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Liegt die Zukunft in Elektro-Sauriern?

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Dem Elektroauto gehört die unmittelbare Zukunft, so tönt es allenthalben. Seltsame Allianzen tun sich auf, bis weit in die Klimaschützer-Szene scheint man einig: Verbrennungsmotoren gehören so schnell wie möglich verboten, die passten nicht in die dekarbonisierte Welt, einem Globus ohne Verbrennung von Kohlenstoff. Dekarbonisierung ist Konsens, soweit so gut. Und Elektroautos bringen uns in die dekarbonisierte Zukunft. Niemand widerspricht, angeblich. Deshalb ist es Zeit, genau das zu tun:

Der Modebegriff Dekarbonisierung, er erleidet gerade dieselbe Sinnentleerung wie seit geraumer Zeit schon die „Nachhaltigkeit“, die inzwischen jede Milchtüte ziert. Was unter dem Label „Dekarbonisierung“ firmiert, ist sakrosankt. Autoindustrie und Politik sind damit gerade sehr erfolgreich: E-Autos werden als Teil der Lösung auf dem Weg zur dekarbonisierten Welt vermarktet, ein Mantel der Immunität soll sie unangreifbar machen. Und selbst Klimaschützer gehen dieser Saga auf den Leim. Dabei werden mehr Elektromobile – jedenfalls die, die die Autoindustrie gerne anbieten würde – den Ausstoß von CO2 nicht senken, sondern erhöhen.

„Elektro“-Label oder Mobilität des Miteinander?

Automobile sind keine Kraftwerke, die direkt an der Quelle dekarbonisiert werden müssen. Aber Stromautos verbrauchen Energie aus schmutzigen Kraftwerken und sie sind in ihrer Produktion mit sehr großen Emissionen von Kohlendioxid verbunden. Selbst wenn man unterstellt, E-Autos führen mit Strom aus Deutschland oder Norwegen mit hohem regenerativen Anteil gilt noch auf Jahre, dass ein E-Auto mehr Kohlendioxid emittiert als ein sparsamer Benziner. Global sieht es noch viel schlechter aus.

Das „Elektro“- Label wird aber zum Freibrief für fast alles, dessentwegen Autos zu Recht in Verruf sind. „Elektro“ wird Alibi für generelles „Weiter so“, gerichtet nicht nur gegen die überfällige Verringerung des Autoverkehrs, sondern auch gegen eine nachhaltige Mobilität des Miteinander.

Die Industrie versucht, innovative technische Ansätze – und der elektrische Antrieb gehört sicher dazu- in ihr Gegenteil zu verkehren. Sie muss aber – zum Einen – völlig andere Produkte anbieten und wir werden – zum Anderen – unser Verhalten ändern müssen, um im Verkehr wirklich Kohlendioxid einzusparen. Elektrisch fahren Bahnen und Fahrräder viel effizienter als Autos.

Nichts als alter Wein in neuen Schläuchen

Was uns als „Dekarbonisierung“ im Verkehrssektor untergejubelt wird, ist alter Wein in neuen Schläuchen. Der alte Wein, das sind die wahnwitzig überzogenen Gewichte und Motorleistungen, nur immer extremer. Sie kommen in neuem Gewand, elektrisch, dekarbonisiert. Faszinierend, wenn alles durch technische „Lösungen“ so bleiben kann, wie es ist.: Wir müssen nur den Antrieb auf Elektrizität umstellen und weiter geht es im Auto wie bisher, noch gewichtiger, noch schneller. Angeblich reicht es, nur den Antrieb zu wechseln, um zu dekarbonisieren. Das Gegenteil ist richtig: Der Antrieb ist nicht das vorrangige Problem, sondern das sind Gewicht und Leistung. Der elektrische Anrieb ist nur die neue Verpackung. Erfolgreich: Davon, wirklich Energie einzusparen, redet keiner mehr.

Denn genau die Modelle, die gegenwärtig faszinieren, sparen nicht. Ursache – und sie wird es noch eine Weile bleiben – sind der hohe Platzbedarf und das enorme Gewicht der Batterien. Prototyp des faszinierenden E-Mobils – und gleichzeitig das dümmste seiner Art – ist das Modell Tesla, das die Problematik der Reichweite von Batteriestrom recht simpel “löst“: Ein riesiges und schweres Pack von Batterien wird unterhalb des Fahrgastraumes installiert – fertig.

