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Zusammenbringen, was zusammengehört?

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Das Buch „Was Bits und Bäume verbindet – Digitalisierung nachhaltig gestalten“, herausgegeben von Vivian Frick und Anja Höfner im oekom Verlag, beantwortet diese Frage, indem es Themen der Konferenz „Bits & Bäume“ aufgreift und Beteiligte zu Wort kommen lässt. Über 2000 Menschen sind am 17. und 18. November 2018 am Campus der TU Berlin zusammengekommen, um sich zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit auszutauschen, zu informieren und zu vernetzen. Es geht dabei vor allem um gemeinsame Werte wie globale (Klima-) Gerechtigkeit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Umbrüche, die mit der Digitalisierung aktuell und in den nächsten Jahren einhergehen, sind so weitreichend, dass die Berücksichtigung der jeweils anderen Bewegung und ein Vernetzen beider dem Autor*innenkreis notwendig erscheint. So die Idee des Trägerkreises der Konferenz bestehend aus Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Chaos Computer Club, Deutscher Naturschutzring, Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, Germanwatch, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Open Knowledge Foundation Deutschland und Technische Universität Berlin. Die Konferenz war hierfür der Auftakt einer Zusammenarbeit, die seitdem durch Veranstaltungsreihen und Stammtische weiterverfolgt wird (mehr dazu hier; Aufzeichnungen der Konferenz sind hier zu finden).

Der Aufbau des Buchs verläuft in seinen fünf Themenbereichen vom Wissen zum Handeln. In den Kapiteln „Sozial-ökologische Auswirkungen der Digitalisierung“ und „Datenschutz und Umweltschutz“ werden überwiegend inakzeptable Zustände und Fehlentwicklungen vorgestellt. Anschließend werden in „Macht, Märkte, Monopole“ und „Alternatives Wirtschaften“ verstärkt positive Bilder gezeichnet, wie es gehen kann, ehe das abschließende Kapitel „Nachhaltigkeits- und Tech-Bewegung: Organisiert euch!“ zunächst die Konferenz und die Zusammensetzung ihrer Teilnehmer*innen reflektiert und schließlich in elf Forderungen eine Agenda für eine nachhaltige Digitalisierung aufstellt.

Der Sammelband ist ansprechend illustriert und mit interessanten Grafiken geschmückt. Schon das Design macht Leser*innen klar, dass sie hier nicht nur eine Zusammenstellung informativer Beiträge in den Händen halten, sondern dass das Werk mehr sein möchte, ein Katalog verschiedener Ansätze, Anknüpfungspunkt für zukünftige Arbeit und Rückschau auf die gemeinsame Konferenz. Immer wieder finden sich Info-Seiten, die beispielsweise über „Digitalisierung und Postwachstum“ (Nina Treu und Matthias Schmelzer) oder „Streaming heizt unserem Planeten ein“ (Felix Sühlmann-Faul) informieren. In Porträts werden Initiativen, Organisationen und Unternehmen vorgestellt, die bereits an einer nachhaltigen Digitalisierung arbeiten.

Die Gestaltung unterstreicht damit den Inhalt. Das Werk ist eher eine übersichtliche Darstellung der verschiedenen Wirkungsfelder der Digitalisierung als eine vertiefte wissenschaftliche Analyse. Das ist zum einen an der Länge und Themenvielfalt der meist zwei- bis dreiseitigen Beiträge festzumachen. Zum anderen bieten die Beiträge inhaltlich einen spannenden Einstieg auch für Leser*innen, die sich dem Thema erstmalig nähern und sich zunächst einen Überblick über die Anknüpfungspunkte der Themenbereiche verschaffen möchten. Auch die aktive Vernetzungsfunktion wird durch den Aufbau des Sammelbands unterstrichen. Das wird spätestens im letzten Kapitel deutlich, in dem die Konferenz reflektiert wird und der Trägerkreis schließlich eine „Agenda für eine nachhaltige Digitalisierung“ in elf Forderungen zusammenstellt und damit den Übergang vom Wissen zum Handeln verdeutlicht.

Besonders spannend ist der Sammelband im dritten und vierten Kapitel, in denen nachhaltige Realisierungen einer Digitalisierung vorgestellt und diskutiert werden. So wird in Andrea Vetters und Nicolas Guernots Beitrag „Digital Konvivial“ das Konzept der konvivialen Technik erläutert: „Eine Technik […], die der Entfaltung jedes einzelnen Menschen in lebendigen Beziehungen miteinander dient“. Sie wird abgegrenzt zur laut den Autor*innen aktuell vorherrschenden „imperialen Technik“ und es werden drei Strategien zur Transformation in eine Postwachstumsgesellschaft vorgestellt und auf digitale Technik bezogen: 1. Freiräume ausbauen, 2. revolutionäre Reformen, 3. Widerstand gegen zerstörerische Wirtschaftsaktivitäten.

„Freiräume könnte dabei in Bezug auf digitale Technik bedeuten, dass Repaircafés mit Hackerspaces fusionieren und in jedem Dorf und Stadtteil zur Normalität gehören. Revolutionäre Reformen wären, öffentliches Geld (wie in der Wissenschaft, in Verwaltungen und kommunalen Betrieben) nur für Freie Software und für Menschenrechte und Ökostandards beachtende Hardware auszugeben – also in der Regel für gebrauchte Geräte. Widerstand bedeutet schließlich, Kämpfe gegen Extraktivismus vor allem im Globalen Süden zu unterstützen. Im Globalen Norden heißt es vor allem, aktiv zu werden gegen kommerzielle Plattformen und Datenkontrolle.“

(Höfner & Frick 2019, S. 104)

Der Sammelband „Was Bits und Bäume verbindet“ hält die gleichnamige Konferenz inhaltlich und atmosphärisch fest. Herausgekommen ist ein sehr anschaulicher und inspirierender Katalog von Themenfeldern einer nachhaltigen Digitalisierung, kombiniert mit der Vorstellung interessanter Projekte. Das ist für jede*n interessant, die*der das Thema in seiner Breite erfassen oder aktiv werden möchte. Wer auf der Suche nach detaillierter Analyse von aktuellen und drohenden Folgen oder zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung ist, findet in dem Werk Auftaktpunkte und Zusammenfassungen, die durch Lektüre weiterführender Texte der Autor*innen vertieft werden können, ist jedoch mit ausführlicheren Monografien von Teilgebieten der Thematik vermutlich besser beraten.

Anja Höfner & Vivian Frick (Hrsg.) (2019): Was Bits und Bäume verbindet. Digitalisierung nachhaltig gestalten, München: oekom Verlag.

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