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Umweltbewusstseinsstudie 2014: Drei Viertel der Befragten sehen Grenzen des Wirtschaftswachstums

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Die aktuelle Umweltbewusstseinsstudie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und des Umweltbundesamtes (UBA) erfasst Umwelteinstellungen in der Bevölkerung, die Kaufbereitschaft für „grüne“ Produkte und die Bedeutung von Umwelt im Kontext des guten Lebens. Das Thema Umwelt wird zudem im Zusammenhang mit aktuellen Diskursen zu Wirtschaftswachstum und neuen Wohlstandskonzepten thematisiert. Die Studie zeigt: Skepsis gegenüber den herkömmlichen Vorstellungen des Wirtschaftswachstums ist im Mainstream angekommen, doch der Erhalt eines gewissen Lebensstandards sowie die Sicherung sozialer Gerechtigkeit in einer Postwachstumsgesellschaft bleiben für die Bevölkerung offene Punkte.

Zweifel am Wachstumsmodell weit verbreitet

Ein zentraler Befund sind die weit verbreiteten Wachstumszweifel. 72 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „Wenn ich sehe, dass unsere Wirtschaft Jahr für Jahr weiter wächst, frage ich mich: Wie lange kann das noch gut gehen?“ voll und ganz oder eher zu. Dass das Wirtschaftswachstum nicht auf Kosten der Umwelt gehen darf, finden fast ebenso viele Personen. Nur 18 Prozent stimmten der Gegenthese zu, nämlich dass wir in Zukunft mehr Wirtschaftswachstum bräuchten, auch wenn das die Umwelt belaste.

Skeptisch in Bezug auf Wachstumszwänge und Steigerungslogik äußerten sich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Gruppendiskussionen, die ergänzend zur repräsentativen Online-Befragung durchgeführt wurden. Sie reichten von moralisierend ablehnenden Kommentaren zu Gier und Übermaß bis hin zu unterschwelligen Sehnsüchten nach einem einfacheren und hinsichtlich materieller Bedürfnisse leichterem, sorgloserem Leben.

Konkrete Alternativen zum Wachstumsmodell wenig bekannt

Allerdings sind Alternativen zum Wachstum in den Vorstellungen der Befragten wenig präsent. Bezüglich der Frage, wie eine Lösung der Umweltprobleme und eine dauerhafte Sicherung von Wohlstand und Lebensqualität ohne Wirtschaftswachstum bewerkstelligt werden können, herrscht Unsicherheit. Beispielsweise gibt nahezu die Hälfte der Befragten an, dass der Klimawandel und andere Umweltprobleme ohne Wirtschaftswachstum nicht in den Griff zu bekommen sind (immerhin ist die Zustimmung deutlich geringer als noch einige Jahre zuvor; 47 Prozent in 2014 gegenüber 74 Prozent in 2010) und fast 60 Prozent sind der Meinung, dass das gewohnte Wohlstandsniveau ohne Wirtschaftswachstum nicht gehalten werden kann.

Chancen und Herausforderungen für die Postwachstumsdebatte

Ein für viele vorstellbarer Weg zur Lösung der Umweltprobleme besteht darin, weniger zu konsumieren. Dem stimmen 64 Prozent der Befragten voll und ganz oder eher zu. So sind auch das Interesse und die Bereitschaft zu sozial-ökologischen Innovationen in den Lebensstilen wie verkehrsberuhigte Städte, vermehrtes Tauschen und Leihen oder fleischarme Ernährung groß. Eine hohe Akzeptanz findet auch die Idee, anstelle das Wirtschaftswachstum gemessen am Bruttosozialprodukt künftig die Lebenszufriedenheit im Sinne eines „Bruttosozialglücks“ zum zentralen Indikator zu machen, an dem sich politisches Handeln orientieren soll. 64 Prozent meinen, dass dies sehr viel oder etwas zum guten Leben beitragen kann. Auch eine 20-Stunden-Woche, die mehr Zeit für Eigenarbeit oder ehrenamtliches Engagement ließe, ist für etwas weniger als die Hälfte der Bevölkerung wichtig für ein gutes Leben.

Anknüpfungspunkte für den Postwachstumsdiskurs bieten ferner die Vorstellungen der befragten Bürgerinnen und Bürger von einem guten Leben. Gute Gesundheit, die Erfüllung existenzieller Grundbedürfnisse, sozialer Rückhalt durch Familie und Gemeinschaft, intakte Umwelt und Natur – all diese Aspekte sind elementarer Bestandteil einer Postwachstumsgesellschaft. Lediglich der Befund, dass ein hoher (materieller) Lebensstandard (darunter subsummiert wurden Nennungen wie „hohes Einkommen“, „Auto“, „Eigenheim“ etc.) für ein Drittel der Bevölkerung – und insbesondere für junge Menschen – zu einem guten Leben dazugehört, ist auf den ersten Blick nicht mit den Ideen von Postwachstum und Suffizienz zu vereinbaren. Diesbezüglich sollten die Anhängerinnen und Anhänger einer Postwachstumsgesellschaft anschlussfähige Vorstellungen und Ansätze entwickeln, wie ein gutes Leben ohne hohes Einkommen oder materiellen Besitz aussehen kann.

Dies gilt im Übrigen auch für die Interdependenzen zwischen Umwelt- und Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass Umwelt- und Klimaschutz einen integralen Bestandteil bei der Lösung politischer Aufgaben darstellt, wie zum Beispiel der Bewältigung von wichtigen Zukunftsaufgaben oder der Sicherung von Wohlstand. Dagegen sehen nur etwas mehr als ein Drittel einen Zusammenhang zwischen Umwelt- und Klimaschutz auf der einen und sozialer Sicherung auf der anderen Seite.

Durchgeführt wurde die Umweltbewusstseinsstudie 2014 in einem Forschungsverbund aus dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), sociodimensions und holzhauerei. Die vollständigen Ergebnisse sind online zum Download verfügbar.

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