Nachhaltigkeit braucht Suffizienz und Suffizienz braucht Politik (siehe meinen letzten Beitrag). Unter „Suffizienzpolitik“ können Maßnahmen verstanden werden, die auf ökologisch tragfähige Konsummuster abzielen und für einen erheblichen Teil der Bevölkerung eine Nutzenänderung bedeuten.
Instrumente einer Suffizienzpolitik
Zur Verfügung steht im Prinzip das übliche (umwelt-)politische Instrumentarium. Wie auch der folgenden Übersicht zu entnehmen ist, existieren bereits Maßnahmen, die Suffizienz (als Ziel oder als Nebeneffekt) fördern. Allerdings ist die Anzahl und „Suffizienz-Intensität“ der existierenden Instrumente begrenzt und für eine Etablierung von Suffizienz sicherlich nicht ausreichend. Welche weitergehenden Maßnahmen empfehlenswert sind, hängt von Suffizienzbedarf und -potenzialen in konkreten Handlungsfeldern und einer näheren Prüfung von Maßnahmevorschlägen ab.
- Informations- u. Überzeugungsinstrumente (z.B. suffizienzorientierte Infokampagnen und Labels) können zu Verbraucherbewusstsein und Transparenz beitragen;
- öffentliche Planung und Infrastruktur-Bereitstellung (z.B. radfreundliche Stadtplanung; verstärkt vegetarisches Angebot in öffentlichen Kantinen) können suffizientes Handeln zur attraktiven bzw. sinnvollsten Option für Verbraucher machen;
- Anreiz-Instrumente (z.B. Ökosteuern; ÖPNV-Subventionierung) können suffizientes Handeln ökonomisch attraktiv machen; gleiches gilt für die Abschaffung von kontraproduktiven Maßnahmen, insbesondere umweltschädlichen Subventionen;
- regulatorische Instrumente (z.B. Tempolimit; Ökodesignvorgaben zu absoluten Verbrauchsobergrenzen von Geräten) können schließlich nicht-suffizientes Handeln ausschließen.
Herausforderungen und Konturen einer Suffizienzpolitik
Suffizienzpolitik steht zweifelsohne Herausforderungen gegenüber: Dazu gehören ihr Verhältnis zu individueller Freiheit, verfassungsrechtliche Grenzen, Akzeptanz und Durchsetzbarkeit. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Wahl, Ausgestaltung, Einbettung und Kommunikation politischer Instrumente, die Suffizienz fördern sollen. Als Startpunkt für eine Suffizienzpolitik empfiehlt es sich, zunächst solche Produkte und Handlungen zu adressieren, die ein hohes ökologisches Be- bzw. Entlastungspotenzial aufweisen und strategisch bedeutend sind, da sie Ausstrahlungswirkung haben oder nicht-nachhaltige Strukturen verändern. Die Geschichte der Anti-Tabak-Politik zeigt auch, dass parallel zu steigendem Problembewusstsein und Wertewandel eine politisch-gesellschaftliche Dynamik entstehen kann, in der immer weiterreichende Maßnahmen möglich werden.
Kriterien bei Auswahl und Ausgestaltung von Instrumenten sollten prinzipiell sein: das ökologische Entlastungspotenzial, die Effizienz, die rechtliche Machbarkeit, soziale Verteilungswirkungen und gesellschaftliche Akzeptanz. Grundsätzlich sollte der Eingriff im Verhältnis zum Entlastungspotenzial stehen. Die Frage der rechtlichen Machbarkeit stellt sich insbesondere bei Verboten, Grenzsetzungen und hohen Abgaben. Bei letzteren ist auch zu prüfen, ob unerwünschte soziale Verteilungswirkungen entstehen. Ergibt sich eine überproportionale Belastung niedriger Einkommen, muss gegengesteuert werden, beispielsweise durch Ausnahmeregelungen oder andere entlastende Instrumente.
Suffizienz und Postwachstum
Die Auswirkungen von Suffizienz(politik) auf Wirtschaftswachstum und die Volkswirtschaft insgesamt stellen eine weitere Herausforderung dar, die der Forschung bedarf. Suffizienz wird wohl zumindest in einigen ressourcenintensiven Sektoren eine Reduktion des materiellen und monetär gemessenen Konsums bedeuten. Andere Sektoren (z.B. arbeitsintensive Dienstleistungen) könnten dagegen weiter wachsen. Einige der mit einem sinkenden BIP verbundenen Sorgen sind bereits entkräftet worden: so bedeutet – ab einem bestimmten Wohlstandsniveau – weniger Konsum nicht unbedingt weniger Lebensqualität. Andere Herausforderungen, bedingt durch die Wachstumsabhängigkeit zentraler Gesellschaftsbereiche wie Arbeitsmarkt, Sozialsysteme und Staatsfinanzen, bedürfen noch erheblicher Suche nach Lösungen. Hier kommt dem Postwachstums-Diskurs eine wichtige Rolle zu.
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Der Beitrag basiert auf Überlegungen im Rahmen des Projekts „Suffizienz im Alltagsleben“, das 2012-2013 am Öko-Institut mit Mitteln der Stiftung Zukunftserbe durchgeführt wurde. Mitwirkende im Projekt waren neben dem Autor: Regine Barth, Christoph Brunn, Corinna Fischer, Rainer Grießhammer, Friedhelm Keimeyer und Franziska Wolff (Projektleiterin). Zudem wurde eine Reihe konstruktiv-kritischer Gedanken aus der weiteren Mitarbeiterschaft und dem Kuratorium des Öko-Instituts aufgegriffen. Für ausführlichere Projekt-Outputs, siehe die beiden Working Paper Fischer / Grießhammer (2013): „Suffizienz: Begriff, Begründung und Potenziale“, sowie Heyen et al. (2013): „Suffizienz: Notwendigkeit und Optionen politischer Gestaltung“.