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Die Welt ist nicht genug – oder doch?

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Nicolas Georgescu–Roegen war ein rumänscher Mathematiker und Ökonom. Sein besonderes Anliegen bestand darin, zu beweisen, dass es natürliche Wachstumsgrenzen gebe. Denn laut dem Wissenschaftler unterliegen auch Wirtschaftsprozesse den Hauptsätzen der Thermodynamik. Sind seine Überlegungen heute noch relevant?

“Die Welt ist nicht genug!”, so könnte man Georgescu-Roegens’s Grundaussage zusammenfassen: Ein Affront gegen die Mainstreamökonomie! Denn die behauptet in ihren einführenden Lehrbüchern, Wachstum sei für Volkswirtschaften notwendig und Wirtschaft funktioniere zudem in einem Kreislaufmodell, in dem Geldströme zwischen Unternehmen und Haushalten zirkulieren. Endliche Ressourcen spielen in dieser Betrachtungsweise keine Rolle. Wirtschaft wird in diesem Theoriegebilde zu einer Endlosmaschine, bei der die ökonomische Grundregel gilt: “Mehr ist immer besser als weniger!”. Diese Annahme hält Georgescu-Roegen jedoch nicht nur für falsch, sondern sogar für fahrlässig, denn sie lässt unendliches Wachstum möglich erscheinen. In seinem Paper “The Entropy Law and the Economic Process in retrospective” (1986, deutsche Übersetzung) legt er dar, warum die Hauptsätze der Thermodynamik auch für ökonomische Prozesse gelten. Auch durch ökonomische Prozesse entsteht Entropie.

Zur Erinnerung: Entropie entsteht, wenn verfügbare Energie in nicht verfügbare Energie umgewandelt wird. Dabei ist zu beachten, dass Entropie, also nicht mehr verfügbare Energie, stetig zunimmt. Der Energiegehalt bleibt dabei gleich. Ein Perpetuum mobile ist nicht möglich, denn es kann nicht mehr Energie erzeugt werden als umgewandelt wird. Wenn dieses Naturgesetz auch für Wirtschaftsprozesse gelten würde, macht eine Kreislauftheorie keinen Sinn mehr. Denn wenn Wirtschaftswachstum an den Verbrauch endlicher Ressourcen gekoppelt ist, ist die natürliche Wachstumsgrenze logischer Schluss.

Georgescu-Roegen geht in seinem Paper von einem quasi geschlossenen System Erde aus. Das heißt: Entropie findet nur innerhalb des Systems Erde statt. Ein offenes System würde hingegen bedeuten, dass sich der Entropiebegriff nicht nur auf die Erde beschränkt. Als Georgescu-Roegen sein Paper schrieb, war seine Sichtweise sicherlich nachvollziehbar. Über Photovoltaik zum Beispiel wurde zwar schon nachgedacht, jedoch wurde sie weder als effektiv, noch als effizient eingestuft. Natürlich räumt Georgescu-Roegen in seiner Argumentation ein, es habe schon immer Innovationen gegeben. Diese zögerten jedoch den Prozess der Entropie nur hinaus und lösten das Problem nicht.

Heute gilt eine Lösung für das Energieproblem als denkbar, bei der regenerative Energien die Energieversorgung von den endlichen Ressourcen entkoppelten. Besonders die Photovoltaik ist in dieser Hinsicht eine große Hoffnung: Das quasi geschlossene System Erde, welches Georgescu-Roegen noch annahm, öffnet sich. Durch die effiziente Nutzung der Sonnenenergie könnte die bis vor einiger Zeit noch nicht zur Verfügung stehende Energie verfügbar gemacht werden. So könnte die Energieversorgung ohne zeitliche Beschränkung für weitere Generationen gewährleistet werden. Er selbst schreibt dazu:

“Natürlich kann sich diese Situation jederzeit ändern. Jedoch ist bis dahin (…) die einzig angemessene Strategie (…), mit den fossilen Brennstoffen so haushalterisch wie nur irgend möglich umzugehen. Auf diese Weise würden wir mehr Zeit gewinnen, um ein sichereres (…) Verfahren zu (er)finden.” (Georgescu-Roegen, 1987)

