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Wachstumsdiskussion in den Kirchen geht weiter

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Die Wachstumsdiskussion zieht ihre Kreise. Schon auf dem letztjährigen evangelischen Kirchentag wurde von vielen Seiten Wachstumskritik geübt. Auf dem 98. Deutschen Katholikentag in Mannheim forderte nun auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), „eine konsequentere Abkehr von einer pauschalen Wachstumsideologie“.

Seiner Meinung nach brauche es „deutliche Anreize“ für ein verantwortungsbewusstes Wirtschaften, um die „weitgehende Hilflosigkeit über die Instrumente zum Umsteuern“ zu überbrücken.

Weitere Referenten wie Sven Giegold und Matthias Binswanger waren ebenso zum Katholikentag eingeladen und diskutierten zu Themen wie „Verteilungsgerechtigkeit“ und „Kultur des kurzfristigen Gewinns“.

Bedenklich zeigte sich die Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Dött (CDU), Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer, über eine „generelle Verteufelung von Wachstum“. Für eine Finanzierung der Sozialsysteme halte sie Wachstum für „unverzichtbar“.

Hingegen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Dr. Nikolaus Schneider, plädiert sehr progressiv „für ein neues Wohlstands- und Wachstumsdenken“. In dem Beitrag „Weniger ist mehr“ des evangelischen Monatsmagazins „chrismon plus rheinland“ (Juni Ausgabe) spricht er sich für eine „Ethik des Genug“ aus, nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der ökonomischen Ebene. Die evangelische Kirche fordere die Entwicklung neuer „Konzepte der Nachhaltigkeit für die Wirtschafts-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und Entwicklungspolitik“, die beispielsweise „umweltschädliche Verhaltensweisen besteuern und sanktionieren“, so der Präses. Mit seiner Argumentation stützt er sich in seinem Artikel auf das Evangelium Jesu Christi, das zur Befreiung von „Verschwendung und materieller Orientierung“ einlädt.

Mit dem christlichen Initiativkreis „anders wachsen“, der im März 2011 in Leipzig gegründet wurde, versucht die Evangelische Kirche derzeit weitere Wellen zu schlagen. Angestrebt wird eine kirchliche Kampagne zum Thema „Wirtschaft braucht Alternativen zum Wachstum“, getragen von der EKD. Unterstützen können sie die Online-Petition hier.

Sophia Kraft ist Mitglied im Vorstand der Vereinigung för ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW). Sie studiert derzeit MA Nachhaltigkeitsmanagement in Leipzig. Ihr Interesse gilt vor allem zwei Themenschwerpunkten: Zum einen setzt sie sich stark mit Postwachstum/Degrowth auseinander, wobei sie für den Blog Postwachstum und die Degrowth Konferenz 2014 tätig war. Zum anderen liegt ihr Fokus auf der nachhaltigen Energiewirtschaft (Tätigkeiten für die Deutsche Umwelthilfe und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung).

1 Kommentare

  1. Claude-Alain Perrochet sagt am 16. Juni 2012

    Warum braucht es überhaupt Wachstum?

    Damit Unternehmen immer mehr investieren. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie immer mehr produzieren können.
    Warum sollen Unternehmen immer mehr investieren? Weil so die Ersparnisse wieder zurück in den realwirtschaftlichen Kreislauf gelockt werden können. Nur so lässt sich die Schulden- und Vermögensspirale aufrecht erhalten und eine deflationäre Abwärtsspirale auf Dauer (!) verhindern (auf Dauer funktioniert eine fortwährende Geldmengenausweitung oder Staatsausgabenvermehrung ja nicht).