Sollen die Fahrzeuge eine große Reichweite haben, werden schwere und große Batteriepakete unausweichlich. Das Vorbild Tesla 90 wiegt leer weit über 2 Tonnen, die bewegt werden müssen. Die dafür nötige Energie wird nicht dadurch geringer, dass sie aus Strom kommt statt aus Benzin. Zusätzlich aber haben diese Saurier-Autos aufgrund des elektrischen Antriebs auch noch enorme Beschleunigung, also sogar noch höheren Energiebedarf. Die Beruhigungspille „E-Antrieb = Dekarbonisierung“ wirkt erstaunlich: Autos müssen nicht mehr kleiner, leichter, langsamer, geringer motorisiert werden: Sie dürfen wachsen, ins Unermessliche, wie neue SUVs immer wieder vorführen.

Wenn diese Fahrzeuge schnell gefahren und beschleunigt werden, ist der Energieverbrauch weit höher als bei konventionellen, leichteren Autos. Und bei Nutzung im Fernverkehr muss häufig aufgeladen werden – kein triviales Problem. Bisher sind Ladesäulen oft in Städten installiert. Tankstellen an Autobahnen bräuchten sehr leistungsfähige Verbindungen zum Stromnetz und viel Platz: Das Tanken dauert erheblich länger als bisher. Sobald die Millionen, in vielen Staaten sogar noch vom Staat geförderten, Elektroautos im Fernverkehr unterwegs sind, müssen da schon Fußballfelder als Tankstellen her. Aber weder der Platz noch die leistungsfähigen Leitungen sind vorhanden. Sie zu bauen, kostet Energie. Planung und Bau werden sehr lange dauern.

Bei derart stark beschränktem Potential im Fernverkehr bleibt nur der E-Wagen als Mietauto oder als eigener Klein(st)wagen in der Stadt – bei auch beschränktem Volumen. Bisher sind Strom- Säulen in den Städten oft an zentralen Plätzen installiert. Wenn das Tanken von Strom auch bei Mietshäusern möglich werden soll, werden sich unsere Städte – nachdem die autogerechten Stadt als überwunden gilt – allerdings nicht in urbane Orte, sondern eher in riesige Parkplätze mit Stromsäulen verwandeln. Das Ganze wird man dann vielleicht die „dekarbonisierte Stadt“ nennen.

Dieser Artikel ist zuerst als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom 13. Juli 2016 erschienen.

Foto © Theresa Zimmermann

5 Kommentare

  1. Hallo,
    Interessanter Artikel ich denke schon das dies eine Zukunft hat, aber wir brauchen definitiv mehr Ladestationen wenn diese Möglichkeit überall besteht und es schneller funktioniert werden denke ich auch mehr Leute auf e Mobilität umsteigen.
    Liebe Grüße Karl

  2. Die Nutzung von Miet-E-Kisten oder Stadt-E-Autos kann meiner Sicht nach keine Lösung sein. Vielleicht ein Teil. Wenn man dieses Postwachstum jetzt verstehen wollte. Würde mir einfallen, dass man die Massenmobilität zurückfahren müsste. Weit weg, hier her, dort hin usw.. Die Leute müssten mehr ÖPNV oder Fernverkehr der Bahnen nutzen. Laufen oder Rad Fahren.

  3. Bergahorn sagt am 3. Oktober 2016

    Zu einfache Anworten laufen Gefahr, schnell falsch oder überholt zu werden. Sicher ist TESLA ist seiner bisherigen Anfänger-Produktion viel zu schwer, er kommt aber schon deutlich zu leichteren Lösungen (TESLA 3), die bereits vor Produktionsbeginn extrem ausverkauft sind. Cleverer ist ein E-Kleinwagen wie z.B. RENAULT ZOE mit leider noch 1,5 Tonnen Gewicht oder der VW E-Up! mit Solarstrom. Auch Letztere sind noch viel zu schwer!! Die leicht mögliche, deutliche Reduktion des Gewichtes aller Fahrzeuge wurde z.B. in Deutschland bisher systematisch von der Automafia und ihren HandlagerInnen in der Politik verhindert, weil Mann mit schweren und dummen Fahrzeugen mehr verdienen und protzen kann. Wichtig wäre eine Bevorzugung aller leichten, kleinen und besonders ressourceneffizienten und emmisionsarmen Fahrzeuge und ihrer Nutzungen, z.B. Fahrräder, elektrische Leichtfahrzeuge, Busse (1 Motor für 40 Personen), Fahrgemeinschaften, Car-Sharing. Elektroantriebe sind nicht immer, sondern unter bestimmten Bedingungen besser und förderungswürdig.

