„Can Decreix ist ein Ort der Transformation (von Früchten, Gemüse, Konstruktionen und Gesellschaft), für Forschung, den Test von einfacherer Technologie, für Kunst und Agroecology.“ Über diese kurze Beschreibung von Can Decreix bin ich gestolpert, als ich vor meinem sechs monatigen Wohnen und Arbeiten oder einfach nur Sein in Can Decreix nach Information zum Projekt gesucht habe. Zwei Fragen habe ich mir gestellt, die ich hier beantworten will: Wo ist dieser Ort? Und: wie soll das gehen, mit der Transformation?
Die erste Frage ist einfach zu beantworten. Can Decreix liegt im äußersten Süden Frankreichs, wo die Pyrenäen das Mittelmeer treffen und Frankreich an Spanien grenzt. Es liegt oberhalb des gigantischen Grenzbahnhofs von Cerbère, welcher dem Dorf Existenz gibt und Can Decreix einen Blick auf einen Wahnsinn unserer Zeit. In einem Alltag, bestehend aus Degrowth Praxis, Diskussionen über Degrowth und Treffen mit andern Wissenschaftlern, Aktivisten und Degrowth Interessierten, kann leicht der Eindruck entstehen, dass wir schon (sehr) weit sind auf dem Weg zu einer Degrowth Gesellschaft.
Hebt man jedoch beim Mittagessen den Blick über den Tellerrand, kann man den scheinbar unendlichen Transport von Gütern beobachten. Autos, Chemikalien und Container von Frankreich nach Spanien und zurück. Ein unberührtes Tal wäre sicher ein schönerer Anblick, doch geht es in Can Decreix auch darum, nicht vor der Realität davon zu laufen und „nur“ eine Alternative zu schaffen, sondern mit dem, was wir Wachstumsgesellschaft nennen, in Verbindung zu bleiben, es anzusehen, zu verstehen und zu verändern.
Can Decreix ist ein Ort, an dem Forschung, Verbreitung und Implementierung, drei sich gegenseitig bedingende Strategien von Degrowth, praktiziert werden. Degrowth-Theorie wird in vielen Aspekten in Praxis umgesetzt, so wurden zum Beispiel Dinge wie Kühlschrank, WC und elektrischen Warmwasserbereiter ins Museum gebracht, ein Museum für unnötige und fragwürdige Dinge. Can Decreix ist autofrei, es wird recycelt und kompostiert, geteilt und getauscht, zusammen gearbeitet, reflektiert und diskutiert, lokal und minimal konsumiert. In Can Decreix wird im Alltag eine Alternative praktiziert, wobei es gleichzeitig als konkreter Versammlungsort Teil von politischen Aktionen und globalen Netzwerken ist, wie zum Beispiel für die Ecotopia Biketour und das internationale Treffen von Beyond our Backyards.
Die Antwort auf die Frage nach der Transformation steckt in der Kombination der genannten Strategien und dem Erlebnis dieser alternativen Realität, in der die Grenzen des Planeten Erde respektiert und die in unseren Köpfen hinterfragt werden. Es erstaunt mich immer wieder, wie selbstverständlich es sich neben der Norm leben lässt, und wie es aus dieser Perspektive offensichtlich wird, wie absurd der Glaube an Wachstum und das Festhalten an den Strukturen und Praktiken der Wachstumsgesellschaft ist. In Can Decreix wird deutlich, dass das so genannte Unmögliche möglich ist und das so genannte Notwendige nicht unbedingt notwendig ist.
Und zu guter Letzt, was heißt eigentlich „Can Decreix“? „Decreix“ ist das katalanische Wort für Degrowth, Postwachstum und „Can“ macht es zu einem Degrowth Zuhause.
[…] social equity organisieren und in Can Decreix nahe der französisch-spanischen Grenze ihr „Degrowth-Zuhause gefunden hat. CC-BY-NC-ND 2.0, […]