Eine Analyse der Wahlprogramme mit Fokus auf die E-Mobilität
Ich wurde gefragt, ob ich mir nicht einmal die Wahlprogramme der Parteien hinsichtlich Klimaschutz anschauen wolle. Ich fand dies zunächst wenig inspirierend, da man viel versprechen kann, die Programme kaum jemand liest und man sich die Rundumschläge an Verlautbarungen zu allen möglichen Themenbereichen sowieso kaum merken kann.
Interessant fand ich das Thema E-Mobilität, auf das mich im Folgenden fokussieren möchte. Diese ist aus meiner – weiter unten begründeten – Sicht das Paradebeispiel einer absolut verfehlten neuerlichen Technikverfallenheit, die sich bei Parteien, Industrie und Konsumbürger/innen im Zuge der Herausbildung einer grünen GroKo-„Avantgarde“ zu etablieren scheint. Diese Allianz reicht bis zur EU-Kommission, die im Programm Fit for 55 der E-Mobilität durch das Verbot von Verbrennerautos ab 2035 und durch Vorschriften für die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur zum Durchbruch verhelfen möchte. In diese Richtung geht auch die auf dem letzten deutschen Autogipfel beschlossene neuerliche Subventionierung von rund einer Milliarde Euro. Die Durchsetzung der E-Mobilität wird in der Forschung, der öffentlichen Infrastruktur und einer Investitionsoffensive der (Finanz-) Industrie zu einer Pfadabhängigkeit führen, die den Klimanotstand verschärft und von der Notwendigkeit einer den Ressourcenverbrauch einschränkenden Postwachstumsökonomie bisher sehr erfolgreich und nicht zuletzt dank eines steuerlich auch noch absetzbaren Dauertrommelfeuers für E-Mobilität ablenkt.
Der Blick in die Wahlprogramme
Doch was steht nun im Detail in den Wahlprogrammen zum Thema E-Mobilität? Ich habe mich dafür auf Ausschnitte der Programme zum Bereich Verkehr konzentriert.
Die AfD tritt, auf den ersten Blick vorbildlich, für den Erhalt heimatlicher Wälder ein, in denen keine Windkraftanlagen gebaut werden sollen, und sie weist auf die mangelnden Stromkapazitäten und die hohen Umweltbelastungen bei der Batterieproduktion der E-Autos hin. Leider erfolgen diese Aussagen im Rahmen einer letztlichen Leugnung des Klimawandels, und die AfD ist entsprechend pro Braunkohle, pro Verbrennungsmotor, pro Atom und contra jegliche „Planwirtschaft“ des Green Deals der EU.
Die FDP ist zwar für den Ausbau der (Schnell-) Ladesäulen, aber gegen Kaufprämien und für einen europaweiten CO2-Emissionshandel des gesamten Verkehrssektors. Technologieoffenheit ist Trumpf, auch Flugtaxis gehören dazu. Von Begrenzungen des Verkehrs oder präzisen Minderungsangaben ist außer dem wohlfeilen Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen keine Rede.
Die CDU/CSU bekennt sich zum 1,5-Grad-Ziel, ist aber gegen Tempolimits und Dieselfahrverbote. Technologieoffenheit ist auch für sie der Leitwert, schließlich soll ihr zufolge der „Automobilstandort Deutschland gesichert“ werden.
Auch für die SPD soll „die Automobilindustrie Leitindustrie bleiben“, aber sie tritt für einen Umweltbonus und ein Tempolimit ein und will bis 2030 15 Millionen E-Automobile auf deutschen Straßen sehen.
Bündnis 90/Die Grünen gestehen zu, das Auto werde für viele weiterhin wichtig sein. Sie wollen aber u.a. bis 2030 die Fahrgastzahlen des ÖPNV um 50 % erhöhen und alsbald Tempolimits einführen. Ab 2030 sollen nur emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden, und ihr Anteil soll dann wie bei der SPD bei 15 Millionen Fahrzeugen liegen, um einen klimaneutralen Autoverkehr und das 1,5-Grad-Ziel anzusteuern. Desweiteren sollen mit gewisser Kaufförderung unterstützte „klimafreundliche Autos“ mit einem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur einhergehen.
Die Linke spricht sich gegen Kaufprämien und für den weitgehenden Übergang zum öffentlichen Verkehr aus. Elektro-Autos sind im Prinzip nur für Handwerker*innen und als (öffentliche) Einsatzfahrzeuge auf den Straßen vorgesehen. Der ÖPNV soll hierzu unterstützend kostenlos sein, und es soll Tempolimits (120/80/30) geben.
Neben der Linken ist nur die ÖDP für eine eindeutige Begrenzung des PKW-Verkehrs. In Städten soll maximal ein Drittel des bisherigen Autoverkehrs bis 2035 als Zielwert im Rahmen eines von der ÖDP geforderten allgemeinen Stopps des Wachstumszwangs erreicht werden.
Wie passt dies mit dem Vorschlag der EU-Kommission zusammen?
Der kürzlich vorgestellte, vorläufige Vorschlag der EU-Kommission (Fit for 55), der bereits innerhalb der Kommission sehr umstritten ist, sieht derzeit einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2035 vor. Die Flottenemissionen sollen bis 2030 um 55 % reduziert werden und für jedes Gramm zu viel fallen 95 Euro Strafe für jedes Fahrzeug an. Allerdings: Der individuelle Grenzwert eines Neuwagens orientiert sich am Fahrzeuggewicht. Schwerere Autos dürfen mehr CO2 ausstoßen. Ferner werden Modelle wie E-Autos mit weniger als 50 g/km bis 2022 mehrfach angerechnet und Produzent*innen von Luxusautos wie McLaren und Aston Martin sind als Hersteller mit unter 1000 Neuzulassungen pro Jahr von Strafzahlungen ausgenommen.
Fazit
Die außer von der Linken und der ÖDP skeptisch beurteilte E-Mobilität ist angesichts eines nicht mehr bestehenden oder minimalen Emissions-Restbudgets klimapolitisch unverantwortlich. Sie verhindert eine wirkliche Veränderung unseres individualkonsumistischen Lebensstils, denn es gilt weiterhin: freie Fahrt für e-mobilisierte Bürger*innen und Konzerne. PKW müssten eigentlich weltweit so schnell wie möglich weitgehend verschwinden und durch in kurzer Taktung bis in die letzten Winkel fahrenden Sammeltaxis – wie seit Jahrzehnten in der Türkei erprobt – in Kombination mit minimalem Carsharing ersetzt werden. Weniger Feinstaub, weniger Raubbau an der Natur, weniger Lärm, weniger Verletzte und Tote, weniger Stress und Stau, weniger Kosten für Autobesitzer wären das Ergebnis. Der Stillstand dank E-Mobilität sollte sobald wie möglich beendet werden! Die Wahlprogramme der hier benannten Parteien sehen dies leider (noch) nicht vor und treiben uns kostspielig in eine völlig falsche Infrastruktur.