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Postwachstum und Kapitalismus: Ein Widerspruch? (2)

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Der Artikel ist Teil einer Blogreihe zum Verhältnis von Postwachstum und Kapitalismus. #PoWaKap

Kapitalismus mit Low-Profit Business überwinden 

Der Artikel von Andreas Exner zum Thema „Postwachstum und Kapitalismus“ beginnt mit einer treffenden Charakterisierung der kapitalistische Wirtschaftsweise und damit verbundene Wachstumstendenzen. Exner macht auch konkrete Vorschläge, wie die „rücksichtslose Ökonomie des Kapitals … auf einem Postwachstumspfad in sozial-ökologische“ Bahnen geleitet werden könnte und führt als Beispiel Genossenschaften und solidarökonomische Initiativen an. 

Bei der Suche nach den Ursachen des heutigen Kapitalismus nutzt Andreas Exner Begriffe wie „Geldverhältnisse“ und „Strukturzwänge“ und reduziert sie auf Bedingungen des Markts und der Konkurrenz. Dies nimmt meines Erachtens einen Teil der vorgegebenen Komplexität, weshalb ich sie gerne um einige Punkte erweitern möchte. 

Exner verharrt auf betrieblicher Ebene und fragt nicht nach den Kapitalgeber*innen „dahinter“. Gemeint sind private Investor*innen und Banken, welche den Unternehmen Eigen- und Fremdkapital bereitstellen. Stattdessen zitiert er gutgemeinte Vorschläge, Unternehmen „solidarökonomisch zu restrukturieren,“ mit dem zweifelhaften Ziel, „Markt und Kapital systematisch auszutrocknen.“ Das klingt eher nach einer Sackgasse als der Versuch, Best-Practice-Beispiele für eine solidarische Wirtschaftsweise aus der Nische zu holen. 

Zentralbank und Staat sind gefordert, günstige Finanzierungsbedingungen zu schaffen, damit Unternehmen Low-Profit Business betreiben können. Nur so kann es gelingen, Best-Practice zu All-Practice zu verhelfen und die kapitalistische Wachstumsspirale zu überwinden. Doch wie bringt man private Investor*innen und Banken dazu, Unternehmen günstig Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung zu stellen? 

Es gibt zwei wirtschaftspolitische Strategien, bei denen Zentralbank und Staat ganz unterschiedliche Rollen spielen. Bei der ersten Strategie verfolgt die Zentralbank eine Negativzinspolitik, bei der zweiten verhält sich die Zentralbank geldpolitisch neutral. Darunter versteht man, dass die Geldpolitik nicht auf die Konjunktur, sondern nur auf Geldwertstabilität abzielt. Stattdessen betreibt der Staat eine aktive Wirtschafts-und Fiskalpolitik (Fahrbach 2020). Beide Strategien führen letztlich zum selben Ergebnis, günstige Finanzierungsbedingungen für die Realwirtschaft zu schaffen. Unternehmen gewinnen so finanziellen Spielraum für innovative Corporate-Social-Responsibility-Maßnahmen und nachhaltige Investitionen. Allerdings setzen beide Strategien die Abschaffung von Banknoten (Papiergeld) und eine weitgehende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs voraus, um die Flucht ins Bargeld zu unterbinden (Rogoff 2016). 

Bei einer Negativzinspolitik senkt die Zentralbank den Leitzins auf -3% bis -5% p.a. ab (Rogoff 2016). Investor*innen werden mit negativen Zinsen konfrontiert und sind daher bereit, Unternehmen günstig Kapital zur Verfügung zu stellen, so dass diese ein Low-Profit Business betreiben können. Gleichzeitig sollte der Staat den Kleinsparer*innen eine Sparzulage gewähren, damit diese von negativen Zinsen verschont bleiben. Wohlgemerkt schafft eine Negativzinspolitik nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Parallel dazu müsste der Staat die Negativzinspolitik u.a. mit strengeren Umweltauflagen flankieren. 

