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Planwirtschaft 2.0: Lehren des 20. Jahrhunderts

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Teil 2/3

Lehren des 20. Jahrhunderts und drei sozialökologische Alternativen 

Innerhalb der sozialökologischen Bewegungen existieren meines Erachtens drei Alternativen zum Kapitalismus, je nachdem, was als Problem des Kapitalismus ausgemacht wird. Vertreter*innen der ökosozialen Marktwirtschaft fordern vor allem einen stärkeren Staat, der den Markt wirtschaftsdemokratisch einhegt. Unter Kapitalismus verstehen sie häufig Neoliberalismus als marktradikale Position. Befürworter*innen einer Kommandowirtschaft 2.0 wie Ulrike Herrmann oder Andreas Malm glauben nicht, dass die Marktwirtschaft ausreichend grün oder gerecht reguliert werden kann, und fordern deshalb einen neuen Versuch in kommandierender Planung. Unter Kapitalismus verstehen sie vor allem Marktwirtschaft. Streiter*innen für eine Beitragsökonomie, die dann mal Care-Ökonomie (Winker), Schenkökonomie (Vaughan), distribuierter Sozialismus (von Redecker), Kommunismus (Adamczak) oder Ecommony (Habermann) heißt, betonen die Grenzen und Ähnlichkeit von Markt- und Kommandowirtschaft. Die Beitragsökonomie fußt dabei auf der Idee „jede nach ihren Fähigkeiten, jeder nach ihren Bedürfnissen“. Sie verteilt Güter nicht nach Macht, Arbeitsleistung oder Geld, sondern nach Bedürfnissen und das bedeutet auch, dass Arbeit nicht erpresst wird, sondern Menschen zwischen Lust und Notwendigkeit beitragen. Im ersten Artikel ging ich kurz auf die öko-sozialen Marktwirtschaft ein, hier möchte ich aus dem 20. Jahrhundert Lehren für die Kommandowirtschaft 2.0 ziehen.   

Sicherheit vs. Effizienz – der Widerspruch von lohnbasierter Planung 

Umweltwissenschaftler*innen und -aktivist*innen fasziniert an den Kommandowirtschaften des 20. Jahrhunderts in Großbritannien, Russland oder China, aus nachvollziehbaren Gründen weniger in Deutschland, meist die Macht des Staates. Hier scheinen Staat – und Gesellschaft – endlich nicht mehr der Herrschaft von Profit und Wachstum unterworfen. Wer eine kommandierende Planwirtschaft vertritt, sollte – ja muss – aber die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ernst nehmen. Als ich die Briefe, Politik und Papiere der Herrscher*innen der DDR studierte, immerhin die effizienteste, je existierende Kommandowirtschaft, empfand ich neben Wut über den Autoritarismus Mitleid. Viele dieser Herrscher*innen waren überzeugte Sozialist*innen, doch als sie auf die Peitschen des Marktes gegenüber ‚ihren‘ Arbeiter*innen verzichteten (wie hohe Lohndifferenzen und drohende Arbeitslosigkeit), reagierten diese keineswegs mit aufrechter sozialistischer Arbeitsdisziplin. „Es ist üblich geworden, daß viele Bauarbeiter in der Arbeitszeit auf den Straßen umherlaufen und Einkäufe tätigen. Es ist üblich geworden, die Arbeitspausen in den Bauwagen stundenlang! Auszudehnen“ (Hanke zit. nach Vollmer 1999: 369f). Die Kommandosozialist*innen weiteten Gleichheit und Gerechtigkeit aus, aber mit dem Wegfall der Konkurrenz nahm die Ineffizienz zu und die staatliche Macht ab. Der Realsozialismus war politisch hart, ökonomisch aber war er sanft.  

Das Problem wiederholt sich auf betrieblicher Ebene. Ohne die Peitschen des Marktes (wie Konkurrenz und Konkursmöglichkeit) täuschten die Direktor*innen „mit offenbar beträchtlichem Erfolg die Planungsinstanzen über ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit“, um die Planerfüllung zu vereinfachen und Prämien zu sichern (Gutmann 1999: 32).[1] Darum empfiehlt ein DDR-Professor: „Bei der Ausarbeitung entsprechender Methoden sollten wir uns stärker auf bewährte Verfahrensweisen kapitalistischer Unternehmer besinnen“ (zit. nach Vollmer 1999: 369). Nach 40 Jahren DDR die Schlussfolgerung: zu wenig Kapitalismus. Noch deutlicher wird Gerhard Schürer, immerhin für 25 Jahre Vorsitzender der obersten Staatlichen Planungskommission: „Es ist nun bewiesen, daß eine überzentralisierte oder gar totale Planung […] weder sinnvoll [ist] noch planerisch und verwaltungstechnisch beherrschbar, auch nicht mit der besten Computertechnik“ (Schürer 1999: 81). Das Problem erschöpft sich nicht in fehlender ökonomischer Effizienz, sondern bezieht sich insgesamt darauf, dass der Staat grundlegende Ziele – und Effizienz war so eines – nicht erreicht hatte.[2] Damit steht auch die Nachhaltigkeit einer grünen Kommandowirtschaft in Frage.   

