In meinem letzten Beitrag habe ich mich für das ökologische Grundeinkommen ausgesprochen. Dagegen wird häufig eingewandt, dass der Staat auf die Einnahmen einer Öko-Abgabe nicht verzichten könne. In diesem Beitrag werde ich jedoch aufzeigen, dass man die betreffenden Mittel gar nicht benötigt, wenn die ökonomischen Renten konsequent abgeschöpft werden.
Finanzierung des Kernstaates
Natürlich muss der Staat finanziert werden. Dies kann aber aus Quellen geschehen, mit denen keine Zusatzlasten verbunden sind, die also die Wirtschaftstätigkeit nicht entmutigen. Dies sind idealerweise v.a. die Bodenrenten. Bodenrenten ergeben sich aus den Ertragsvorteilen der besseren Standorte (sei es aufgrund einer besseren Lage, einer höheren Intensität oder einer anderen Qualität der möglichen Bewirtschaftung). Sie können aus land- und forstwirtschaftlichen wie aus städtischen Grundstücken entstehen – wobei die letztgenannten die größten Erträge bergen. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen wird durch die Abschöpfung der Bodenrenten nicht beeinträchtigt. Denn grundsätzlich ist es egal, ob z.B. die Erträge aus den Standortvorteilen städtischer Grundstücke vom privaten Vermieter, dem privaten Eigentümer oder vom Staat abgeschöpft werden.
Anders als bei den im ersten Teil des Beitrages diskutierten Umweltabgaben handelt es sich bei den Bodenrenten um „echte Renten“. Umweltabgaben führen die Kosten der Degradierung der Umwelt auf ihren Verursacher zurück; sie stellen insoweit also keinen Überschuss der Erträge über die Kosten dar. Der Vorstellung, dass z.B. bei der Setzung von Eigentumsrechten im Zusammenhang mit der Ausgabe von Verschmutzungsrechten an der Atmosphäre „atmosphärische Renten“ (Barnes / Pomerance 2000) entstehen, muss insoweit zumindest aus gesamtwirtschaftlicher Sicht widersprochen werden.
Bei der Nutzung von Standortvorteilen verhält es sich anders: Die bloße Nutzung von Standortvorteilen bringt nämlich keine Kosten der Degradierung der Natur oder eine Erhöhung der Entropie mit sich – diese wäre mindestens genauso hoch, wenn die wirtschaftlichen Aktivitäten auf schlechteren Standorten durchgeführt würden. Gesamtgesellschaftlich entsteht durch die Nutzung von Standortvorteilen daher kein Aufwand. Anders als bei der Verknappung von Umweltgütern zur Rückführung externer Effekte handelt es sich bei Bodenrenten daher um „echte Renten“ im gesamtwirtschaftlichen Sinn.
Bodenrenten sind somit Ausdruck des sozialen Überschusses –der Differenz zwischen Volkseinkommen und den Kosten der mobilen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sowie der Degradierung der Umwelt. Sie stellen einen Überschuss (Residuum) der Preise über die Kosten der Produktion dar: Zwar gehen sie in die Produktpreise ein, aber eben nicht als Kosten. Dieser Überschuss kann ungeschmälert von der privaten in die öffentliche Hand umgeleitet werden – die ihn auch geschaffen hat. Denn die Bodenrenten und die daraus hervorgehenden Bodenwert hat nicht der Bodeneigentümer gemacht: Obwohl die Umwelt durch die bloße Nutzung von Standortvorteilen nicht degradiert wird, sind Bodenrenten und Bodenwerte dennoch das Ergebnis von Anstrengungen der Allgemeinheit. Dort, wo sich Fachkräfte ballen, wo reichhaltig öffentliche Leistungen (Gesundheit, Sicherheit, Kultur etc.) angeboten werden, sind sie hoch – ohne Zutun des Bodeneigentümers. Aus diesem Grunde sind die Bodenrenten und Bodenwerte in München höher als in den Dörfern vor dem Hindukusch, wenngleich beide einen wunderschönen Blick auf die Berge erlauben.
Anders als herkömmliche Steuern entmutigen und verzerren Abgaben auf die Bodenrente die wirtschaftliche Betätigung nicht. Abgaben auf die Bodenrente sind – anders als die heutigen Steuern – neutral, wenn sie durch eine entsprechende Landnutzungsplanung flankiert werden. Mit ihnen gehen dann weder positive noch negative Zusatzlasten einher. Die Öffentlichkeit, die Bodenrenten und Bodenwerte geschaffen hat, bekommt diese wieder zugewiesen. Viele Fehlentwicklungen, die sich ansonsten aus der Entkopplung von Nutzen und Kosten ergeben („Rent Seeking“), können so vermieden werden. Dwyer (2014) bezeichnet daher die Abschöpfung der Bodenrenten sogar als „super-neutral“.