Bei der zweiten Strategie erhöht die Zentralbank den Leitzins wieder auf 1-3% p.a. Gleichzeitig führt der Staat eine spezielle Vermögensteuer auf Tages- und Festgeldkonten, Staatsanleihen und andere sichere Geldanlagen ein, etwa in Höhe von 3-5% p.a., so dass die Zinsen für Investor*innen nach Steuern negativ sind. Angesichts negativer Zinsen nach Steuern beteiligen sich Investor*innen auch bei geringer Renditeerwartung an Unternehmen, so dass diese Low-Profit-Investitionen durchführen können. Kleinsparer*innen werden geschont, indem sie einen Steuerfreibetrag in Anspruch nehmen können. Die Finanzierung mit Fremdkapital kann mit zinsfreien oder zinsgünstigen Förderkrediten erfolgen, dessen Vergabe an strenge soziale und ökologische Auflagen geknüpft werden. 

Fazit: Es braucht geeignete wirtschaftspolitische Strategien, um eine solidarökonomische Wirtschaftsweise zum Durchbruch zu verhelfen und die kapitalistische Wachstumsspirale zu überwinden. Zentralbank und Staat sind gefordert, günstige Finanzierungsbedingungen zu schaffen, damit Unternehmen ein sozial und ökologisch nachhaltiges Low-Profit Business betreiben können. 

Quellen 

Exner, Andreas: Postwachstum braucht Solidarische Ökonomien, Blog Postwachstum, August 2022. (https://www.postwachstum.de/blogreihe-powa-u…ische-oekonomien-20220831) 

Fahrbach, Christian: Postwachstumsökonomie – zwei Wege führen nach Rom. Blog Postwachstum des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Juli 2020. (https://www.postwachstum.de/postwachstumsoekonomie-zwei-wege-fuehren-nach-rom-20200702) 

Low-Profit-Investition, Wikipedia 2021. (https://de.wikipedia.org/wiki/Low-Profit-Investition) 

Rogoff, Kenneth S.: Der Fluch des Geldes: Warum unser Bargeld verschwinden wird. FBV, München 2016. 

1 Kommentare

  1. Warum das aktuelle Kreditgeld nicht zu einem Schenkgeld weiterentwickeln?

    Schenkgeld, weil es nicht als Kredit geschöpft, sondern als „Helikoptergeld“ direkt von der Zentralbank an jeden Bürger in gleicher Höhe ausgezahlt wird.
    Schenk-Geld, weil die Arbeiter und Unternehmerinnen, die ihre Leistungen und Produkte gegen Geldpreise anbieten dem staatl. Tauschmittel erst seinen Wert, sprich seine Kaufkraft schenken.
    In Verbindung mit einer Öko-Umlage (Boden- u. CO2-Steuer) auf Böden und Rohstoffe, sowie deren Rückverteilung an alle Bürger in gleicher Höhe liesse sich die Klimakrise effektiv und gerecht bekämpfen. Die Höhe könnte demokratisch bestimmt werden, das praktisch nur diejenigen netto die Umlage bezahlen, die mehr als der gesellschaftliche Durchschnitt in Deutschland Ressouren verbrauchen.
    Ersetzen wir jetzt noch die Lohnsteuer durch eine allgemeine Verbrauchssteuer, bei gleichem Aufkommen für die Staatsaufgaben, fördern wir Lohnintensive Produktion und entlasten zusätzlich die Umwelt. Da die Steuern nur an einem anderen Punkt in der Produktionskette erhoben wird, hat diese Massnahme keine allgemeine Inflation zur Folge, obwohl sich die Preise für bestimmte Produkte verändern.
    So kommen wir zu einer Art Globalsteuerung der Wirtschaft, ohne jemanden etwas gegen seinen Willen wegzunehmen und nicht nur die Arbeitsleistung als echtes Eigentum schützen, sondern auch die freiwillige Gegenleistung der Mitmenschen.

    In dem Aufsatz „Der gute Staat – Vom Wesen der Herrschaft“ führe ich diese Ideen weiter aus. Unter info@alfredreimann.de teile ich sie gern.
    Danke für Eure Aufmerksamkeit.

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