Thesen für eine Postwachstumsgesellschaft

Alterssicherung

Der monetäre Generationenvertrag der Alterssicherung muss in einer Postwachstumsgesellschaft durch einen nicht-monetären, sozialen Generationenvertrag ergänzt werden. (François Höpflinger)

Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen gehört heute zu den wenigen verbliebenen Wachstumsmärkten. Im Hinblick auf eine Postwachstumsgesellschaft ist es wichtig, es zu einem von Eigenverantwortung mitgeprägten, kosteneffizienten Solidarsystem zu transformieren. Dieses soll sich an der Gesundheit sowohl des Einzelnen als auch der Gesellschaft orientieren und bestrebt sein, Menschen mit Krankheiten auf eine Weise zu heilen, die an den Ursachen ansetzt und langfristig wirkt. (Hans-Peter Studer)

Bildung

Bildung ist sowohl Voraussetzung für eine Postwachstumsgesellschaft als auch Selbstzweck. Bildung macht reich jenseits von Ressourcenverschwendung und Statussymbolen. Wissen alleine reicht dabei nicht: Der Bildungsbegriff muss um Aspekte des Könnens und der Lebenskunst erweitert werden. (Christine Ax)

Arbeitsmarkt

In allen hoch entwickelten Industrieländern sinken die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts bei schrumpfendem Industrie- und wachsendem Dienstleistungssektor längerfristig. Die Wirtschaftspolitik sollte diese Trends erkennen und nutzen. Arbeitszeitverkürzungen und die Schaffung von – vor allem staatsnahen – Dienstleistungen müssen eine entscheidende Rolle spielen. (Norbert Reuter)

Verteilungsgerechtigkeit

Das Ziel einer gerechten Verteilung steht einer auf Postwachstum ausgerichteten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik nicht entgegen. Im Gegenteil: Die Orientierung auf Postwachstum ermöglicht es, für die bestehende Situation von geringem oder ausbleibendem Wachstum die Frage nach einer gerechten Verteilung zu stellen, statt diese Frage in die ferne, aber unerreichbare Zukunft hoher Wachstumsschübe zu vertagen. (Matthias Möhring-Hesse)

Konsum

Ökonomisches Wachstum wird von wachsendem Konsum angetrieben; dieser wird ermöglicht und geprägt durch das Zusammenspiel von globalen Ungleichheiten, billigen Ressourcen, marktwirtschaftlichem Wettbewerb sowie technologischem Wandel. Eine Postwachstumsgesellschaft muss das Wachstum des Konsums materieller Güter einschränken und soziale Ungleichheiten– global wie national – aktiv begrenzen. (Inge Røpke)

Steuerpolitik

Die Steuerpolitik hat wichtige Faktoren kaum berücksichtigt: die Globalisierung von Produktion und Märkten, insbesondere der Märkte des Finanzsektors; die Alterung der Gesellschaft; die zunehmende Umweltbelastung und das verlangsamte Wirtschaftswachstum. Das heutige Steuersystem widerspiegelt die Situation seiner Entstehung in einer weitgehend national organisierten Ökonomie mit starken Wachstumsraten. Eine Postwachstumsgesellschaft erfordert eine angemessene Besteuerung von Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen, eine Steuer- und Abgabenentlastung der Löhne sowie eine sozial-ökologische Steuer- und Finanzreform. (Lorenz Jarass)

Ressourceneffizienz

Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit sind nur vereinbar, wenn es gelingt, neben das Klimaziel ein explizites Ressourcenverbrauchsziel zu stellen, und wenn diese ökologischen Ziele die ökonomischen Ziele dominieren. Die notwendige Steigerung der Ressourcenproduktivität kann in Deutschland mit Informations- und Beratungsprogrammen und ökonomischen Instrumenten erreicht werden. (Bernd Meyer)

Unternehmensverfassungen

Das bisherige Wirtschaftswachstum beruht auf der Ausbeutung von Gemeingütern durch Externalisierung privater Kosten. Die Externalisierung wird verhindert, wenn als gesamtwirtschaftliches Ziel die Nachhaltigkeit an die Stelle des Wachstums tritt, sodass einzelwirtschaftlich die jeweils nachhaltigere Produktion in den Grenzen der Substanzerhaltung wächst, während die weniger nachhaltige schrumpft. Das erfordert eine Markt- und Unternehmensverfassung, die das Kapital der Sozialbindung des Eigentums unterwirft. Bleibt es beim Primat der endlosen Kapitalakkumulation, so werden die Gemeingüter auch weiterhin aufgezehrt. (Gerhard Scherhorn)

Finanzmärkte und Banken

Es bedarf dringend eines durch finanzwirtschaftliche Aufklärung herbeigeführten Bewusstseinswandels und der ordnungspolitischen Neuordnung des Finanzmarktes. Eine solche muss ein Verbot von Finanzdienstleistungen beinhalten, die nicht der Realwirtschaft dienen. Banken sollten jene wirtschaftlichen Aktivitäten finanzieren und begleiten, die unmittelbar oder mittelbar den Menschen dienen – ihren sozialen Bedürfnissen und ihren Bedürfnissen gegenüber Natur und Umwelt. (Thomas Jorberg)

Staatsfinanzen

Trotz des Wirtschaftswachstums der letzten Jahrzehnte ist die öffentliche Verschuldung stark gestiegen. Die Staatshaushalte waren selten ausgeglichen. Die öffentlichen Finanzen ins Lot zu bringen ist unumgänglich, um kurz-, mittel- und langfristig Krisen und Zusammenbrüche zu verhindern. Dazu braucht es indes nicht Wirtschaftswachstum: Eine Postwachstumsgesellschaft kann die große Herausforderung, die Staatsfinanzen zu sanieren, vielleicht sogar besser meistern, weil sie die trügerische Hoffnung auf Wirtschaftswachstum als Problemlöser aufgibt und sich neue Denkräume und Handlungsalternativen erschließt. (Irmi Seidl und Angelika Zahrnt)

Demokratie, Bürgerschaft, Partizipation

Der Weg zu einer Postwachstumsgesellschaft muss von umfassender demokratischer Deliberation und Partizipation getragen sein. (Claudia von Braunmühl)