Und: Nach dem u.a. von Arnott und Stiglitz (1979) formalisierten Henry George-Theorem lassen sich allein durch die Abschöpfung der Bodenrente die fixen Kosten des Kernstaates finanzieren. Verallgemeinert man das Henry George-Prinzip (Stiglitz 2014), schöpft man also (v.a. via Auktion) bei der Zuteilung noch anderer Rechte die Renten ab, wird die Finanzierungsbasis noch breiter. Zudem verhindert man die Entstehung von Privilegien. Zu denken ist z.B. an die Zuteilung von Start- und Landerechten oder von Sendefrequenzen etc. via Auktion. Unter Ökonom/innen besteht im Übrigen Einigkeit, dass allein schon wegen der fehlenden Elastizität des Angebotes von Land bzw. ähnlichen Rechten eine Abgabe auf solche Sondervorteile nicht auf die Verbraucher/innen überwälzbar ist. Wird beispielsweise ein Gebäude aufgrund einer Aufstockung oder energetischen Sanierung durch die Grundsteuer höher belastet, kann der Investor die Maßnahme unterlassen. Er wird daher eine solche Maßnahme nur durchführen, wenn er die Steuern überwälzen kann. Ganz anders verhält es sich, wenn nicht das aufstehende Gebäude (= Kapital) belastet wird, sondern allein der Grund und Boden – und zwar mit einer Abgabe, die sich an der höchsten und besten Nutzung orientiert („highest and best use“). Egal was der Grundstücksbesitzer macht oder unterlässt, er kann der Abgabe nicht ausweichen. Auch kann er das Grundstück nicht nach Luxemburg bringen – anders als der Kapitaleigner. Weil er nicht ausweichen kann, hat der Grundstücksbesitzer die Abgabe nicht nur zu zahlen, sondern auch wirtschaftlich zu tragen.
Schließlich ist die Abschöpfung der ökonomischen Renten auch ergiebiger als die herkömmlichen Steuern: U.a. entmutigen Letztere die wirtschaftliche Betätigung (sog. „steuerliche Zusatzlasten“), ohne Rücksicht darauf, ob diese ökologisch verträglich ist oder nicht. Will er die Kuh, die er melkt, nicht umbringen, muss sich der Staat mit der Steuerbelastung zurückhalten. Anders bei der Abschöpfung der ökonomischen Renten, die ohne „Zusatzlasten“ erhoben werden können. U.a. deshalb ist das Finanzierungspotential ungleich höher als dasjenige der herkömmlichen Steuern, die regelmäßig nur einen relativ geringen Teil des sozialen Überschusses abschöpfen können, wenn die Wirtschaft nicht zum Erliegen gebracht werden soll.
Wird zudem – wie in meinem letzten Beitrag befürwortet – der Einkommenseffekt von Umweltabgaben durch ein ökologisches Grundeinkommen wieder kompensiert, schmälern die oben propagierten Umweltabgaben trotz des Substitutionseffektes – anders als heute – den sozialen Überschuss bzw. die Bodenrente nicht. Denn haben die Menschen mehr Geld in der Tasche, steigt auch der soziale Überschuss entsprechend an – und kann über die Abschöpfung der Bodenrente wieder den öffentlichen Haushalten zugeführt werden. Die als ökologisches Grundeinkommen an die Bürger/innen ausgeschütteten Mittel entgehen also nicht dem Fiskus. Allerdings unterscheiden sich u.a. die Inzidenzen und Distributionswirkungen erheblich von einer unmittelbaren Zuweisung an die öffentlichen Haushalte (Löhr 2015).
Die Ausschöpfung der finanziellen Möglichkeiten des Staates ist angesichts der Aufgabe eines nachhaltigkeitstauglichen Umbaus der Infrastrukturen (Verkehr, Elektrizität etc.) dringend notwendig. Der hier dargestellte Grundsatz der Finanzierung des Kernstaates über eine „neutrale“ Finanzquelle ohne positive wie negative Zusatzlasten entspricht im Grundsatz den physiokratischen Vorstellungen einer “Single Tax” (der Begriff “Tax” ist allerdings ein unglückliches Etikett, s. dazu den dritten Teil dieses Blogbeitrags). Dieser Grundsatz ist derzeit jedoch weder realisiert, noch wird er ernsthaft verfolgt. Statt dessen werden ökonomische Renten weitestgehend privatisiert und nicht zugunsten der Gemeinschaft abgeschöpft – dies, obwohl diese Sondervorteile erst durch Inwertsetzungs- oder Verzichtsleistungen der Gemeinschaft entstanden sind, also durch externe Effekte.
Literatur:
Arnott, R. J. / Stiglitz, J. E. (1979): Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods, and Optimal City Size, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 93 No. 4, S. 471-500.
Barnes / R. Pomerance: Pie in the Sky – The Battle for Atmospheric Rent, Washington 2000.
Dwyer, T. (2014): Taxation: The Lost History, in: The American Journal of Economics and Sociology, Annual Supplement, 73. Jg., Nr. 4, Oktober, S. 664-988.
Löhr, D. (2015): Die Plünderung der Erde, Marburg (in Erscheinung).
Stiglitz, J. E. (2014): Reforming Taxation to Promote Growth and Equity, White Paper, Roosevelt Institute, 28. May. Online: http://rooseveltinstitute.org/sites/all/files/Stiglitz_Reforming_Taxation_White_Paper_Roosevelt_Institute.pdf