Anna Holthaus ist Vorstandsmitglied der BUNDJugend. Seit 4 Jahren engagiert sie sich in der BUNDJugend dafür, die Schritte für einen sozial-ökologischen Transformationsprozess und eine Gesellschaft ohne Wachstum anzusteuern. Erfreulicherweise ist die BUNDJugend ein wichtiger Unterstützer der Degrowth-Konferenz in Leipzig. Im Rahmen der Interviewreihe des Projekts „Stream towards Degrowth“ blickt Anna Holthaus aus der Zukunft auf die Zeit der Wachstumswende zurück:
Stellen Sie sich vor, wir erleben eine Zeit „des guten Lebens“ jenseits des Wachstums. Blicken wir dann, sagen wir im Jahre 2030, auf die vergangenen Jahrzehnte zurück.
1. Inwiefern war unsere Gesellschaft wachstumsabhängig?
Unsere Gesellschaft baute auf einem generellen Irrtum auf: In der Natur ist Wachstum begrenzt, Menschen wachsen, Bäume sprießen, aber irgendwann sind sie „ausgewachsen“. Wir dachten jedoch lange Zeit, dass dies bei der Wirtschaft anders sei. Sie sollte immer weiter und weiter wachsen – die Produktion, der Umsatz, die Zahl der Beschäftigten eines Unternehmens, die Auswahl an Produkten und unser Verbrauch. Das Wirtschaftswachstum war so zum Ziel unserer Entwicklung und dem Anliegen der Politik geworden und unsere Gesellschaft wurde wachstumsabhängig. Die natürlichen Ressourcen und Rohstoffe der Erde sind jedoch endlich. Das auf Wachstum fixierte Wirtschaftssystem musste also früher oder später zwangsläufig an die ökologischen Grenzen unseres Planeten stoßen.
2. Welcher Art waren die Hindernisse, die einer Wachstumswende im Wege
standen?
Neben Wachstumszwängen in unserem Wirtschaftssystem waren die größten Hindernisse unsere Köpfe selbst: Der Traum einer Effizienz-Revolution und der Glaube an Mythen des Wirtschaftswachstums wie Stabilität, Arbeitsplatzsicherung und Wohlstand. Wir dachten viel zu lange, dass Wirtschaftswachstum für „gutes Leben“ sorgen würde. Alternativen zu denken oder gar zu leben, fiel den meisten Menschen in dieser schnelllebigen Konsumgesellschaft von damals schwer.
3. Wie hat Ihr Handeln zu einer Gesellschaft jenseits des Wachstums
beigetragen?
In den Projekten und Aktivitäten der BUNDjugend stellten wir uns gemeinsam die Fragen: Was bedeutet Glück und Wohlstand für uns überhaupt? Wie kann eine zukünftige Gesellschaft aussehen und was können wir im Kleinen ändern? Wir schauten uns damals andere Lebens, Wohn- und Arbeitsformen an, probierten neue alternative Lebensstile aus und Stück für Stück veränderte sich dadurch unser Denken und Handeln.
4. Was macht für Sie das „gute Leben“ innerhalb einer Gesellschaft mit bewusst geringem Produktions- und Konsumtionsniveau aus?
Mit dem Recht auf Suffizienz, erfanden wir Wohlstand neu. Dies brachte uns ein neues Miteinander: Neue Besitzformen, Tauschsysteme und veränderte Zeitverwendungen führten dazu, dass wir nun wieder mehr mit unseren Freund*innen, Familien und Nachbar*innen verbringen können, wieder mehr Zeit für unsere Hobbys haben und auch die Kleine Dinge wieder genießen können.
5. Welche Anzeichen für eine Welt jenseits des Wachstums gab es schon
2013?
Schon im Jahr 2013 gab es viele Anzeichen: An Universitäten und in WG-Küchen wurden neue Gesellschafts-, und Wirtschaftsformen diskutiert, übers Internet entstanden unterschiedlichste Tauschzirkel und viele kleine lokale Projekte zeigten die Möglichkeit eines anderen Lebens und Wirtschaftens. Diese gelebten Utopien ebneten den Weg für eine Welt jenseits des Wachstums!
Anna, vielen Dank für das Interview!