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Raus aus der Schublade: Politisierung der Suffizienz

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Statt erwarteten 40 waren am 27. Januar 2016 über 120 Teilnehmende der Einladung des BUND gefolgt, sich mit Kommunikationsstrategien erfolgreicher Suffizienzpolitik auseinanderzusetzen. Die Politik, die gute Bedingungen, Impulse und Anreize für Büger/innen schafft, ressourcenleichter zu leben, ist längst bekannt – oder? „Weniger ist mehr“ klingt da fast schon wie eine althergebrachte Lebensweisheit, wäre da nicht die unsichtbare Blase, die all jene umgibt, die mit der Vokabel Suffizienz vertraut sind. Draußen wartet der vermeintliche Rest und hat eine ganz andere Vorstellung von dem, was sich hinter der blumigen Phrase des „guten Lebens“ verbirgt.

Wenn zum guten Leben Bratwurst und Flugreisen in ferne Länder gehören, dann haben es Kampagnen des bewussten Verzichts und des Wenigers, wohl noch nicht ganz aus der Schublade geschafft. Und darum geht es: Kommunikation ist das zentrale Schlüsselelement, um das Wachstumsparadigma zu durchbrechen. Nachrichtenwerte wie „Neuigkeit“ und „Konflikt“ müssen auch Suffizienz-Aktivist/innen ernstnehmen. Konflikte innerhalb der Suffizienzdebatte müssen benannt werden – Wie umgehen mit schicken Geländewagen vor regionalen Bio-Supermärkten oder der Nord-Süd Problematik eines globalisierten Konsumverhaltens? Ein lineares Wandel-Denken blendet, konfrontiert mit der ganzen Realität, zu vieles aus. Und über das zwölfte Urban-Gardening Projekt in einer deutschen Großstadt wird wohl keine überregionale Zeitung mehr berichten.

Dennoch gibt es sie: die Geschichten des Wandels und des Gelingens. Wie Balsam klingt nach, was ein Impulsreferat dieses Nachmittags auf der Beletage der Heinrich-Böll-Stiftung so zart wie bestimmt formulierte: „Geschichten des Wenigers bedeuten immer auch ein Mehr“. Ein Mehr an Gemeinschaft, ein Mehr an Zeit und nicht zuletzt ein Mehr an Selbstbestimmtheit. Wie wäre es, die Perspektive beim Geschichteerzählen zu ändern? Statt die verstaubten des Verzichts sollten kämpferische der Diskriminierung erzählt werden. Längst steht nicht jedem frei, sich für einen suffizienten Lebensstil zu entscheiden. Bio, fair gehandelt und sozial gerecht scheinen erschwinglich – aber eben nur, wenn der Widerschein der gewölbten Blase den Hinausguckenden auf eine falsche Fährte zu locken versucht. Es muss ein Anspruch auf Nachhaltigkeit erhoben werden.

Soviel zum Inhalt. Kommunikation lebt aber zum mindestens gleichen Teil von der Form. Good Practice Beispiele finden sich da einige – von der lokalen Stadtreinigung bis hin zu international bekannten und preisgekrönten Fahrradhauptstädten. Sie setzen darauf, ihre Inhalte, die mal mehr und mal weniger mit Suffizienz zusammenhängen, auf möglichst diversen Kanälen an unterschiedliche Zielgruppen heranzutragen – man stelle sich dazu eine Bandbreite der Kommunikationsstrategien vom bebilderten Abfallkalender, über wiederverwendbare Brotdosen und öffentliche Fahrradpumpen bis hin zur Social-Media Planstelle im Rathaus vor. Aufwand, so scheint es, wird nicht gescheut, wenn es darum geht, ressourcenleichteres Leben zumindest als Option in die Köpfe aller zu bringen.

Doch Halt! Haben wir beim Inhalt nicht über Stop-do-Listen, Genügsamkeit und Freiheit vom Wachstum gesprochen? Ist es da nicht an der Zeit, sich auch bei der Form der Kommunikation auf neue Wege einzulassen? Solche, die womöglich auch zum Inhalt, zu einem Weniger, passen? Glaubwürdigkeit ist ein zentrales Element, um andere für seine Idee zu gewinnen. Wenn noch ein kurzlebiges Gadget, das Suffizienz preist, auf den Informationsmarkt gespült wird und ein weiterer Print-Flyer mit abziehbaren Aufklebern für einen nachhaltigen Lebensstil wirbt, scheint es dann nicht so, als beiße sich die kommunikationsstrategiesuchende und dabei über ihre eigenen Füße stolpernde Suffizienzkatze in den Schwanz?

 

Hanna Völkle ist Sozialwissenschaftlerin, hat einen Master in Politischer Ökonomie und promoviert zum Thema feministisch-ökologische Zeitpolitik an der Universität Vechta. Sie arbeitet für die EAF Berlin und hat einen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Von 2015 bis 2016 war sie Volontärin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung.

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