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Wie gestalten wir Städte jenseits des Wachstums?

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Auf der Suche nach der Postwachstumsstadt

Seit zehn Jahren verdichten sich die Auseinandersetzungen um die zerstörerischen Auswirkungen kapitalistischen Wirtschaftswachstums und Alternativen zu dessen Überwindung unter den Begriffen Degrowth und Postwachstum (Brand/Krams 2019). Angesichts sich zuspitzender ökologischer, sozialer und kultureller Krisen kommt Städten dabei eine besondere Rolle zu: zum einen als Stätten der Expansion, Akkumulation und Stabilisierung von Wachstumsimperativen – zum anderen als Orte des Neuen, in denen zukunftsfähige Praxen und gelebte Utopien zum Vorschein kommen (vgl. Brocci 2016).

Was neben allen sicherlich wichtigen Versuchen, Nachbarschaften sozial-ökologisch gerecht umzugestalten oder Warenkreisläufe urban zu organisieren letztlich jedoch fehlt, ist eine grundsätzliche, umfassende und kritische Perspektive auf unser Verständnis von Stadt, Stadtplanung und Stadtgestaltung. Wie können urbane Räume und Gesellschaften unter und jenseits von ökonomischen Wachstumszwängen so gestaltet werden, dass allen ein gutes Leben ermöglicht wird? Ist eine Post-Wachstumsstadt denkbar, die von Wachstumslogiken entkoppelt ist? Und wird diese letztlich by design oder by disaster realisiert?

Wenn wir Städte als Räume der ständigen gesellschaftlichen (Re-)Produktion denken, sollten Perspektiven und Strategien des sozial-ökologischen Umbaus der Städte als relevante Ansatz- und Hebelpunkte für globale gesellschaftliche Transformationen erkannt und diskutiert werden (Meadows 1999; WBGU 2016). Insbesondere für die Umsetzung konkreter Postwachstumspolitiken mit Mikro-Makro-Wechselwirkungen, also für ein „Wechselspiel zwischen Druck von unten und institutioneller Verbesserung des Rahmens“ (Adler/Schachtschneider 2017: 11) erscheint die Bedeutung von Stadtforschung und -planung unerlässlich. Wir schlagen für diese Diskussionen drei Richtungen vor, die natürlich ergänzt werden können und sollen: Erstens eine Perspektive auf Degrowth in urbanen sozialen Bewegungen; zweitens auf die Institutionalisierungsformen und -bedingungen von Postwachstumsansätzen in städtischen Politiken; und drittens auf Narrative einer anderen Stadt-Gestaltung.

Die erste inhaltliche Richtung behandelt das städtische Mosaik der Alternativen, also die Möglichkeitsräume, die von sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen ausgehandelt und eröffnet werden. Hier fragen wir: Welche Rolle spielen urbane Pionier*innen, Nischenprojekte und alternativ-ökonomische Strömungen für die Transformation von Nachbarschaften, Stadtteilen oder ganzen Städten? Wie verhalten sich konkrete Projekte zu abstrakten Ideen der Suffizienz oder Subsistenz? Von Interesse sind dabei die Pfade der Transformation, Brückenschläge zwischen Bewegungen sowie Strategien der Ausweitung und Absicherung, die von Alternativen gewählt werden (vgl. Burkhart et al. 2017; Stellmacher/Brecht 2017).

Das Paradigma endlosen Wachstums ist besonders wirkmächtig, da es unter anderem auch von politischen und wirtschaftlichen Institutionen verkörpert wird. Insbesondere kommunale und städtische Institutionen wie Stadtverwaltungen oder kommunale Unternehmen sind auf verschiedene Weise Bestandteil von Wachstumslogiken, etwa über Standortwettbewerbe. Daher liegt hier der Fokus auf Fragen nach Handlungsspielräumen von kommunalen Akteur*innen: Wie äußern sich die Zwänge, unter denen Stadtplanung und -verwaltung agieren? Wie versuchen die Akteur*innen damit umzugehen und ihre Handlungsspielräume zu vergrößern? Welche Veränderungen von Rahmenbedingungen braucht es, um diese Zwänge abzubauen (vgl. Mayer 2016; Schipper 2013)?

