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Wachstum bis zur Überlastung – und darüber hinaus

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Heute, am 01. August 2024, ist der diesjährige Erdüberlastungstag. Er ist die jährliche traurige Erinnerung daran, wie wir mit den Ressourcen unseres Planeten umgehen und es sollte uns mindestens beunruhigen, dass er Jahr für Jahr auf ein immer früheres Datum fällt. In Deutschland war der Erdüberlastungstag wie in den anderen großen Industrienationen des globalen Nordens schon bedeutend früher, dieses Jahr bereits am 02. Mai. Würden also alle Länder so leben und die weltweiten Ressourcen so übernutzen wie es Deutschland tut, wäre unser ‚Erdverbrauch‘ noch deutlich größer.

(Abb. 1: Überlastungstage der einzelnen Länder im Vergleich)

Was sagt uns der Erdüberlastungstag?

Der Erdüberlastungstag (engl. Earth Overshoot Day) markiert den Tag im Jahr, an dem rechnerisch die maximale Menge an weltweiten Ressourcen verbraucht wurde, die innerhalb eines Jahres regeneriert werden kann. Ab diesem Tag nutzt und verbraucht die Menschheit also mehr, als der Planet und das globale Ökosystem maximal verkraften kann, ohne langfristig unwiederbringlich zerstört zu werden. Berechnet wird der Tag jedes Jahr vom Global Footprint Network, indem die biologische Kapazität der Erde dem ökologischen Fußabdruck der Menschheit gegenübergestellt wird. Die biologische Kapazität meint die Fähigkeit der Erde, Ressourcen aufzubauen sowie Abfälle und Emissionen aufzunehmen. Der ökologische Fußabdruck ist dagegen der Bedarf und Verbrauch an natürlichen Ressourcen wie Wasser, Boden, Wälder und Tierbeständen. Wären die biologische Kapazität und der ökologische Fußabdruck deckungsgleich, wäre der Erdüberlastungstag am 31. Dezember und wir hätten einen ‚Erdverbrauch‘ von 1,0. Dies sollte die Grenze wirtschaftlicher Aktivität sein, stattdessen liegt der weltweite Erdverbrauch dieses Jahr aber bei 1,7 und würde die ganze Weltbevölkerung leben wie die Menschen in Deutschland, wären ganze 3 Erden nötig.

Der Erdüberlastungstag ist also eines der anschaulichsten Bilder um uns zu zeigen, dass weiteres Wachstum in den ökologischen Kollaps führt und wir unsere Art zu leben, zu konsumieren und produzieren vor allem in den kapitalistischen Ökonomien des globalen Nordens grundlegend ändern müssen. Um den Erdverbrauch auf den nachhaltigen Faktor von maximal 1,0 zu senken, müssen wir über Postwachstum und Degrowth sprechen.

Ist das schon immer so?

Nein, unser Erdverbrauch war noch nicht immer so groß und er ist es auch noch nicht lange. Bis 1970 war der weltweite Erdverbrauch noch bei 1,0 oder darunter, erst seit den 1970er Jahren ist die Marke von 1,0 überschritten und der Verbrauchsfaktor steigt kontinuierlich an.

(Abb. 2: Historie der Erdüberlastungstage von 1971 bis heute)

In diesem Zusammenhang hat der Club of Rome 1972 seinen bis heute einflussreichen Bericht über die Grenzen des Wachstums der Weltöffentlichkeit präsentiert und erstmals mit dieser Reichweite auf das Thema aufmerksam gemacht. Dass der Erdverbrauch an wirtschaftliches Wachstum gekoppelt ist lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass die einzigen Jahre, in denen der Erdverbrauch sank, die Weltwirtschaftskrise 2009 und das erste Jahr der COVID-19 Pandemie 2020 waren. Stagniert das Wirtschaftswachstum, sinkt also auch der Erdverbrauch. Doch anstatt auf weitere globale Krisen zu hoffen, um die Übernutzung der natürlichen Ressourcen einzudämmen, sollten wir über Alternativen zum Wachstumsparadigma nachdenken, die das Wohlergehen der Menschheit und der nicht-menschlichen Natur langfristig sichern.

Warum kommen wir um eine Umkehr des Wachstumsparadigmas nicht herum?

Dass die Erdüberlastung und der Klimawandel eine Bedrohung für die Menschheit darstellen wird mittlerweile von großen Teilen der Gesellschaft und politischen Entscheidungsträger*innen erkannt. Die vorgeschlagenen Lösungen für diese multiplen Krisen bewegen sich häufig aber bestenfalls im Bereich der Symptombekämpfung, oft führen sie sogar zu gegenteiligen Effekten, indem sie expansive Wirtschaftssysteme stärken und Wachstum verstetigen. So wird zum Beispiel in Deutschland und der EU vor allem auf technologische Lösungen zur Effizienzsteigerung und Verminderung von Emissionen gesetzt mit dem Ziel, den Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen von wirtschaftlichem Wachstum zu entkoppeln um an letzterem weiterhin festhalten zu können. Dass eine solche absolute Entkopplung, also eine Senkung des ökologischen Fußabdrucks bei gleichzeitig steigendem Wirtschaftswachstum aber nicht funktioniert, haben mittlerweile wissenschaftliche Untersuchungen verschiedener Fachdisziplinen eindrücklich belegt – einen guten Überblick darüber liefert beispielsweise der Entkopplungsreport des European Environmental Bureau 2019.

Während technologische Innovationen zur effizienteren Ressourcennutzung, zur Gewinnung erneuerbarer Energien und zur klimaneutralen Produktion also wichtiger Teil einer Strategie sind, müssen diese aber mit einer Schrumpfung des gesamten wirtschaftlichen Durchlaufs kombiniert werden, um die Erde nicht weiter zu überlasten und den natürlichen Ressourcen die Chance auf Regenerierung zu geben.

Vincent Schlinkert studiert im Master Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Sein politikwissenschaftliches Bachelorstudium absolvierte er an der Philipps-Universität Marburg und hat seine Abschlussarbeit zum Thema „‘Postkapitalistischer Wohlfahrtsstaat‘?: Die soziale Frage beim Übergang in eine Postwachstums-Wirtschaft“ verfasst. Seit April 2024 ist er in der Redaktion des Blogs Postwachstum als studentischer Mitarbeiter tätig.

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