Rezensionen

Zeit für Verantwortung

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Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt, so der Untertitel des Bandes economists4future, der von Lars Hochmann herausgegeben wurde. Der wirtschaftswissenschaftliche Mainstream bleibe seinen Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation bislang schuldig, lautet die Kritik, die sich durch das Buch zieht. Die Autor/innen zeigen aber auf: Dieser könnte immens sein. Das Buch richtet sich an ein breites, wenngleich akademisch vorgeprägtes Publikum. Es möchte sensibilisieren für das inhärent Politische der Wirtschaftswissenschaften. Es geht hier nicht nur um die Beschreibung einer Gegenwart, sondern das Entwerfen von Zukünften. Vorgelegt wird somit nicht nur ein Neuaufguss der Kritik am Bestehenden, sondern auch eine bedachte, reflektiert-optimistische Konkretisierung und Erweiterung der fünf Dimensionen transformativer Wirtschaftswissenschaften (nach Schneidewind und Kolleg/innen).

economists4future reflektieren ihre praktische Wirkungsmacht #reflexivität; legen ihre Annahmen offen #transparenz; verständigen unterschiedliche Perspektiven #diversität; beziehen Betroffene ein #partizipation; ermöglichen eine bessere Gesellschaft #befähigung. Entsprechend des Ziels der Substantiierung werden die fünf Dimensionen jeweils aus der Perspektive der drei zentralen Handlungsfelder von Hochschulen, also Lehre, Forschung und Dialog, beleuchtet. Die 15 Beiträge der 25 Autor/innen entstammen dabei selbst dem heterodoxen wirtschaftswissenschaftlichen Spektrum, darunter so etablierte Namen wie etwa Maja Göpel oder Reinhard Loske. Mit Laura Porak, Johanna Hopp und Theresa Steffestun sind erfreulicherweise auch weibliche Nachwuchswissenschaftlerinnen und somit auch die Nähe zur Studierendenperspektive vertreten (#diversität). Auch das annähernd ausgeglichene Geschlechterverhältnis zwischen den 25 Schreibenden fällt in diesem Zusammenhang positiv auf.

Hier kommen Menschen zu Wort, die sowohl im Denken als auch im eigenen Handeln beitragen möchten zu gesellschaftlichem Wandel, möglichst konkret und reflektiert zugleich. So fragt Roland Hartz in seinem Beitrag zur #transparenz in der Forschung nicht nur nach wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen, sondern auch nach der Rolle und Verantwortung von Sprache und Sprechenden in der wissenschaftlichen Praxis. economists4future müssen demnach wissenschaftliche Erkenntnisse für ein erweitertes Publikum verständlich machen, „ohne dabei die Wissenschaftlichkeit selbst zu verlassen.“ Darüber hinaus gelte es, einen bewussten Umgang mit rhetorischen Mitteln und ihrer Wirkmacht bei der Beschreibung von Welt zu kultivieren. In den Beiträgen zur „dritten Mission“ wird klar, dass sich auch die Hochschulen selbst verändern müssen. Sie sollen Orte sein, so Marlen Arnold und Katja Beyer, an denen Verantwortlichkeit realisiert und getragen sowie sozialökologisches Engagement gezeigt wird. Reinhard Loske fordert entsprechend, den Dialog nicht als etwas „Drittes“, also Zusätzliches, zu verstehen, sondern als etwas im umfassenden Sinne Integrales.

economists4future liefern einen wichtigen Anstoß, indem sie randständige Positionen und Gedanken in die Dynamik der for-Future-Bewegung einreihen. „Wirtschaft neu denken“ lautet die Aufforderung des letzten Kapitels. Die übersichtliche Strukturierung des Buches sowie der abschließende Appell verstärken den Aufforderungscharakter und dürften so manche Leser/innen ermutigen, selbst aktiv zu werden.

Lars Hochmann (Hrsg.): economists4future. Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt. Murmann, 2020.

 

Diese Rezension ist zuvor bereits in der ÖkologischesWirtschaften – Ausgabe 1/2021 (Vol. 36) erschienen.