And again: Noch immer regiert das Geld die Welt 

 Heutige Kommandosozialist*innen erklären das Problem häufig durch außenwirtschaftliche Blockade, fehlende Demokratie und schlechte Planung. Ihre Antwort: Globalität, Demokratie und Computer. Doch andere, antiautoritäre Marxist*innen erkennen ein fundamentaleres Problem. Für Robert Kurz gehört die Kommandowirtschaft fest zur kapitalistischen Moderne, indem sie wie diese auf Lohnarbeit und Geld beruht, und Waren für den Verkauf produziert.[3] Sie spielt nur das staatliche Moment des Kapitalismus gegen das markförmige aus, ersetzt die Marktkonkurrenz durch das Plankommando (vgl. Kurz 1991: 89). In beiden Gesellschaften arbeiten Arbeiter*innen und Betriebe nicht zuerst für den Gebrauchswert, sondern den Tauschwert, das Geld, den Profit. Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass die Arbeiter*innen, die weiter von den Konsumgütern getrennt sind, nicht zuerst an Effizienz, Nachhaltigkeit und Qualität interessiert sind, sondern an der Bezahlung. Gleiches gilt für die Betriebsführung, denen es vor allem um die Sicherung der Boni oder Materialzuwendungen geht und erst sekundär bzw. nur als Mittel zum Zweck um die Produktion von Gebrauchswerten. Kommandosozialismus war wie Marktwirtschaft keine gebrauchswertorientierte, sondern eine tauschwertorientierte und insofern undemokratische Wirtschaft.  

Mit der Demokratie ist es sowieso so eine Sache in der Kommandowirtschaft. Die meisten heutigen Kommandosozialist*innen verfechten eine ‚demokratische Planwirtschaft‘, aber das alle realsozialistische Systeme Diktaturen waren (die aber die Diktatur des Marktes beseitigten), war kein Zufall. Eine autokratische und zentralisierte Wirtschaftsform tendiert zu autokratisch politischer Form, denn sie konzentriert enorm viel Macht über Arbeitskraft und Ressourcen bei den Regierenden.   

 Weiteres folgte aus dem Fortdauern von Lohnarbeit und Geld: Fortschreitende Privatisierung und Abwertung der Sorgearbeit und damit Erhalt einer wichtigen Grundlage des modernen Patriarchats. Fortführung des Externalisierungsprinzips mit Unternehmen, die ihre Kosten unter Umgehung, Ignorierung und Einschränkung ökologischer Prinzipien senken. Fortsetzung des Klassenprinzips mit der Kontrolle der Produktionsmittel durch den Staat und seine Bürokratie, und nicht, wie es die Ideologie behauptete, durch die Bevölkerung. Fortsetzung der Ausbeutung und Mehrwertextraktion innerhalb der Arbeit.  

Und Konsumfixierung: Arbeiter*innen, die zur Arbeit erpresst sind, verlangen (steigenden) Konsum als Belohnung für ihre tagtägliche Unterwerfung unter die Arbeit. Deswegen werden Arbeiter*innen des globalen Nordens ihre imperiale Lebensweise verteidigen, denn privater Reichtum auf Kosten  anderer, durch Armut, Rassismus und Prekarisierung ist der einzige Reichtum, den sie kennen. So negiert der Arbeitszwang weniger warenförmige Praxis von Wohlstand, die für ein erfülltes und ökologisches Leben unerlässlich ist.  

Eine moderne Neukonzeption der Planwirtschaft muss die Niederlagen unserer Vorkämpfer*innen im 20. Jahrhunderts wirklich ernst nehmen, sonst haben sie umsonst gesiegt, verloren und gelitten. Für mich bedeutet dies, für eine Planwirtschaft zu streiten, die den Tauschwert beseitigt, eine Planung jenseits des Kommandos, jenseits des Arbeitszwangs, jenseits der Lohnarbeit. 

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[1] Das Resultat dieser „betriebsegoistischen Politik“ waren sogenannte „weiche Pläne, d.h. Pläne, deren Erfüllung keine Höchstleistungen von den Betrieben erforderte. Dieses Phänomen war zwar auch den Planbehörden bekannt, es gab jedoch keine probaten Mittel, es auszuschalten“ (Gutmann 1999: 35). Die Direktor*innen wappneten „sich gegen die überzogenen Planvorgaben ‚von oben‘ […] indem sie ihre wahren Produktionsmöglichkeiten verschleierten und unterhalb der Höchstauslastung planten“, so entstand ein „Versteckspiel zwischen Betrieb und Zentrale“ (Hilbert), ein aufwändiges „Planpoker“, „wer es beherrschte, der galt als ein erfolgreicher Direktor“ (Roesler 2002: 55). 

[2] Und ökonomische Effizienz war sicherlich eines der zentralen Ziele der Realsozialismen: „Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung“ schreibt Lenin.  

[3] Kurz geht sogar noch weiter: Für ihn stellt der Realsozialismus vor allem ein Modernisierungsregime dar, das zurückgefallene Agrarländer für die industrielle Konkurrenz fit macht, ein Argument, das bspw. auch Branko Milanovi? – nur positiv gewendet – macht. 

 

Weiterführende Literatur:  

Robert Kurz (1991): Kollaps der Modernisierung, Vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie, Eichborn.  

Decker/Held (1989): „DDR kaputt – Deutschland ganz. Eine Abrechnung mit dem „Realen Sozialismus“ und dem Imperialismus deutscher Nation, Resultate.  

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