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Postwachstumspositionen: Vereinnahmung von Rechts?

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Etwa siebzig Personen haben an diesem Sommerabend Ende Juni zur Online-Debatte „Rechtsextremismus und Postwachstums-Diskurs“ zusammengefunden, bei der über die Vereinnahmung von Postwachstums-Positionen durch rechtsextreme und rechtspopulistische Strömungen diskutiert werden wird. Die Veranstaltung wird von VÖÖ (Vereinigung für ökologische Ökonomie) und VÖW (Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung) gemeinsam organisiert.

Jana Gebauer – Unternehmensforscherin mit Schwerpunkt auf alternative Wirtschaftsweisen und Postwachstum sowie IÖW-Fellow – führt in die Veranstaltung ein. Als Moderatorin wird sie gemeinsam mit Maren Kropfeld durch den Abend leiten. Sie legt die Relevanz der Veranstaltung anschaulich dar: „alternative, basisdemokratische, vegane“ Positionen und Lebensstile beispielsweise seien ursprünglich eher links gedacht worden und würden nun aber zunehmend von rechts besetzt. Diese Aneignung und Besetzung von Positionen erfolge dabei auf eine für Außenstehende undurchsichtige Weise. Entsprechend ist die Auseinandersetzung mit rechten Einstellungen im Bereich des Klima- und Umweltschutzes „nicht schön, aber doch unumgänglich“. Die Beschäftigung mit rechten Diskursen in Bezug auf Postwachstum ist indes nicht neu, wie Jana Gebauer mit Bezug auf Dennis Eversberg deutlich macht. Für ihn sei „nicht überraschend, dass Wachstumskritik auch von Rechts kommt“, so Gebauer.

Wie unterscheiden sich die Positionen zu Postwachstum innerhalb verschiedener rechter Gruppierungen und wie sollte man ihnen aus einem anti-faschistischem Konsens heraus begegnen? Diese Fragen sollen im Fokus der Debatte stehen.

Klima- und Umweltschutz aus rechtspopulistischer Sicht

Dazu übergibt Gebauer zunächst den Impulsgebenden das Wort, wobei Christian Möstl mit Einblicken in „rechtspopulistische Perspektiven auf Klima- und Umweltschutz“ beginnt. Möstl studierte an der Europa-Universität Flensburg, wo er heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Erklärungsansätzen zum Aufstieg des rezenten Rechtspopulismus und dessen Perspektiven auf Fragen des Klima- und Umweltschutzes forscht.

Populismus generell wird als „dünne Ideologie“ definiert, bei der sich die Gesellschaft in zwei homogenen, antagonistischen Lagern gegenübersteht (Mudde, Rovira Kaltwasser 2020: 25). Der Schritt zur „populistisch radikal Rechten“ erfolgt, wenn zu dieser dünnen Ideologie zusätzlich noch Nativismus und Autoritarismus hinzukommen. Ab diesem Punkt könne man von Rechtsradikalismus sprechen, der sich von Rechtsextremismus nur durch fehlende Systemfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft unterscheidet, so Möstl.

Wie sehen rechtspopulistische Positionen zu Klima- und Umweltschutz konkret aus? Was Klimaschutz angeht, scheint diese Frage leicht zu beantworten: der Klimawandel wird grundlegend in Frage gestellt, Klimaschutzpolitiken werden abgelehnt und statt der Energiewende werden weiterhin fossile Energieträger unterstützt. Schließlich könnte Klimaschutz eine De-Privilegierung bedeuten. Bei Naturschutz und Landwirtschaftspolitik zeichnet sich ein anderes Bild, sodass rechtspopulistische Positionen sich beispielsweise für Naturschutz und die Erhaltung von Biodiversität einsetzen, ökologischer Landwirtschaft aber kritisch gegenüberstehen. Zu den Themen Gentechnik und Massentierhaltung gibt es zudem teils konträre Einstellungen in den Reihen von Rechtspopulist*innen. Von rechtspopulistischen Positionen und den sich eher bürgerlich gebenden Teilen der AfD ist laut Möstl keine Vereinnahmung des Postwachstumsdiskurses zu erwarten. Im Gegenteil: der deutsche Rechtspopulismus opponiere teils fundamental gegen den Klimaschutz und nehme auch die negativen Folgen des Wirtschaftswachstums gerne in Kauf, um eigene Privilegien zu sichern.

Die „Neuen Rechten“ und ihre Anknüpfung zum Postwachstumsdiskurs

Im Anschluss daran gibt Astrid Gläsel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden und ehemalige Mitarbeiterin in der Redaktion des Blog Postwachstum, einen Überblick über die „Neue Rechte“ und deren Interesse und Anknüpfungspunkte an Postwachstum. Über die „Neue Rechte“ und deren naturschutzbezogene Positionen hat sie ihre Masterarbeit verfasst. Sie beschreibt diese als ein informelles, heterogenes Netzwerk von Publizist*innen mit intellektuellem Anspruch. Ideologisch ist die „Neue Rechte“ vor allem am Gedankengut der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik orientiert – will also den demokratischen Verfassungsstaat überwinden, enthält Elemente wie den autoritären Etatismus und ein biologistisches Menschenbild (Ethnopluralismus).