    Natürlich können Ersparnisse anders angelegt werden. Aber mit Devisenhandel, Immobilienspekulation, Rohstoffspekulation, Goldanlagen usw. lassen sich wenig Arbeitsplätze schaffen und vor allem wird damit kaum Kaufkraft geschaffen. Diese Anlageformen wirken sich inflationär aus, sie vernichten insgesamt Kaufkraft. Für Einzelne können sehr wohl Vermögensvorteile entstehen, aber volkswirtschaftlich gesehen ist es hauptsächlich ein nominelles Vermögenswachstum (abgesehen vom relativ kleinen Wert für die Realwirtschaft was die Alokation, Risikoverteilung u.a. betrifft, zuzüglich der Folgen von Blasenbildungen vor allem im Immobilienbereich – siehe Japan, USA, Spanien u.a.).
    Auch Staatsanleihen sind eine Anlageform, welche es zu erwähnen gilt. Je nach dem wie geschickt der Staat diese Gelder verwendet, können mehr oder weniger positive Impulse entstehen. Auf Dauer ist aber eine stets zunehmende Staatsverschuldung nicht tragbar. Also zurück zu Feld 1: das System schafft nur dann nachhaltig genügend Arbeitsplätze und sichert den allgemeinen Wohlstand, wenn Unternehmen die Ersparnisse wertvermehrend einsetzen können.

    Aber solange nur in Unternehmen investiert wird, wenn sich dabei die Vermögen nach dem Zins- und Zinseszinsprinzip vermehren, solange wird ein Wachstumszwang bestehen, welcher nicht aufzuhalten ist, weder durch ökologische, soziale, ethische oder sonst welche Einwände oder Reformen. Einen Wachstumsunabhängigen, nachhaltigen Wohlstand ist nur möglich, wenn die Gesellschaft aus diesem Schneeballsystem aussteigt. Die Bedingung dafür ist, dass die Ersparnisse stets möglichst vollständig den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, unabhängig des Ertrages, welches dabei herausspringt. Niemand ist natürlich gezwungen zu sparen. Sind die Erträge zu unattraktiv, nämlich negativ wenn viel zu viel gespart wird, steigt die Attraktiviät von Konsum und Spenden. Nur eines darf es nicht geben: Geld zu mindestens null Prozent Zins horten zu dürfen. Dafür muss eine Liquiditätsabgabe eingeführt werden. D.h. die Zinsskala beginnt dann nicht mehr bei 0% sondern bei -6%. Sobald die Möglichkeit besteht Geld zu 0% zu horten, ist ein Wachstumszwang und der Beginn eines Schneeballsystems unausweichlich.

    Es ist wohl nicht von Ungefähr, dass viele Religionen und Philosophen die Zinsproblematik erwähnten und eine Lösung suchten. Heute sollten wir die Problematik viel realistischer sehen: nicht der Zins – als Gleichgewichtspreis verstanden – ist Teufelswerk, sondern eine Zinsskala, welche bei null beginnt bzw. ein garantierter Mindestzins von null für Ersparnisse.

    Wie steht es dann mit der Altersvorsorge? Es wird sich ein Gleichgewichtspreis um null für Geldanlagen einpendeln. Bzw. der durchschnittliche Ertrag der Geldanlagen wird sich der Wachstumsrate anpassen statt umgekehrt. Sparen wird bedeuten, Kaufkraft in die Zukunft verlegen und nicht Geld vermehren. Entsprechend wird die Attraktivität sinken, viel mehr zu sparen, als sinnvoll. Das braucht 90% der Bevölkerung nicht zu kümmern, sondern trifft die 10% mit 80% des Volksvermögens. Hier liegt denn auch das Verteilungsproblem, welches entschärft werden muss und auch wird, wenn Sparen im Schnitt keine Erträge mehr abwirft. Dann wird nämlich für 80% die Kaufkraft und damit die Möglichkeit, für die Altersvorsorge zu sparen, zunehmen und nicht abnehmen (für 10% wird es keinen Unterschied geben, 10% werden massiv weniger Kapitalerträge erwirtschaften). Es ist eine Illusion zu glauben, die Mehrheit profitiere über die Altersvorsorge von den Kapitalerträgen.