Schrumpfung wirkt als ein omnipräsenter Alptraum unserer Gesellschaft. In unserem Alltag hat sich daher eine Vorstellung unendlichen Wachstums tief verinnerlicht, die als mentale Infrastrukturen unsere Wünsche und Anforderungen an Städte beeinflussen. Inwiefern haben unsere Konzepte von (Stadt-)Entwicklung zerstörerische Auswirkungen auf das globale Ökosystem? Und: Welche alternativen kulturellen Leitbilder gilt es zu beleben, um einen Wandel in unseren Köpfen zu erleichtern? Wie können städtische Orte zur Transformation der alltäglichen imperialen Lebensweise beitragen (vgl. Brand/Wissen 2017, Welzer et al. 2016)?

Als Raum für diese notwendigen Diskussionen schlagen wir (zunächst) eine Konferenz vor: Die Konferenz „Postwachstumsstadt. Perspektiven des sozial-ökologischen Wandels der Stadtgesellschaft“ findet am 10. und 11. Mai 2019 an der Bauhaus-Universität Weimar statt und wird gefördert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen und RENN.mitte. Mit der Bauhaus-Universität findet die Konferenz an einem Ort statt, der wie kaum ein anderer für progressive Architektur, Gestaltung und Planung steht – und damit auch für eine wirkmächtige Erzählung von Fortschritt und Rationalität. Genau einhundert Jahre nach seiner Gründung verstehen wir das Bauhaus als Institution mit gesellschaftsgestaltendem Anspruch und politischer Verantwortung. Vielfältige Visionen der sozial-ökologisch gerechten Entfaltung städtischer Lebensräume wollen wir daher ganz bewusst an der Bauhaus-Universität in gemeinsamen Diskussionen entwickeln.

 

Weitere Informationen, das Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter postwachstumsstadt.de.

 

Referenzen

Adler, Frank; Schachtschneider, Ulrich (2017): Postwachstumspolitiken. Wege zur wachstumsunabhängigen Gesellschaft. München: oekom.

Brand, Ulrich; Krams, Mathias (2019): Zehn Jahre Degrowth: Potenziale und Hürden. Blog Postwachstum. Online abrufbar (6.3.2019): https://www.postwachstum.de/zehn-jahre-degrowth-potenziale-und-huerden-20190218

Brand, Ulrich; Wissen, Markus (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. München: oekom.

Brocchi, Davide (2016): Urbane Transformation. Zum guten Leben in der eigenen Stadt. Dortmund: Die Urbanisten e.V.

Burkhart, Corinna; Schmelzer, Matthias; Treu, Nina (2017): Ohne Bewegungen keine Transformation: Das Mosaik der Alternativen als Kompass für Postwachstumspolitiken. In: Adler, Frank; Schachtschneider, Ulrich (2017): Postwachstumspolitiken. Wege zur wachstumsunabhängigen Gesellschaft. München: oekom.

Mayer, Margit (2016): Neoliberal Urbanism and Uprisings Across Europe. In: Mayer, Margit/Thörn, Catharina/Thörn, Håkan (Hg.): Urban Uprisings: Challenging Neoliberal Urbanism in Europe. London: Palgrave Macmillan Ltd.

Meadows, Donnella (1999): Leverage Points. Places to Intervene in a System. Online abrufbar (6.3.2019): http://donellameadows.org/archives/leverage-points-places-to-intervene-in-a-system/

Schipper, Sebastian (2013): Genealogie und Gegenwart der „unternehmerischen Stadt“. Neoliberales Regieren in Frankfurt am Main 1960 – 2010. Zugl.: Frankfurt am Main, Univ., Inst. für Humangeographie, Diss., 2012. 1. Auflage. Münster: Verl. Westfälisches Dampfboot.

Stellmacher, Michael; Brecht, Norma (2017): Degrowth in Boomtowns oder das gute Leben in der Stadt für alle. In: Burkhart, Corinna/Schmelzer, Matthias/Treu, Nina (Hg.): Degrowth in Bewegung(en). 32 alternative Wege zur sozial-ökologischen Transformation. München: oekom.

WBGU (2016): Der Umzug der Menschheit: die transformative Kraft der Städte. Zusammenfassung. Berlin: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU).

Welzer, Harald; Hebert, Saskia; Giesecke, Dana (2016): FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2017/18. Geschichten vom guten Umgang mit der Welt. Fischer Taschenbuch.

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