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Briefkasten als persönliches Interface zur lokalen Kommunikation: Pumpipumpe

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Pumpipumpe_Leiter_kleinPumpipumpe ist ein weitgehend analog funktionierendes Sharing Tool. Mittels Sticker am Briefkasten soll das Leihen und Ausleihen unter Nachbarn und damit der bewusste Umgang mit Konsumgütern sowie Kontakte in der Nachbarschaft gefördert werden.
In jedem Haushalt befinden sich Dinge, die nur selten gebraucht werden und die wir gerne einmal einem netten Mitmenschen ausleihen würden. Gleichzeitig wären wir manchmal selbst froh, uns Dinge, die wir nur ab und zu benötigen, einfach kurz ausborgen zu können.
Pumpipumpe macht diese Gegenstände mit kleinen Aufklebern am Briefkasten dort sichtbar, wo NachbarInnen und QuartierbewohnerInnen täglich vorbeigehen.

Sie können so direkt miteinander in Kontakt treten, sich Fahrradpumpe, Akkubohrer oder Kuchenform ausleihen und sich auf diese Weise besser oder überhaupt kennenlernen. Zudem müssen sie weniger Geräte kaufen. Hier können die Sticker dazu bestellt werden.

Eine Idee wider dem Konsumwahn

Die Idee dazu entstand Ende 2012 in einem interdisziplinären Design Atelier in Bern in der Schweiz. Lisa Ochsenbein, freischaffende Produktdesignerin, Ivan Mele, selbstständiger Prozessdesigner, und Sabine Hirsig, wissenschaftliche Illustratorin, diskutierten gemeinsam über den ganz normalen Wahnsinn: Jede/r besitzt so viele Dinge, die so selten gebraucht oder gar von Umzug zu Umzug ohne Benutzung mitgeschleppt werden. Schnell weckte das immense Potential von gemeinschaftlichem Konsum unser Interesse. Darauf folgte eine Analyse bisheriger Sharing Projekte auf dem Markt und die Konzeption eines neuartigen Tools, das gezielt auf die gemeinschaftliche Nutzung von meist selten verwendeten Konsumgütern abzielt. Dazu wurden verschiedene Faktoren mit in die Entwicklung einbezogen. So sollte der Aufwand für die NutzerInnen möglichst gering gehalten werden, der Spaß an der Sache und der Nutzen für alle Beteiligten im Vordergrund stehen. Zudem liegt der Fokus auf dem sehr lokalen Teilen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Lange Wege stehen dem Sharing wortwörtlich im Weg. Die Briefkästen sind bestehende Infrastruktur und werden im Projekt als persönliches öffentliches Interface zur lokalen Kommunikation eingesetzt. Der Aufwand und die Transportwege werden durch lokalen Austausch möglichst gering gehalten. Zudem sind soziale Kontakte in der direkten eigenen Nachbarschaft besonders wertvoll, da sie sich über das Projekt hinaus verstetigen können.

Mittlerweile ist das Projekt stark gewachsen: Über 16.000 Haushalte machen europaweit mit, vor allem in urbanen Regionen. Dies zeugt von der Aktualität der Thematik und natürlich auch von der Motivation vieler Menschen, Ressourcen in Zukunft sinnvoller zu verwenden. Auch das Projekt selbst hat sich in der Zeit weiterentwickelt. So haben weitere Personen das Projektteam ergänzt und es wurden mittlerweile diverse Projekterweiterungen bzw. Optimierungen vorgenommen. Pumpipumpe – a sharing community ist heute ein gemeinnütziger Verein und hat in eine Online Karte investiert. Dort kann man zum einen seine Nachbarschaft leichter nach Briefkästen absuchen und zum anderen wird so die Verbreitung des Sharing-Gedanken und somit auch der Impact des Projekts visualisiert.

Förderung des Konsums von ökologisch und sozial nachhaltig produzierten Gütern

Pumpipumpe verfolgt von Beginn an verschiedene Ziele. Zunächst geht es darum, einen einfachen Weg aufzuzeigen, um unsere Ressourcen gemeinschaftlich und somit sinnvoller zu nutzen. Dazu ist ein bewusster Umgang mit Konsumgütern unumgänglich. Konsumentscheidungen sollten bewusst getroffen werden. Anstelle eines extrem günstigen Schraubenziehers, der nach dreimaliger Verwendung abgenutzt ist und im Mülleimer landet, könnte folgendermaßen gehandelt werden: Wird der Schraubenzieher regelmäßig und intensiv gebraucht, lohnt es sich in gute Qualität des Produkts zu investieren und einen ökologisch und sozial nachhaltig produzierten Schraubenzieher zu erwerben, der möglichst lange hält. Wird der Schraubenzieher nur ein paar Mal gebraucht, dann leiht man sich diesen bei der NachbarIn aus. Auf diese Weise fördern wir sinnvoll designte Konsumgüter, die schonend mit unseren Ressourcen umgehen. Jede Konsumentscheidung ist eine Wahl für oder gegen bestimmte Herstellungsmethoden, Materialförderungen, Entwicklungsprozesse und Designkonzepte.

