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Eigentum als Auslaufmodell

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Eine neue Logik des Wirtschaftens ist notwendig – und machbar. Sie durchzusetzen ist zwar keineswegs einfach. Doch sowohl auf theoretischer Ebene als auch in vielfältigen gelebten Beispielen zeichnet sich immer klarer ab, wie eine sozial wünschenswerte und ökologisch tragfähige Ökonomie aussehen könnte.

Sie überwindet die dualistischen Vorstellungen von produktiver Arbeit und Sorgetätigkeiten, von Markt und Staat, von Individualismus und Gesellschaft, von Natur und Kultur und basiert stattdessen auf vielfältiger Verbundenheiten, Kooperation und Teilen. Darin steckt die Chance eines guten Lebens für alle. Das ist die zentrale Botschaft des Buches „Ecommony, UmCARE zum Miteinander“ von Friederike Habermann, das sowohl theoretisch fundiert als auch lebendig geschrieben ist.

Monetarisierung des Lebens

Gegenwärtige richtet sich die Gesellschaft in fast allen Bereichen auf eine wirtschaftliche Perspektive aus, die auf Knappheit und Eigentumslogik basiert: Nur wem etwas gehört, der darf es nutzen. Wer kein Geld hat, ist faktisch unfrei. „Zwar wird Hungernden nicht die Gleichberechtigung abgesprochen – doch was nützt ihnen dies, wenn sie sterben?“ fragt die Autorin und bringt damit den Zynismus einer Ideologie auf den Punkt, die trotz einer immer stärkeren Spaltung in arm und reich für sich in Anspruch nimmt, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit weltweit durchzusetzen.

Sorgearbeit gilt im Kapitalismus entweder als für den Wohlstand irrelevant – da unbezahlt, oder sie wird ausgelagert an unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen, um eine besser entlohnte Erwerbsarbeit vor allem von gut gestellten Frauen zu ermöglichen. In solch rein geldfixierter Perspektive kommt die Vielfalt des Lebens und der Bedürfnisse nicht vor: Ein Baby zu stillen ist weder Privatvergnügen noch Arbeit, sondern notwendig. Und warum soll es unproduktiv sein, ein Kind ins Bett zu bringen, während der Bau und die Anlieferung des Bettes als produktiv und somit wohlstandssteigernd gewertet werden?

Abschied vom Eigentum, nicht aber vom Besitz

Die Existenz von Eigentum erscheint heute als völlig selbstverständlich, ist in der Menschheitsgeschichte aber eine Ausnahmeerscheinung. Die Zeiten für einen Abschied sind günstig, meint Habermann und bezieht sich dabei etwas unkritisch immer wieder auf den US-Ökonomen Jeremy Rifkin: Die Grenzkosten für die Herstellung von Massenprodukten fallen immer weiter, Knappheit herzustellen erweist sich als immer schwieriger, während zugleich neue Techniken dafür sorgen, dass sich Kooperation vereinfacht. Softwareprogramme lassen sich genau wie Bildung oder Informationen teilen, ohne dass dem Ursprungsbesitzer dabei ein Verlust entsteht; im Gegenteil erhöht die Partizipation anderer häufig sogar den Nutzen. Inzwischen werden weltweit auch Gegenstände gemeinsam entwickelt und die Baupläne allen zur freien Verfügung gestellt; selbst Autos gibt es inzwischen als open source Baupläne.

Kooperation ist die optimale Strategie, „solange sie mit der Fähigkeit und Bereitschaft verbunden ist, im Falle einer Nichtkooperation des Partners unangenehm zu reagieren,“ so Habermann. Das war auch eine der zentralen Erkenntnisse von Elionor Ostrom, die 2009 als erste Frau den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen hat. Habermann aber zählt zur Gruppe der radikaleren Commons-Vertreterinnen: Sie sucht nicht wie Ostrom nach einer sinnvollen Ergänzung der gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftsweise, sondern will diese überwinden. Dabei bedeutet ihr Konzept von Solidarität keineswegs Verzicht auf Besitz: Wer in einer Wohnung wohnt, hat dauerhaft das Recht dazu, und wer ein Stück Land beackert, kann sich darauf verlassen, das auch langfristig tun zu können. Doch verkaufen oder vererben kann man solche Güter nicht – sie werden „seriell“ von denen genutzt, die sie aktuell im Besitz haben. Mit Gruppenzwang und Hintanstellen der eigenen Individualität hat das laut Habermann alles nichts zu tun, im Gegenteil. Auch beschränkt sich ihr Konzept nicht auf kleine, kuschelige Kreise. Dezentralität und Globalität gehören zusammen.

Einfach anfangen!

Ein Spaziergang in eine schöne Zukunft wird das alles freilich nicht, prognostitziert die Autorin. Schließlich gehen von den neuen Techniken auch immense Gefahren aus. Seit eh und je arbeiten Diktaturen an der Abschaffung des Verborgenen – und heute kontrollieren Internetkraken wie Google nicht nur unser Privatleben, sondern etablieren Normen für künftige Infrastrukturen und akkumulieren damit ungeheure Macht. Nicht fordern, nicht warten, sondern sich selbst für zuständig erklären und einfach anfangen, ist Habermanns Motto. Wenn die nächste Krise kommt und sich viele nach Alternativen umschauen, überzeugt nichts mehr als die gelebte Praxis.

Habermann, Friederike: Ecommony. UmCARE zum Miteinander. 2016. Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach im Taunus, 197 Seiten.

Das Buch ist zudem als Open Source PDF verfügbar.

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