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Impressionen vom „Bücher-Battle“: Suffizienz vs. Effizienz

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Der Januar des neuen Jahres ist noch nicht vorbei und Prof. Dr. Angelika Zahrnt hält bereits drei neue Preise in ihren Händen: Am 24. Januar wurde ihr für „ihr langjähriges außerordentliches Engagement im Natur- und Umweltschutz“ das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen verliehen (das „am Bande“ bekam sie bereits 2006). Eine Woche zuvor, am 17. Januar, hatte sie zusammen mit Uwe Schneidewind die Auszeichnung „Umweltbuch des Monats“ der Deutschen Umweltstiftung und der Redaktion des JAHRBUCH ÖKOLOGIE  für ihr gemeinsames Werk „Damit gutes Leben einfacher wird“ erhalten. Und einen Tag später, am 18. Januar, gewann Zahrnt auch in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin wieder etwas. Eher erstritt oder erkämpfte, denn obwohl sie es gern weniger martialisch gehabt hätte, war es nun mal ein „Bücher-Battle“, aus dem sie als Gewinnerin hervorging. Das sah zu Beginn übrigens nicht danach aus.

Unter dem Titel „Gutes Leben und Ökowende – geht das zusammen?“ bauten die Veranstalter*innen Strategien der Suffizienz und der Effizienz als Gegenpositionen eines Bücher-Battle auf. Die eine Seite vertraten Zahrnts und Schneidewinds Ideen. Die andere Marcus Frankens Umwelttechnologieentwürfe, die er in seinem von der Böll-Stiftung herausgegebenen „Bericht aus der Zukunft“ nachzeichnet. Effizienz und Suffizienz sollten also wie so häufig als Entweder-oder diskutiert werden – ein Vorgehen, das wohl dem Battle-Konzept geschuldet war, inhaltlich aber, wie im echten Leben, kaum weiterführte. Allerdings war es das erste Bücher-Battle der Böll-Stiftung und damit noch im Experimentierstadium. Es hatte zudem den schönen Effekt, dass deutlich mehr Gäste den Weg in die Schumannstraße fanden als bei einer einfachen Lesung oder Podiumsdiskussion: Der große Saal war brechend voll, kein Stuhl blieb frei, nicht einmal die Gänge oder Treppen. Die Veranstalter*innen waren überwältig vom großen Interesse, mit dem sie nicht gerechnet hatten, wie sie mehrfach betonten. Auch die Jury aus jüngeren und älteren Themen-Kenner*innen – Antonia Bartning (Böll-Stipendiatin), Christiane Grefe (Journalistin, Die Zeit), Hermann Ott (ehem. Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“) sowie Christian Schwägerl (Journalist und Buchautor) – zeigte sich überrascht von dem Zuspruch.

Die erzwungene Gegensätzlichkeit von Suffizienz und Effizienz irritiert

So weit, so erfreulich. Das Format ruckelte allerdings noch ziemlich: Zu Beginn erhielten beide Autor*innen die Gelegenheit, die Argumente ihrer Bücher in 10, 12 oder 15 Minuten zu erläutern (hier gab es dynamische Vorgaben, die die Redner*innen frei zugunsten ihres eigenen Redezeitbedarfs auslegten): Zahrnt, per Los als erste Sprecherin bestimmt, hielt sich daran und wanderte nacheinander durch die einzelnen Buch-Kapitel. Franken hingegen stieg direkt mit einer Replik auf Zahrnt ein und ließ die Inhalte seines eigenen Buchs eher im Vagen. Das brachte ihm größere Aufmerksamkeit, schaffte aber ungleiche Verhältnisse und die anschließende Fragerunde der Jury sah keinen Raum für einen Ausgleich vor: Die Jury-Mitglieder stellten in zwei Durchgängen abwechselnd eine Frage an eine*n der Redner*innen; ein direktes Streitgespräch der Autor*innen konnte dabei nicht zustande kommen, da jede „Darf ich hierauf direkt eingehen?“-Frage erst in der Jury debattiert werden musste. Zwar freute sich Herrmann Ott nach einem eher aufgebrachten Zwischenruf Zahrnts, in dem das Wort „Schwachsinn“ fiel, ausdrücklich darüber, dass die Autorin nun „in Fahrt kommt“. Jedoch nahm das steife Prozedere dem Ganzen ziemlich den Wind aus den Segeln. Beide Redner*innen hätten ganz sicher klarer, tiefgehender und auch unterhaltsamer mit- und gegeneinander argumentiert, wenn sie sich direkter aufeinander hätten beziehen können. So blieb leider auch die nicht weiter dramaturgisch ausgearbeitete bipolare Gegenüberstellung von „Effizienz vs. Suffizienz“ fast durchweg erhalten, was das Publikum hörbar irritierte (und auf die sich Zahrnts Zwischenruf bezog).

Das unbequemere Buch überzeugt

Die spontan entwickelte Lösung, die Publikums-Abstimmungen zwischen den beiden Positionierungen nachträglich um eine dritte Option zu erweitern, die wahlweise als Weder-noch oder Sowohl-als-auch ausgelegt wurde, führte dann allerdings zu eher unsauberen Abzähl-Spielen. Die Entwicklungstendenz in der Publikumsgunst war dennoch klar erkennbar: Während Franken in der ersten Abstimmungsrunde direkt nach den Buchvorstellungen eindeutig vorn lag, konnte Zahrnt im Laufe der Diskussion das Bild der zweiten Abstimmung umkehren. Vermutlich blieb auch die zwischen die Abstimmungsrunden gelegte Jury-Entscheidung nicht ganz ohne Einfluss. Die Juror*innen waren dabei in ihrem Urteil nicht unbedingt zimperlich: Zahrnts „gutes Leben“ sei „piefig“, ziemlich unkonkret und ließe die Leser*innen aufgrund des normativen Anspruchs unangenehm berührt zurück; Frankens „Bericht aus der Zukunft“ sei zwar super geschrieben, aber durch die vielen, auch eher gegenwärtigen Technik-Beispiele anstrengend zu lesen und zu einseitig „bequem“. Letztendlich erhielten Zahrnt/ Schneidewind alle vier Stimmen der Jury dafür, dass ihres dann doch „das relevantere Buch“ sei: Diskursanstöße in Richtung Verhaltensänderungen und politischer Rahmensetzung würden für einen nun mal unbequemen gesellschaftlichen Wandel dringend gebraucht. Beiden Büchern wurden übrigens unbedingte Leseempfehlungen ausgesprochen.

P.S.: Zeugt dieser übermäßige Carsharing-Fokus in der deutschen Transformationsdebatte, wie er sich auch im Battle wieder zeigte, von der noch immer nicht überwundenen Auto-Besessenheit oder gibt es einfach keine besseren Beispiele?

Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.; 2013): Bericht aus der Zukunft: Wie der grüne Wandel funktioniert. München: oekom. Autor: Marcus Franken

Schneidewind, Uwe und Angelika Zahrnt (2013): Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik. München: oekom. Blog-Artikel zum Buch

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