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Nachhaltigkeit vs. Wirtschaftswachstum

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So hieß eine vielversprechende Veranstaltungsreihe an der Universität Bern, welche in diesem Frühling vom Forum für Universität und Gesellschaft der Uni organisiert wurde. Die Einladung erreichte auch unsere Initiative Décroissance Bern.

Ein Blick ins Programm, auf der Suche nach kritischen Stimmen, brachte zwei Hoffnungsschimmer: Prof. Dr. Mathias Binswanger und PD Dr. Irmi Seidl. Wir fanden sie zwischen sehr vielen Vertreter/innen aus der Wirtschaft, einigen Vertreter/innen von Ämtern und natürlich Professor/innen von verschiedenen Universitäten.

Die Themen waren gut gewählt: Es ging um Bedürfnisse und Ansprüche, Ressourcen, Wohlstand, politische Möglichkeiten und Grenzen sowie um Wege in die Nachhaltigkeit. Das Ziel des Weges ist also die Nachhaltigkeit. Diese Aussage machte etwas Mut.

Wenn das Ziel einer Veranstaltung eine kritische Auseinandersetzung ist, dann sollten Kritiker/innen vertreten und erwünscht sein. Wir fragten nach, ob wir einen Stand bei der Veranstaltung aufstellen könnten, um aus unserer Sicht zu informieren. Dies wurde abgelehnt. Überrascht waren wir nicht, weil der Besuch der ersten Veranstaltung schon zeigte: eine kritische Auseinandersetzung fand nicht wirklich statt.

So blieben wir auch bei den folgenden, sehr gut besuchten Veranstaltungen kritische Besucher/innen zwischen den anderen Teilnehmer/innen, die nicht aus den Reihen der Studierenden kamen, sondern ein deutlich älteres Semester repräsentierten. Immerhin war der Saal an allen fünf Veranstaltungen voll.

Kurz, aber prägnant möchten wir im Folgenden unsere Erfahrungen während der Veranstaltung „Wirtschaftswachstum für den Wohlstand“ widergeben. Die Kritik am Wirtschaftswachstum ist in den Augen von Prof. Dr. Aymo Brunetti unberechtigt. Es gebe einen einzigen berechtigten Kritikpunkt – die Erzeugung von Armen und Reichen. Aber auch dafür habe das System ein Mittel und zwar die Revolution. Prof. Dr. Mathias Binswanger konnte aufzeigen, dass gefühlter Wohlstand eine Obergrenze hat, die schnell erreicht ist und dass dieser keinesfalls mit dem materiellen Wohlstand zusammen ins Unendliche wächst. Felix Kunz vom Innocampus Biel sieht die Lösung in der technischen Innovation, ist sich aber bewusst, dass auch effiziente Technik alles andere als nachhaltig sein kann. So stecke in einem Handy Kinderarbeit, Krieg um Rohstoffe, Landgrabbing und Giftmüll. Die Endlagerung des Atommülls ist eines der größten Probleme trotz „sauberer“ Energieerzeugung. Der Vertreter von CLS Behring sprach nur über eine innovative Gebäudetechnik der neuen Werke und über das „nachhaltige“ Verhalten als Arbeitgeber bei der Konkurrenz um die besten Mitarbeiter/innen. Die Vertreterin von Migros zeigte, dass Nachhaltigkeit als Begriff und Inhalt in ihrem Unternehmen verstanden wird und sprach über Pestizide und Umweltzerstörung, von ihren Bemühungen zusammen mit den Bauern auf Bio umzustellen, von der Entwicklung von Zertifikaten und über das Dilemma mit dem Palmöl. Sie betonte auch die Vorteile der Genossenschaft gegenüber einer AG, die darin bestehen, dass erstere nicht dem Kapital und dem Wachstum dienen muss.

Am letzten Veranstaltungstag „Wege zu einer nachhaltigen Gesellschaft“ wurde einmal mehr klar, wie viel von der Definition der „Nachhaltigkeit“ abhängt. Da gehen die Vorstellungen teilweise weit auseinander. Irmi Seidl stellte das Dreikreisemodell der Nachhaltigkeit etwas anders dar, als man es üblicherweise sieht: Nicht drei Kreise, die sich überlappen, sondern als größtes Gebiet die Natur, darin eingebettet die Gesellschaft und wieder als Teilmenge davon die Wirtschaft – Vorrang wird also Natur und Gesellschaft eingeräumt. „Die Politik ist nicht auf Nachhaltigkeit eingerichtet“, war eine ihrer wohlbegründeten Kernaussagen. In der Diskussion mit den anderen Redner/innen und dem Publikum konnte Irmi Seidl am meisten punkten. Während der Klimaphysiker Thomas Stocker forderte, die Ökonomie müsse Indikatoren kreieren, erwiderte Seidl, wir hätten diese Indikatoren bereits, aber die Politik müsse diese anerkennen – aber leider warteten die Medien immer bloß auf BIP-Zahlen.. Auch Bruno Oberle vom schweizerischen Umweltbundesamt kritisierte, dass selbst die Logik der Universitäten von Wachstum geprägt sei.

Bern Grafik

Fazit: Als Antwort auf die Titelfrage des Forums – „Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum – ein Widerspruch?“- ist die klare Antwort: Ja, sie sind und bleiben ein Widerspruch. In einer Wirtschaft, wo Wachstum ein Muss ist und Nachhaltigkeit ein „Luxusproblem“ (Zitat Herr Brunetti), wird es keine Nachhaltigkeit geben. Erst wenn wir das ganze System hinterfragen, werden wir die Antworten finden, die uns Innovationen allein nicht bringen kann. Als Schlusswort möchte ich noch Herrn Binswanger zitieren, der sich mit Herrn Brunetti zwar einig darüber war, dass Ökonomie Nutzen erzeugen müsse, aber dann doch fragte, „macht Wachstum um des Wachstums Willen Sinn?“.

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