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Eine Konferenz als Teil der (Stadt-) Gesellschaft

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„Sie sind viele, das ist gut!“ Mit diesen Worten leitet Elisabeth von Thadden die Eröffnungsveranstaltung der Konferenz „Great Transformation. Die Zukunft moderner Gesellschaften“ ein. Im Volkshaus in Jena, „nah an den Bürgersteigen der Stadt, im Spätsommer der modernen Demokratien“ (Elisabeth von Thadden) haben sich gut siebenhundert Menschen eingefunden – Wissenschaftler/innen, Künstler/innen und Kulturschaffende, Bürger/innen und Interessierte, Studierende und Aktivst/innen.  Der erste Konsens des Abends ist: es ist gut, wenn wir viele sind und es ist gut, wenn wir unterschiedlich sind. Es ist wichtig, dass die Menschen, die hier zusammengekommen sind, aus heterogenen Kontexten stammen, unterschiedliche Meinungen vertreten, verschiedene Erfahrungen mitbringen.

Nach ungefähr acht Jahren Forschungsarbeit ist dies die Abschlusskonferenz der Kollegforscher_innengruppe „Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. Zur (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften“, die an das Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena angeschlossen ist und gleichzeitig die 2. Regionalkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS).
Die Grußworte werden eingeleitet von Wolfgang Tiefensee, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister in Thüringen, sowie Thomas Nitzsche, dem Bürgermeister der Stadt Jena. Dem schließen sich der Präsident der Universität Walter Rosenthal, sowie Silke van Dyk, Professorin am Institut für Soziologie der Universität Jena, an. Die Redner/innen betonen die wichtige Rolle der Einbindung der Konferenz in die Stadtgesellschaft Jenas. „Wir [Jenaer] kennen Transformation, aber wir stehen vor einer neuen“, sagt Thomas Nitzsche. In Jena sei der ökonomische Umbau beispielhaft gelungen, hebt er hervor, um dann auch darauf zurückzukommen, dass die Stadt gleichzeitig vor großen Herausforderungen steht. Wegen der Tallage gibt es hier Flächenknappheit, in der Wirtschaft fehlen Fachkräfte und der allgemeine Vertrauensverlust in die repräsentative Demokratie ist auch in Thüringen zu spüren.
Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und wachsender Ungleichheit konstatiert Silke van Dyk, ein Zitat, das Bertolt Brecht zugeschrieben wird, abwandelnd: „Wehe denen, die geforscht haben und dennoch nicht reden!“

Nach einer erfrischenden musikalischen Einlage des „Bottom Orchestra“ mit dem Titel „Was machst du?“, Untertitel: „Prekäre Jazzmusik“, führen Birgit Blättel-Mink, DGS-Vorsitzende und Nicole Burzan, ehemalige DGS-Vorsitzende, sowie Klaus Dörre und Hartmut Rosa zu den zentralen Fragen der Konferenz hin. Wir befinden uns in einer „ökonomisch-ökologischen Zangenkrise“, konstatieren Klaus Dörre und Hartmut Rosa, auf einen Essay von Marc Brost und Bernd Ulrich in der aktuellen Ausgabe der ZEIT verweisend. Wächst die Wirtschaft, so steigt der Druck auf die Ökosysteme und das Klima, gerät die Wirtschaft jedoch in eine Rezession, gehen Arbeitsplätze und materieller Wohlstand verloren.

Eine „Nachhaltigkeitsrevolution“ fordert nicht nur Klaus Dörre, sondern auch Julia Kaiser von Students for Future. Angesichts der katastrophalen Prognosen von Klimawissenschaftler/innen habe sie sich für den Aktivismus entschieden und „gegen das Errichten von Mauern an den Grenzen und in den Köpfen, bis wir die Welt nicht mehr wahrnehmen können“. Die Studierenden haben sich in den letzten beiden Tagen näher damit befasst, welche Rolle sie im Kontext von Fridays for Future spielen können und haben sich für die Ausrichtung sogenannter „Public Climate Schools“ an den Universitäten bundesweit entschieden, während derer der reguläre Lehrbetrieb eingestellt werden soll. Im Dezember sollen die Unis für eine Woche ihre Türen öffnen für alle Interessierten, insbesondere Schüler/innen, um an Lösungen für eine sozial-ökologisch nachhaltigere Welt zu arbeiten und zu lernen.

Zum Abschluss bettet Branko Milanovic das bisher Gesagte in den Kontext der Entwicklung von Einkommensungleichheit seit der industriellen Revolution weltweit ein. Zu Zeiten Polanyis war die „Great Transformation“ auf Westeuropa bezogen, heutzutage ist sie ein globales Thema und eine globale Aufgabe, dies wird überdeutlich.

Nach gutem Essen und weiterer toller Musik (Bottom Orchestra) bleibt als Vorausschau auf die kommende Woche: es wird um Dystopien gehen, aber vor allem um Utopien, es wird „konstruktive Kontroversen“ geben. Das ist der zweite Konsens des Abends: wir müssen miteinander reden, sogar „streiten wie die Raben“ (Hartmut Rosa) und dann, ganz im Sinne der Tradition des Kolleg Postwachstumsgesellschaften, gemeinsam ein Bier trinken gehen. Es gibt eine offene und zukunftsgewandte Stadt zu entdecken und ein reiches, buntes Kulturprogramm zu erleben. Die ‚Great Transformation‘-Konferenz ist eröffnet.

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