    Was ist mit den anderen Anlagemöglichkeiten, werden alle ihr Geld in Gold, Devisen, Immobilien usw. anlegen? Tatsächlich braucht es dazu einige weitere Überlegungen. Soll man aber wegen möglichen untergeordneten Problemen auf ein Geldsystem verzichten, welches grundsätzlich wachstums- und verteilungsneutral funktioniert, welches also die schwerwiegensten, lebensbedrohlichen Nebenwirkungen unseres heutigen Systems beseitigt? Grundsätzlich könnten alle Sparformen steuerlich schlechter gestellt werden, welche nicht Anteile oder Kredite an Unternehmen darstellen. Dies könnte auch heute getan werden, aber es müsste die Geldhortung – auch über kurze Zeit, mit einbeziehen. Womit man in letzter Konsequenz bei einer Liquiditätsabgabe landen würde.

    Bezüglich Immobilien: mit welchem Geldsytem auch immer, Geld in den Boden investieren zu können ist ein solcher volkswirtschaftlicher Unsinn mit dermassen vielen negativen Auswirkungen (Geldentwertung, Blasenbildung, Umverteilung), dass dies ohnehin abgeschafft werden muss. Boden und dessen Ertrag (betrifft nicht was darauf gemacht wird), muss der Allgemeinheit gehören und darf nicht als freies marktwirtschaftliches Gut, insbesondere nicht als Geldanlage, gehandelt werden.

    Bezüglich kurzfristigen Spekulationsgeschäften ist zu sagen, dass Liquidität sich dafür kaum eignen wird, welche Kosten von z.B. -6% /Jahr verursacht, wobei auf Giralgelder die Abgabe täglich erhoben wird. Ein Grossteil des Finanzcasino wird auf eine solche Währung verzichten. Mit dem heutigen Erfindergeist für neue Finanzprodukte müsste dieser Punkt allerdings noch genauer untersucht werden um allenfalls Massnahmen zu ergreifen.

    Bleibt der Run auf Gold und Schmuck. Damit begeben sich die Anleger in Gefahr von Schwankungen. Volkswirtschaftlich wird dies keine Probleme verursachen, da dies kaum den Geldfluss in der Realwirtschaft schmälern wird. Sichere Anlagen in breit divertifizierte Unternehmensbeteiligungen und -krediten werden demgegenüber attraktiv sein.

    Werden die Vermögen ins Ausland flüchten, wo es dafür immer noch Zinsen geben wird? Das ist gut möglich. Es wird Zinsen geben, aber eben, auch all was damit verbunden ist und wir heute gut kennen: Schuldenkrise, Inflation, Deflation, politische Instabilität, Ruf nach mehr staatlichen Eingriffen usw. Es wird trotzdem eine Fluchtbewegung in ausländischen Währungen geben. Dies entwertet die einheimische Währung. Damit werden für Unternehmen – auch Ausländische – die Situation im Inland noch attraktiver: günstige Kredite, günstiger Währungskurs. Es wird sich also ein Gleichgewicht ergeben, wobei die Gelder, welche ins Innland fliessen, an Arbeitsplätze schaffende unternehmerische Tätigkeit interessiert sein werden, während diejenigen Gelder welche in andere Währungen flüchten an einer leistungslosen Geldvermehrung interessiert sein werden. Dies geschieht immer auf Kosten von Menschen, welche eine Leistung erbringen müssen, ohne dafür entsprechend entschädigt zu werden. Damit wird das Ausland fertig werden müssen.

    Und was ist mit dem Staat? Er wird auf konjunkturstützende Massnahen verzichten können. Er wird nicht immer mehr ausgeben als einnehmen müssen, um auszugleichen, dass die Unternehmen immer mehr einnehmen können müssen als auszugeben. Die Arbeitslosigkeit wird höchstens noch ein Randproblem bleiben. Der Staat wird seine Ausgaben beträchtlich reduzieren können, ohne dass dies die Lebensgrundlage von Menschen gefährdet.

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