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Politische Maßnahmen zur Förderung von Suffizienz

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Virtuelle und reale Leih-, Schenk- und Tauschbörsen, Carsharing-Konzepte, neue Formen des gemeinschaftlichen Wohnens und Einkaufens, Gemeinschaftsgärten, Fahrradselbsthilfewerkstätten –  die Liste alternativer Nutzungskonzepte und Initiativen in der Gesellschaft, die oft auf mehr Solidarität, Gemeinsamkeit und Vertrauen beruhen, ist lang, vielfältig und zieht sich durch alle Lebensbereiche. Sowohl eigentumsersetzende Nutzungskonzepte, zu denen auch die Heinrich Böll Stiftung erst kürzlich eine Kurzstudie veröffentlicht hat, wie auch eigentumsbasierte Ansätze bergen ein enormes Ressourceneinsparpotential, da sie eine Nutzungsintensivierung sowie eine Nutzungsdauerverlängerung bewirken können und somit einen Beitrag zu einer suffizienteren Lebensweise leisten können.

Doch um diese Pionierinitiativen auch gesamtgesellschaftlich zu verbreiten, ist Politik gefragt.

Politische Maßnahmen zielen bisher vor allem auf Verbesserung von Effizienz und Konsistenz ab, doch angesichts der enormen Rebound-Effekte darf auch die dritte Komponente einer nachhaltigen Gesellschaft nicht vergessen werden: die Suffizienz. Dieser Begriff bezeichnet eine „Lebens- und Wirtschaftsweise, die dem übermäßigen Verbrauch von Gütern und damit Stoffen und Energie ein Ende setzt“ (Linz 2004). Im Vordergrund stehen dabei ein Umdenken in der Gesellschaft und der Gedanke, dass Konsumreduktion nicht unbedingt mit einer Verschlechterung der Lebensqualität einhergehen muss.

Doch welche konkreten Maßnahmen können politische EntscheidungsträgerInnen ergreifen, um einen suffizienten Lebensstil auf politischer Ebene zu unterstützen und geeignete Rahmenbedingungen für die Verbreitung schon bestehender Initiativen zu schaffen? Im Folgenden sollen dafür drei Beispielbereiche beschrieben werden:

Stadtentwicklung

Schon bei der städtischen und kommunalen Planung sollte darauf geachtet werden, dass die Infrastruktur auf Suffizienz ausgelegt ist. Gut ausgebaute Fahrrad- und Fußgängerwege, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und die optimale Erreichbarkeit durch ein preiswertes/kostenloses öffentliches Nahverkehrssystem schaffen Anreize dafür, auf ein persönliches Auto zu verzichten und umweltfreundlichere und teilweise auch gesündere Fortbewegungsarten zu nutzen. Gleichzeitig steigt somit die Lebensqualität durch verringerten Verkehrslärm, saubere Luft und mehr Bewegung.

Kommunikation & Bildung

der Suffizienzgedanke muss auf allen Stufen des staatlichen Bildungssystems Eingang finden und öffentlich diskutiert werden. Die Integration in die Lehrpläne aller Schulformen und  Curricula der Hochschulen, Zurverfügungstellung von Forschungsgeldern in der Nachhaltigkeits- und Suffizienzforschung, öffentliche Kampagnen und die Einrichtung von Diskussions- und Informationsplattformen sind nur einige Maßnahmen zur Verbreitung eines suffizienteres Lebensstils in der Gesellschaft. Nur durch eine breite öffentliche Diskussion und die Möglichkeit zur Information kann ein Wertewandel stattfinden.

Dass solche Vorstellungen keine Utopien sind und auch gesellschaftlich gewünscht sind, zeigen beispielsweise Diskussionen über kostenlosen ÖPNV in Tübingen. Auch die Einrichtung von Naturerholungsgebieten und Kulturangeboten erhöht die Lebensqualität und fördert gemeinschaftliche, ressourcenschonende Freizeitgestaltung anstatt ressourcenintensiver Aktivitäten. In Bebauungsplänen sollte außerdem auch ein Augenmerk auf den Bau von öffentlichen Gebäuden liegen, die gemeinschaftlich von den BürgerInnen für nichtkommerzielle Projekte, Workshops und Veranstaltungen genutzt werden können.

Besteuerung

Steuern sind ein wichtiges Instrument, um für die Gesellschaft positive Entwicklungen zu fördern. Ressourcenschonende Dienstleistungen wie Reparaturleistungen oder der Kauf von Gebrauchtwaren sollten steuerliche Vorteile genießen, um damit die Wiederverwendungsrate von Gebrauchsgütern zu erhöhen. Umweltschädliche Transportmittel wie der Neukauf von Autos, Flugzeugreisen, Benutzung der Straßen und Autobahnen sollten dagegen höher besteuert werden. Neue Start-ups und Formen kollaborativer Ökonomie sollten durch Subventionen unterstützt werden.

2002 fand in Johannesburg das UN Gipfeltreffen zu Nachhaltiger Entwicklung statt, auf der festgelegt wurde, dass alle teilnehmenden Länder eine 10 Jahres Strategie zur Förderung des nachhaltigen Konsums und Produktion entwickeln sollen. Im Rahmen dieser Entscheidung wurde im Jahr 2005 in Finnland der Maßnahmenkatalog „Getting more and better from less. Proposals for Finland’s national programme to promote sustainable consumption and production“ veröffentlicht, der mit einer Vision für 2025 73 Vorschläge macht, unter denen auch viele der formulierten Vorschläge thematisiert wurden. Auch auf der diesjährigen Rio+20 Konferenz wurde auf die oben genannten Bereiche eingegangen und im Abschlussdokument „The future we want“ Visionen dazu festgehalten. So wird beispielsweise in Abschnitt 134-136 explizit auf die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Stadtplanung hingewiesen. Abzuwarten bleibt allerdings, inwieweit diese Visionen auch zu konkreten politischen Maßnahmen führen oder ob Lobbyismus und Widerstand aus der Wirtschaft die Implementierung von suffizienzfördernden Maßnahmen zu verhindern wissen.

Hier finden Sie nähere Informationen zu dem Projekt „Ressourcenpolitik (PolREss)“.

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