Als Anknüpfungspunkte der „Neuen Rechten“ zum Postwachstumsdiskurs lassen sich insbesondere Antisemitismus, der Aspekt Bevölkerung und die Forderung nach Relokalisierung identifizieren. Antisemitische Positionen der „Neuen Rechten“ seien demnach vor allem mit Wachstums, – Konsum- und Zinskritik verbunden. Vorherrschend sei zudem das Narrativ der Überbevölkerung, welche aus Sicht der „Neuen Rechten“ ihre Ursache im globalen Süden habe und eine Gefahr für die eigene „Volksgemeinschaft“ darstelle. Migration müsse dieser Logik nach verhindert werden. Anknüpfung zum Postwachstum bietet auch das Thema Relokalisierung: demnach propagieren die Neuen Rechten ein Leben nah an der Natur, fordern die Rückkehr zu lokalen Strukturen sowie die Abkehr von der Globalisierung. Der Klimawandel jedoch wird weniger thematisiert.

Die extreme Rechte und die Postwachstumsökonomie

Yannick Passeick beginnt seinen Impuls methodisch. Dazu stellt er sieben Thesen für eine konservativ-ökologische Wende vor, zu denen man eine Zuordnung vornehmen und die eigene Position hinterfragen solle. Diese beziehen sich ebenfalls auf das Stichwort „Überbevölkerung“ oder betreffen die Option nationaler Grenzziehungen als sicherheitspolitische Strategie. In diesem Zuge nennt Passeick deutliche Belege und Beispiele dafür, dass die extreme Rechte großes Interesse an Postwachstumspositionen hat und diese auch explizit einnimmt.

Passeick, der in seiner Arbeit bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz der NaturFreunde und Naturfreundejugend Deutschlands Präventionsarbeit leistet, beschäftigt sich hauptsächlich mit den Schnittmengen von Naturschutz, Ökologie und der extremen Rechten.

Bei seinem Vortrag wird deutlich, wie prominente Rechtsextreme in verschiedenen Publikationen versuchen, Postwachstums-Themen zu besetzen. Die Grundpfeiler der Postwachstumsökonomie sehen sie dabei mit ihrer identitären Weltanschauung als sehr kompatibel an.  Passeick benennt hierfür ähnliche Gründe, wie sie auch bei den Neuen Rechten dominieren: die Interpretation von Postwachstum mit Fokus auf Regionalität, Ethno-Pluralismus sowie einem anti-modernen Reflex entfaltet eine gewisse Anziehungskraft für rechte Strömungen. Seinen Vortrag schließt er mit einer Handreichung zur Selbstreflektion ab, die eine Verortung der eigenen Postwachstumspositionen im Diskurs zulassen und zum Nachdenken über Abgrenzungsmöglichkeiten anregen soll.

Abgrenzungspotenziale und Zukunftsperspektiven

Wie kann diese Abgrenzung innerhalb der Postwachstumsbewegung zu rechten Gesinnungen gelingen? Jana Gebauer schließt aus den Vorträgen, dass die „Positionen eher nicht konsistent, dünn und teils widersprüchlich“ sind und eine Abgrenzung somit eigentlich nicht allzu schwerfallen sollte. In der anschließenden Diskussionsrunde mit den Impulsgebenden kommen diverse Möglichkeiten des Umgangs zur Sprache, die sich vor allem hinsichtlich der Beziehungsebene zum Gegenüber und der Radikalität rechts-populistischer Positionen unterscheiden. Letztlich sei es immer eine persönliche Abwägungssache, wieviel Zeit man in die Diskussion investieren möchte.

Alle drei finden die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus wichtig, um Forschungslücken zu schließen, rechte Mobilisierungstaktik besser zu verstehen und um anderen nicht-rechten Positionen im Diskurs zu einer besseren Stellung zu verhelfen. Eine Schlussfolgerung ist, man solle „ökologische Fragen niemals ohne soziale Fragen behandeln“. Schließlich liege die Mobilisierungskraft der Rechten oftmals in einem Gefühl von Abgehängt-Werden, fehlender Zugehörigkeit und in Ängsten vor De-Privilegierung begründet.

Bis auf wenige Ausnahmen bleibt die anschließende Diskussion – der Komplexität des Themas angemessen – konstruktiv und eher vorsichtig-abwägend. Nach einer Kleingruppen-Diskussion wird die Debatte im Plenum fortgesetzt, wobei sich Personen aus dem Publikum zu den drei Vortragenden dazuschalten und mitdiskutieren können. Die bedeutendsten Diskussionslinien sind neben der richtigen Auseinandersetzung mit Stakeholdern und der Notwendigkeit einer eigenen anti-faschistischen Positionierung die Reflektion des eigenen Standortes im Diskurs. Es kristallisiert sich heraus, dass die Frage nach konkreten Handlungsempfehlungen in Gesprächssituationen mit Rechten viele der Teilnehmer*innen beschäftigt.

Die Impulsgeber*innen kommen zum Schluss: der Diskurs sollte keinesfalls verhindert werden, es gäbe jedoch auch Grenzen, wenn zum Beispiel kein gemeinsames Welt- und Menschenbild mehr feststellbar sei. Gegenangebote zu rechten Diskursen seien unabdingbar und nicht zuletzt sei es hilfreich das Gegenüber aussprechen zu lassen und erst im Anschluss auf mögliche Inkonsistenzen in der Argumentation einzugehen.

Wie immer auf zwischenmenschlicher Ebene sei hierfür harte Arbeit notwendig, um einander zuzuhören, Beziehungen aufzubauen und Positionen auszuhandeln, so Jana Gebauer in ihren Schlussworten. Für die Postwachstumsbewegung liegt eine Chance der Abgrenzung wohl mitunter darin, Erfahrungswerte zusammenzutragen und sich gegenseitig in diskursiven Problemlagen zu unterstützen. Und darin, in spannenden Veranstaltungen wie dieser auch schwierigen Themen mehr Raum zu geben und stets zu versuchen im Gespräch zu bleiben.

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