Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit passt für viele ganz problemlos zusammen – man braucht bloß das Wirtschaftswachstum mit einem Adjektiv zu schmücken. Die Palette reicht
- vom qualitativen Wachstum
- über das grüne,
- das inklusive,
- das intelligente Wachstum
- bis zur perfekten Symbiose des nachhaltigen Wachstums.
Mit Semantik kann man Konflikte kaschieren aber nicht lösen. Frau Gesine Schwan sprach kürzlich vom „geistigen Wachstum“, gegen das man doch keine Einwände haben könne. Ich spreche hier von „Wirtschaftswachstum“ ganz trocken als Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, der Menge, der in einem Jahr hergestellten Güter und Dienstleistungen. Ich spreche von „Nachhaltigkeit“ nicht in seinen vielfältigen alltagssprachlichen Verharmlosungen, sondern als Verpflichtung für eine weltweite und generationenübergreifende Gerechtigkeit – wie der Begriff im Brundtland-Bericht der Weltkommission zu Umwelt und Entwicklung 1987 als politischer Begriff definiert wurde: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche weltweit die heutigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken“. Soweit die bekannte Definition. Weniger bekannt ist der kurz danach folgende Satz: „Nachhaltige Entwicklung erfordert klar ökonomisches Wachstum dort, wo elementare Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Anderswo kann es mit ökonomischem Wachstum übereinstimmen, vorausgesetzt, die Art des Wachstums berücksichtigt die allgemeinen Prinzipien der Nachhaltigkeit und das Prinzip, andere nicht auszubeuten.“
Das ist zum einen die klare Aussage, dass wirtschaftliches Wachstum zur Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern und Schwellenländern nötig ist, zum anderen die Einschränkung, dass ansonsten Wirtschaftswachstum zwei Randbedingungen genügen muss:
– der ökologischen Randbedingung: Das Wachstum muss innerhalb der ökologischen Tragekapazität der Erde sein, die natürlichen Lebensgrundlagen müssen erhalten werden,
– und der sozialen Randbedingung: Das Wachstum darf andere nicht ausbeuten.
Beide Bedingungen – die ökologische wie die soziale – sind für das Wachstum in den Industriestaaten nicht erfüllt. Das zeigen allein der Klimawandel und die Ausbeutung in den Ländern des Südens. Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit passen – derzeit – nicht zusammen.
Das Problem ist, dass Wirtschaftswachstum Priorität hat. Der frühere Wirtschaftsminister Clement hat es in den damaligen Auseinandersetzungen um die Einführung des Emissionshandels klar formuliert: Nach einem wortreichen Bekenntnis zum Klimaschutz kam der Satz: „Aber selbstverständlich steht der Klimaschutz unter Wachstumsvorbehalt.“ Entsprechend ist das Emissionshandelsgesetz mit all seinen Ausnahmeregelungen für die Industrie dann auch wirkungslos geblieben.
Auch andere notwendige Klimaschutzmaßnahmen sind deshalb unterblieben oder verwässert worden:
– wie der Ausbau der ökologischen Steuerreform,
– schärfere Grenzwerte für den CO2-Ausstoß im Verkehr,
– die Einstellung der Braunkohleförderung.
Diese Priorität des Wirtschaftswachstums habe ich als Vorsitzende des BUND immer wieder erlebt – und alle, die sich für Umwelt- und Naturschutz auf welcher Ebene auch immer engagieren, kennen die Konflikte:
– In der Landwirtschaft bei der Massentierhaltung,
– im Verkehrsbereich beim Straßenbau,
– in der Flächennutzung bei der Auseinandersetzung um Gewerbegebiet oder Streuobstwiese.
Die Fixierung auf das Wirtschaftswachstum liegt in den Hoffnungen, die mit Wirtschaftswachstum verbun- den sind
– dass die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts die Menschen glücklicher macht,
– dass Wachstum sozialen Ausgleich schafft,
– dass Wachstum Vollbeschäftigung bringt,
– dass Wachstum den Abbau der Staatsverschuldung ermöglicht.
Doch diese Hoffnungen löst das Wachstum nicht mehr ein – zumindest in den Industriestaaten. Zudem verschärft der Wachstumskurs Ressourcenknappheit und Umweltzerstörung und gefährdet den Frieden. Mit technischen Lösungen und Effizienzsteigerungen allein können bei fortgesetztem Wachstum die ökologischen Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht werden. Denn auch wenn Produkte effizienter werden, wenn gleichzeitig mehr davon gekauft und sie intensiver genutzt werden, wird der Effizienzgewinn überkompensiert.
Auch die Finanz- und Wirtschaftskrise, die wesentlich durch den aufgeheizten Wachstumskurs des Finanzkapitalismus verursacht wurde, hat nichts daran geändert, dass die Politik weiter auf Wachstum setzt und nur überlegt, wie der Wachstumsmotor wieder anspringen kann. Auch der Rückgang der Wachstumsraten in den Industriestaaten seit den 60iger Jahren hat nicht zu einer realistischeren Einstellung der Politik geführt, ob und welche Wachstumsraten in Zukunft zu erreichen sind.
Der vollständige Vortrag, den ich am 16.11.14 auf der Konferenz zu Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit an der Universität Göttingen gehalten habe, findet sich hier: Verantwortung der Wissenschaft für nachhaltiges Wirtschaften.
Wachstum ist nicht mehr und nicht weniger als die Summe der Erbrachten Vorleistungen zur Herstellung von Produkten,Waren und Dienstleistungen die zu jeweiligen Preisen am Markt angeboten und über veschiedene Vertriebswege
verkauft werden.Der materielle „Wirtschaftskreislauf“ wird immer durch den Einsatz von unterschiedlichen Energieformen(ÖL,Sonne , Kohle,Gas ,) den Produktionstechnologien und Kommunikations und Transportwegen bestimmt.
Diese Prozeßkette beinhaltet demnach auch eine differenzierte Umweltschadensbilanz, die Extern anfallenden Umweltkosten gehen jedoch nicht in die „Preiskalkulation“ je Produkteinheit ein.Das am Anfang stehende „Verursacherprinzip“ von Umweltschäden hat jedoch „keinen“ festgelegten Preis
Deshalb helfen die Begrifflichkeiten , wie z.B. „Nachhaltigung“ nicht weiter.
Die Umweltprobleme bleiben auch in Zukunft weiterhin bestehen, denn Wachstum gibt es immer ob weniger oder mehr.