Kollaborative Nutzung inmitten urbaner Dichte

Ein weiteres Ziel von Pumpipumpe ist die Aktivierung von urbanem Potential in der verdichteten Nachbarschaft. Wir möchten eine Möglichkeit zur Kollaboration in diesem Kontext aufzeigen, die Vorteile für jede/n nach sich zieht. Auf einer Fläche von 100 m² im urbanen Raum sind heute bestimmt mindestens hundert Mixer vorzufinden. Eine solche Anzahl an Geräten ist schlicht übertrieben. Durch eine kollaborative Nutzung dieser Dinge könnten neben der Investition in hochwertigere Güter weitere Vorteile entstehen. So profitiert man vom Material und auch vom Wissen einer ganzen Nachbarschaft oder eben Gemeinschaft, wenn man sich verlinkt. In sozialen Netzwerken sind wir heute schon mit der ganzen Welt vernetzt. Das reale Netzwerk direkt um uns herum in den Städten ist hingegen im Verhältnis zu dessen Potential stark unterentwickelt. Durch Kollaboration in diesem realen Netzwerk können wir aber alle profitieren. Jede/r einzelne kann zum Beispiel so Geld und auch wertvollen Platz in seiner Wohnung sparen. Dies wiederum erlaubt größere gemeinschaftlich benutzte Flächen. Eine verdichtete Bauweise kommt allen zugute, schont Landschaft und Ressourcen. Gerade in der Schweiz ist dies momentan eine sehr aktuelle politische Debatte.

Kleine Aufkleber zur Aktivierung von Eigeninitiative

Nicht zuletzt wollen wir erreichen, dass sich die Menschen vermehrt aktiv mit ihrer Umgebung auseinandersetzen, diese selbst mitdenken und gestalten. Auch wenn man nur zur Miete in einem fremden Haus wohnt und über Straßen, die der Staat angelegt hat, zur Arbeit geht. Dies ist unser Lebensraum. Wir können grundsätzlich alles hinterfragen, vieles selbst anregen und mitgestalten. Eine diesbezüglich kritische und aktive Haltung möchten wir fördern. Denn wir glauben, dass solche Menschen viel bewegen können und eine Stadt, besser noch eine Gesellschaft, genau dies braucht, um sich weiterzuentwickeln. Gerade im eigenen Umfeld kann jede/r einzelne am meisten bewirken. Diese Haltung ist auch im Konzept von Pumpipumpe verankert. Die genauen Konditionen der Leih-Transaktionen sind zum Beispiel nicht vorgegeben und müssen von den NachbarInnen selbst zwischen Tür und Angel ausgehandelt werden. Verlangt man einen Pfand? Den Austausch der Telefonnummern? Eine Flasche Wein als Dankeschön? Zeitliche Abmachungen? Mit all diesen Fragen sollen sich die NutzerInnen aktiv auseinandersetzen. Pumpipumpe wurde bewusst nicht als „konsumfertiges“ Produkt konzipiert, sondern eher als aktivierendes Tool, das Möglichkeiten aufzeigen und fördern soll und von den NutzerInnen selbst gestaltet wird.

Wir möchten mit Pumpipumpe nachhaltig etwas bewirken und das Projekt weiter betreiben. Deshalb sind wir fortlaufend auf der Suche nach passenden PartnerInnen, durch die das Projekt ein breiteres Publikum erreichen kann. Im Moment sind dies vor allem Vertriebspartner, Wohnungsbaugenossenschaften und städtische Organisationen.
Wir hoffen, mit unserem Einsatz einen kleinen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft leisten zu können oder zumindest Diskussionen diesbezüglich anzuregen.

Lisa Ochsenbein,*1984, Produktdesignerin, studierte an der ECAL in Lausanne und am Masterstudio Design der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel Industrial Design und ist heute als freischaffende Designerin und Initiatorin in Zürich tätig. Dabei interessiert sie sich für nachhaltige, zukunftsorientierte Konzepte und die Bearbeitung von gegenwärtigen Entwicklungen und Schnittstellen im urbanen Raum.

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