Ein zweiter Blick auf die Photovoltaik verschärft die Problematik. Es wird suggeriert, dass durch regenerative Energien das gesamte Energieproblem gelöst werden könnte. Zwar könnte das Problem der endlichen Ressourcen durch Photovoltaik gelöst werden, jedoch wäre unendliches Wachstum auch hier nicht möglich. Denn Photovoltaikanlagen könnten nicht in unendlicher Menge aufgebaut werden. Da Wachstum Energie benötigt, wie Georgescu-Roegen herleitet, fällt es schwer, noch an unendliches Wachstum zu glauben. Insofern ist auch Georgescu-Roegens Anliegen heute noch aktuell. Denn er fordert, mögliche Innovationen nicht in die heutigen Zukunftspläne einzuberechnen, sondern möglichst sparsam damit umzugehen.

Die Hoffnung auf Innovation, um weiteres Wachstum zu legitimieren, ist bei näherer Betrachtung aber das eigentliche Problem, welches einer Lösung der Umweltmisere im Wege steht. Jede Effizienzsteigerung führte bis jetzt auch gleichzeitig zu mehr Wachstum, ergo mehr Verbrauch und nicht zu mehr Verzicht. Mit den richtigen Innovationen, so die Denkart, wäre die Welt endlich “wieder genug” – egal wie viele Menschen auf ihr lebten. Der “Rebound Effekt” fasst diese Logik mit der Hypothese zusammen, jede Effizienzsteigerung führe nicht zu Einsparungen, sondern zu Wachstum.

Georgescu-Roegen holt uns durch seine Betrachtungen auf den Boden der Tatsachen zurück. Das macht ihn auch heute noch aktuell. Denn er sensibilisiert uns dafür, wie komplex die Technologie und Effizienzdebatte ist: Der reine Glaube an Innovation legitimiert keinesfalls ein verschwenderisches Handeln. Neuer Fortschritt führt uns nicht in eine Welt unendlichen Wachstums. Selbst wenn das Ressourcenproblem gelöst werden könnte, ist unendliches Wachstum vor dem Hintergrund der Arbeit Georgescu-Roegens illusorisch. Er zeigt uns aber auch, dass wir bei allen Debatten um Effizienz und Wachstum nicht vergessen dürfen, dass sich das Verhalten des Menschen ändern muss. Eine Anleitung, wie wir die Probleme lösen, gibt er uns aber nicht.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Postwachstumsökonomie“ an der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

2 Kommentare

  1. Inwieweit thermodynamische Prozesse sich problemlos auf wirtschaftliche Wachstumsgrenzen anwenden lassen möchte ich gar nicht beurteilen. Viel mehr aber interessiert hierbei doch die am Anfang des Textes erwähnte Problemstellung: gängige Wirtschaftstheorien lassen die Fragen nach der Endlichkeit der Ressourcen einfach aus. Einerseits. Andererseits basiert die Ableitung der Notwendigkeit von Geld und freiem Handel ja wiederum aus der Annahme, dass eine prinzipielle Knappheit herrscht. Im Ergebnis des Handels- dem Wachstum- soll diese Knappheit von Ressourcen allerdings nicht mehr gelten. Georgescu-Roegens Theorie liefert hier einen möglichen Ansatz, wirtschaftliche Prozesse mit einem anderen Modell zu beschreiben.

  2. Oliver Richters sagt am 27. Dezember 2012

    Moin,
    besten Dank für den Beitrag. Die Aussage, Entropie sei „nicht mehr verfügbare Energie“ ist aber ungenau. Man kann allerdings sagen, dass bei jeder irreversiblen Umwandlung von Energie (die bei den meisten wirtschaftlichen Prozessen auftritt) eben die Entropie zunimmt.
    Die Annahme eines geschlossenen Systems Erde kann natürlich dank des Strahlungshaushalts der Erde nicht aufrecht erhalten werden. Andererseits ist der Entropieexport klar quantifizierbar und für eine gegebene Oberflächentemperatur der Erde beschränkt, was der Entropieproduktion auf der Erde Grenzen setzt. Die prinzipiellen Aussagen Georgescu-Roegens lassen sich also auch auf heutige Technologien verallgemeinern.
    Gruß
    Oliver Richters

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