen tritt immer mehr an die Stelle von Verbrauchen und Vergeuden.

Beständigkeit und wachsende Kraft für ein an Nachhaltigkeit ausgerichtetes Leben des Einzelnen und der Gesellschaft sind aber nur zu erreichen, wenn die kulturellen Grundlagen der Freiheitssicherung für morgen gesichert werden. Nichts anderes ist Nachhaltigkeit. Dazu bedarf es einer konsequenten Ausrichtung vor allem auch der Bildungsangebote und -strukturen. Hier muss in der Praxis erheblich nachgearbeitet werden. Die Enquetekommission hätte durchaus eine nationale Strategie „Bildung für Nachhaltigkeit“ für die deutsche Situation konkret definieren können, damit ähnlich wie in der Schweiz ein Prozess zur Veränderung von Grundeinstellungen erreicht werden kann.

Manche Kritiker der Ergebnisse der Enquetekommission vermissen Kataloge für politische Aktivitäten. Ich teile diese Kritik nicht, auch wenn ich mir in manchen Zusammenhängen mehr Einigkeit und Präzision hätte vorstellen können. Beispielsweise gilt dies für den bereits erwähnten Bildungsbereich, in dem Grundlagen für den Prozess der Veränderung vermittelt werden. Das war aber nicht die zentrale Aufgabe der Kommission.

Unser Wertesystem muss auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden

Mit Einrichtung, Arbeit und Ergebnis der Kommission ist ein Beitrag zur Lockerung der Blockadepositionen erbracht worden. Viel mehr war in der ersten Runde wohl nicht zu erwarten. Noch einmal wurde klargestellt, dass einerseits „Wachstum“ bis heute zu mechanisch und zu materialistisch interpretiert wird. Es ist notwendig, kulturelle Leistungen, etwa die Kindererziehung als wohlstandsfördernd einzubeziehen. Wohlstand und Lebensqualität müssen zu selbstverständlichen Zukunftsmaximen unserer Gesellschaft werden. Eine Verteuflung des Wachstums mag populär sein Es ist jedoch fragwürdig, ob dadurch mehr Generationengerechtigkeit erreicht wird – man denke beispielsweise an die Herausforderungen beim Umbau der Sozialsysteme. Auch ist es zweifelhaft, ob eine Verteuflung des Wachstums mit dem Gebot zu vereinbaren ist, auch für kommende Generationen neue Entscheidungschancen offen zu lassen. Es kommt vielmehr darauf an, die kreativen und innovativen, die im tiefsten Sinne humanen Aspekte von gesellschaftlichem Wachstum und Wohlstand in den Vordergrund zu stellen. Ohne eine Ausrichtung aller kulturellen Grundlagen und unseres Wertesystems in Richtung Nachhaltigkeit bleiben Debatten über Begriffe im luftleeren Raum.

Die Enquetekommission hat eine Fülle von Problemen beackert und viele Fragen aufgeworfen. Jetzt ist der Wettstreit der politischen Parteien um zukunftsgerechte Antworten gefordert. Der neue Bundestag sollte zumindest seinen Beitrag zur Umsetzung aller gemeinsamen Ergebnisse leisten, beispielsweise indem er den zuständigen Gremien im Bund und auf Länderebene mehr Entscheidungskompetenz einräumt.

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