Vortrag und Diskussion im Rahmen der Konferenz „Herausforderungen der Geschlechterforschung“ am 29. September in Köln
In unserem Vortrag mit dem Titel „Ein gutes Leben für alle? Postwachstum meets Gender“ in Köln trugen wir einige Ergebnisse aus unseren Forschungsarbeiten und dem gleichnamigen Symposium am 19. Juli 2016 in Berlin vor und diskutierten mit dem Fachpublikum verschiedene geschlechtertheoretische Aspekte unserer Forschungsprojekte. Wir greifen an dieser Stelle drei zentrale Fragen auf, die in dieser Diskussionsrunde erörtert wurden.
„Welche Modi der Kritik können wir wählen, um Geschlecht als Identitätskonstruktion in solchen Praxen zu problematisieren?“
Oft werden Care-Praktiken zwar sichtbar und damit problematisierbar auf der individuellen und zwischenmenschlichen Ebene, doch bleibt eine strukturelle Kritik dabei häufig außen vor. In unseren Forschungen haben wir daher Geschlecht als Strukturkategorie untersucht, die sich auf institutionell-politischer Ebene manifestiert. Für Postwachstumsdebatten ist eine solche Analyse gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse eine Grundvoraussetzung für die Konzipierung einer geschlechtergerechten Postwachstumsgesellschaft, da das gegenwärtige Geschlechterverhältnis strukturell tief in unserer Gesellschaft verankert ist. „Doing Gender“ als Identitätskategorie ist damit nicht vom Tisch, sondern steht auf einem weiteren Blatt.
„Welche Rolle hat denn der Staat für die vorgestellten Praxisbeispiele und gibt es auch Ideen, wie eine Transformation hin zu einer geschlechtergerechten Postwachstumsgesellschaft juristisch erreicht werden kann?“
Kritik an staatlichen Care-Politiken ist eine wichtige Komponente, um die desolate Realität zu verändern. In Anbetracht des wohlfahrtsstaatlichen Rückbaus im Zuge der neoliberalen Umstrukturierungen seit den 1980er Jahren (nicht nur in der BRD) benötigt es dringend politische und juristische Weichenstellungen, um dem Sozialabbau, der häufig Frauen* am härtesten trifft, zu begegnen. Gerade darum ist es wichtig, ehrenamtliche, sowie alternative Strukturen zu problematisieren, insofern sie dort mehr oder weniger kostenlos Hilfe leisten, wo der Staat sich zurückgezogen hat.
„Welche Bedeutung hat Geschlechterforschung für die Debatten um Postwachstum?“
In dem zweiten, sich unserem anschließenden, Vortrag in Köln beschäftigte sich Prof. Dr. Monika Götsch (Universität Esslingen) mit erwerbsarbeitsbezogener „Wahlfreiheit im deutschen Wohlfahrtsregime“ für trans*Menschen. Ihre Analysen zeigen auf, dass neoliberale Wohlfahrtspolitiken mit den Kennzeichen „Aktivierung, Eigenverantwortung und Wahlfreiheit“ für trans*Menschen nur vermeintlich zu einer größeren Freiheit der Lebensläufe führen. Auf körperlicher Ebene – im Arbeitsalltag – stoßen sie auf zweigeschlechtliche Disziplinierungsmuster, die die propagierte Wahlfreiheit ad absurdum führen.
Die hier ausgeführten Diskussionsbeiträge machen deutlich, dass geschlechtertheoretische und feministische Perspektiven wichtige Beiträge zu einigen Kernthemen der Postwachstumsdebatten, wie „Wohlfahrtstaat“ und „Dekolonisierung des Imaginären“ leisten können. Feministische Forderungen nach einer Umverteilung von Care-Arbeit und gleichberechtigenden Beteiligungsstrukturen erweisen sich nicht nur als zentral für Geschlechtergerechtigkeit, sondern sie bringen auch das Potenzial mit sich, einerseits unser Verständnis von Arbeit komplett umzuwälzen und andererseits demokratische Strukturen zu erneuern. Beides sind ebenfalls zentrale Anliegen in den Debatten und Praxen rund um Postwachstum.
Beitragsbild: Quelle: USGS Bee Inventory and Monitoring Lab auf flickr.com (https://www.flickr.com/photos/usgsbiml/8405820653/), Lizenz: Public Domain Mark 1.0. Hinweis: Das Original wurde graphisch nachbearbeitet.
Danke für eure wertvolle Arbeit!
Ich habe mich gefragt, wie ein Weg zu einer Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte angesichts der Tatsache, dass manche Frauen* zumindest in manchen Aspekte bereits in ihrer Tätigkeit die Postwachstumsgesellschaft spiegeln, aber sich darin gleichzeitig ihre Benachteiligung zeigt. Anders gesagt ist es doch so, dass Care-Arbeit und weniger Lohnarbeit von Frauen* zumindest teilweise ein Ideal der Postwachstumstheorie ist, wenn ich es richtig verstehe. Nur eben dann für alle Menschen. Ich frage mich, wie der Weg aussehen könnte, wenn Frauen* in ihren Tätigkeiten ähnlich bleiben, aber weniger diskriminiert werden sollen.
Habt ihr Ideen dazu?