1 Kommentare

  1. Klaus Rehberg sagt am 31. Mai 2021

    Die Wirtschaftswissenschaften haben ein grundsätzliches Problem das ihr Metier nach naturwissenschaftlichen Kriterien kein Wissenschaft ist, sondern eher in den Bereich der Theologie gehört. Die Grundlage allen Denkens in der Ökonomie dreht sich um Werte und wie man diese bemisst und verteilt. Werte an und für sich gibt es aber nur in so fern als das wir den Dingen die für uns Bedeutung haben einen Wert zuschreiben. In dem der Mensch seine Welt bewertet und beurteilt z.B. ob etwas schön oder nützlich ist oder gefährlich, verhält er/sie sich zur Welt. Das Mensch aber Dinge oder Menschen abstrakt in Wert setzt, ihnen einen Preis gibt das dem Ding als solches nicht anhaftet ist eine mystische Praxis ähnlich der von Esoterikern die einem Kristall Kräfte zuschreiben die er an und für sich nicht haben kann. Ganz besonders betrifft dies auf den ökonomischen Fetisch Geld selber zu. Nur weil alle Menschen an seinen Wert und die damit verbundene Kaufkraft glauben funktioniert die ökonomische Praxis. Denn das Geld selber ist fast völlig wertlos. Diese irre reale Praxis sozialer Interaktion und Kommunikation zwischen anonymen Menschen existiert nur deshalb, weil der Mensch seinesgleichen Misstraut. Eine solidarische friedliche egalitäre menschliche Gesellschaft aber wird sich niemals etablieren können, solange die Gründe bestehen bleiben die zu einer Misstrauenskultur geführt haben.
    Der Mensch ist ein soziales Tier und kann sich nur psychisch gesund entwickeln in sozialen Verhältnissen in denen er/sie vertrauen kann. Ohne Vertrauen wird der Mensch psychotisch. Der Mensch ist somit von Natur aus auf andere Menschen angewiesen. Das Ich ist nicht ohne dem Du das mein so-Sein Spiegelt und in dem Ich mich von Du abgrenze (Differenziere) weis das Ich wer er/sie ist. Das Ich an und für sich gibt es nicht. Daher ist die Idee der Freiheit als Idee der Autonomie als Unabhängigkeit von anderen Menschen absolut bescheuert. Es ging den Menschen um Befreiung von Bevormundung. Das liberale Bürgertum mit seinem Eigentumsanspruch der auf Ausgrenzung beruht hat aus diesem Befreiungskampf aus der Unfreiheit des Feudalismus eine Freiheitsanspruch entwickelt den es ohne einen institutionellen Rahmen gar nicht geben kann und letztlich eine einzige Lebenslüge ist, an die wir glauben, weil das kulturelle narrativ der individuellen Freiheit ständig wiederholt wird.
    Der Beginn der Zivilisation fällt mit der Durchsetzung patriarchaler Gesellschaftsstrukturen zusammen. Kein Mensch will von anderen Menschen bevormundet werden. Freiheit bedeute daher das nicht vorhanden sein von jeglicher Form der Herrschaft, also von hierarchisch strukturierten Organisationsformen. Der Wille die Welt und Menschen kontrollieren zu wollen ist der Beginn der Mathematik. Es ging am Anfang um Berechenbarkeit im weitesten Sinne. Was Mensch berechnen kann erschien auch kontrollierbar. Diese Logik verselbstständigte sich im Laufe von Jahrtausenden und gipfelt in dem was wir Heute als Ökonomie bezeichnen. In dieser Zeit veränderten wir die wirkliche Welt die von sich aus ist und die der Mensch fast 2 Millionen Jahre behauste, in eine reale Welt die wir aufgrund von Glauben und Ideen und deren Umsetzungen in reale Praktiken als Kulturräume weitestgehend pragmatisch umfunktionierten. Wir verhalten uns zu dieser Kultur als sei sie Natur, weil wir Menschen uns auch von der Menschennatur entfremdet haben. Wenn die Menschheit eine Lebenswelt haben will die auf Dauer tragfähig ist, dann müssen wir zu aller erst die Welt und Menschenbilder hinterfragen und die Lebenslügen auflösen die mit diesen irren Welt und Menschenbildern verknüpft sind. Eine nur andere Praxis wird nichts ändern können da das kulturelle Konstrukt Moderne das Wesen Mensch überfordert und nichts an den grundsätzlichen Fehlentwicklungen ändert. Der Ausgangspunkt des liberal bürgerlichen kapitalistischen Systems ist das negative Menschenbild das schon im patriarchalen Monotheismus angelegt ist. Das Bild vom Menschen das die modernen Naturwissenschaften in den letzten 30 Jahren von uns Zeichen steht in einem völligen Widerspruch zu den Lehrmeinungen die unsere Kultur begründen. Dies sollten wir endlich ernst nehmen. Würden wir das tun müssten sich unsere Verhältnisse, unser Kulturen von Grund auf ändern.

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