Wir laden Sie ein, mit uns den Weg in eine Postwachstumsgesellschaft zu diskutieren, an der bisherigen Kritik am Wirtschaftswachstum anzuknüpfen und diese zu erweitern. Rufer in der Wüste der Wachstumsfetischisten gibt es mindestens seit den 1970ern. Einer ist Prof. K. Biedenkopf. Wir haben uns deshalb sehr gefreut, dass er unser Buch am 7. September 2010 in Berlin vorgestellt hat. Ihn hat in den späten 1970er Jahren die exponentielle Wirkung ständigen Wirtschaftswachstums aufgeschreckt und er plädiert seitdem für eine Abkehr vom Wachstumsparadigma. In dem Buch Postwachstumsgesellschaft geht es uns darum, die systemischen Zwänge für Wirtschaftswachstum aufzudecken und Ansatzpunkte zu nennen, um diese Zwänge zu überwinden. Dies führt zu Themen und Bereichen, die bislang wenig oder kaum in Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum gebracht wurden: z.B. die Alterssicherung und das Gesundheitswesen, die Unternehmensverfassung, Bildung und Partizipation. Die Zeit ist reif für eine vorurteilsfreie Aufarbeitung des Wachstumsparadigmas und Ideen für seine Überwindung – dies zeigte uns auch das grosse Interesse an der Buchpräsentation in Berlin. Ansatzpunkte für einen Übergang gibt es, aber vor allem einen grossen Bedarf an Diskussion, Forschung und weiteren Handlungsschritten. Änderungen kommen von unten, so Kurt Biedenkopf, und aus kleinen Welten, so Joachim Radkau, Autor eines Beitrages in unserem Buch Postwachstumsgesellschaft. Wenn der Blog zu einer solchen kleinen Welt würde… was wollten wir mehr.
Irmi Seidl und Angelika Zahrnt
Das „Aufdecken systemischer Zwänge“ oder das Postulieren „eindeutiger Theorien“ bringt uns – ohne die „Richtigkeit“ im Einzelfall zu bezweifeln – eher in das Abseits des Besserwissers, der es ja schon immer gewusst hat.
Das Buch zeigt deutlich, wie sehr das Wachstumsparadigma in alle Bereiche unserer gesellschaftlichen Organisation eingedrungen ist. Statt Rezepte zu verteilen, sollten wir vor allem die offenen Diskussion führen.
Die „große Frage“ ist m.E. weniger, den Leuten das „richtige“ Denken beizubringen oder ihnen klar zu machen, dass sie „falsch“ handeln, sondern Ansatzpunkte zu finde, die „Dinge“ zu verändern.
Anerkennung von Subsistenzarbeit, von bürgerschaftlichem Engagement, Stärkung des Gemeineigentums, andere Einkommensformen, es gibt viele konkrete Bereiche über die sich Veränderungen anschieben ließen. Besonders erschwerend kommt hinzu, dass der „Grundkonsens unserer Republik“ (soziale Marktwirtschaft als Erfolgsmodell) den Irrtum beinhaltet, das Bedürfnis „mehr Sein“, könne durch „mehr Haben“ befriedigt werden.
Zudem vergessen wir in der Konzentration auf die „äußeren Dinge(!)“ allzu gern, wie sehr sich dass Wachstumsparadigma in unseren Köpfen breit gemacht hat. Solange etwa in unseren Köpfen die Wertigkeit eines Mannes mit der PS-Zahl seines Autos oder seinem beruflichen „Erfolg“ ansteigt, wird es schwierig diese Projektion in der Außenwelt zu verändern (umgekehrt: Umgekehrt).
Der Schweizer NationalÖkonom H.C.Binswanger
rechnet in seinem Buch „Geld und Wachstum“(1994)
anhand eines WirtschaftsModells vor:
„Eine Wirtschaft mit Geld und Zins muss wachsen(=zunehmen)
oder zusmmenbrechen;
ein Lauf auf gleichbleibender Höhe ist nicht möglich“
Das erhärtet die Theorie von Herrn Thomas Nolte
(voriger Kommentar).
„die systemischen Zwänge für Wirtschaftswachstum aufdecken“
Hängen diese Zwänge nicht auch ganz entscheidend mit der Zinswirtschaft zusammen? Die einen werden immer reicher durch leistungsfreies Einkommen und die anderen müssen die Zinsen dafür aufbringen. Laut INWO (www.inwo.de) lasten auf den meisten Produkten etwa 30 % Zinsen, weil die gesamte Produktionskette auf Kredit finanziert wird. Damit die Zinsen, und damit die leistungsfreien Einkommen, für die Empfänger wie ein Quell weitersprudeln können, muss immer mehr produziert werden. Eine tödliche Spirale!