  4. Die Nutzung von Miet-E-Kisten oder Stadt-E-Autos kann meiner Sicht nach keine Lösung sein. Vielleicht ein Teil. Wenn man dieses Postwachstum jetzt verstehen wollte. Würde mir einfallen, dass man die Massenmobilität zurückfahren müsste. Weit weg, hier her, dort hin usw.. Die Leute müssten mehr ÖPNV oder Fernverkehr der Bahnen nutzen. Laufen oder Rad Fahren. Das Eauto sei angeblich in der Produktion viel intensiver als das Verbrennungsauto. Und der Strom für diese ekisten soll erst noch gewonnen werden um die Lademenge zu gewähren? Ein Individualverkehr mit einzelnen Fahrzeugen erscheint angesichts Ihrer Postwachstumsidee als Schwachsinn. Jedenfalls für jeden. Der Individualverkehr müsste abnehmen. Vielleicht das noch die Hälfte per Los fahren darf. Ich meine dieses Degrowth verlangt doch Rücknahme nicht Zunahme. Die KFZ-Industrie und alle verbundenen Zweige würden an der Sache kaputt gehen. Wie Sie es drehen erscheint Verzicht zwar irgendwo sinnvoll. Die Frage ist was dann aus der Industrie wird, Kaufkraft, Regionen mit viel KFZ-Firmen, Arbeitslosigkeit, weniger Steuern für die Regierungen usw.? Ihre Ausführungen sind eine erste gute Idee. Keinesfalls eine Lösung. Ich sehe die Lösung im Verzicht, der Reduzierung, des sich Klarwerdens das Menschen keinerlei Exklusivrechte haben gegenüber anderen Spezies. Sich aber erhalten können. Keine Frage. Ich wäre für eine Abkehr des Individuums von sich selbst hin zu einer geteilten Gesellschaft. Was dies dann für Auswirkungen hat sollte man vorher bestimmen. Nicht mittendrin. Degrowth scheint nicht massentauglich zu sein. Ich schreib es keinem vor. Jeder soll selbst richten über sich. Es fehlt wie oft am Interesse einer Masse. Vielleicht ist Degrowth ein richtiger Kern? Sicher. Die Frage ist nur wie das alles ausgeht am Ende wie wenn es jetzt so bleibt?

  5. Mike Schwab sagt am 1. Oktober 2016

    Sehr geehrter Herr Holzapfel und Hr. Lohbeck,

    mit Interesse habe ich als Teslafahrer Ihren Artikel gelesen und möchte folgendes Anmerken:
    1. Ihr Artikel kritisiert die Elektromobilität generell, auch für die Zukunft. Das ist falsch, weil wir in der Übergangszeit (bis zur vollständigen Dekarbonisierung) so viele regenerative Antriebe benötigen als möglich. Sogar Greenpeace akzeptiert effiziente Gas-Blockheizkraftwerke in der Übergangszeit der Energiewende. Es ist halt eine der wenigen, heute schon verfügbaren sauberen Antriebsarten. Auch Lärm macht uns krank: stellen Sie sich vor wie schön die Innenstädte wären, ohne Autolärm! Nur leise surrende Fahrzeuge würden über die Hauptstrassen gleiten.
    2. Zugegebenermaßen ist es eine neue Technologie im Massenstraßenverkehr und die Infrastruktur ist lächerlich dünn vorhanden. (Außer die Tesla-eigenen Schnellladestationen die es in ganz Europa gibt). Aber gerade in der Anfangszeit ist es wichtig, dass wir in diese Technologie einsteigen um Erfahrung zu sammeln, Technologie zu verbessern, günstiger und effizienter zu werden.
    3. Ich fahre einen Tesla S70, der (wie Sie richtig anmerken) für mich persönlich zu groß ist. Als Vielreisender im Außendienst ist es jedoch der einzige PKW der Welt, der länger als 400km ohne Laden fahren kann. Sollte die Industrie einen PKW anbieten, der sehr klein und effizient ist und mehr als 400km am Stück schafft bin ich der erste Kunde. Jedoch: wo bleiben BMW, Audi und Co.?
    4. Nun zuletzt sprechen wir bitte mal visionär und nicht von der heutigen Situation: Stellen sie sich vor wir hätten eine 100%ige Stromversorgung. Dies ist laut wissenschaftlicher Studie („Plan-B 2050“) mittelfristig möglich und ist eines der wichtigsten globalen Ziele um den Planeten weiterhin bewohnbar zu halten. Dann müssen wir wieder umdenken: plötzlich werden die heute verteufelten Elektrospeicherheizungen wieder sinnvoll. Dann müssen wir uns nämlich fragen: welche Anlagen und Maschinen wie Heizungen können wir auf Strom umstellen, um CO2 zu sparen? Es wäre doch dann verrückt eine sparsame Gasheizung weiterzubetreiben, wenn Strom komplett regenerativ vorhanden wäre! Spätestens dann fahren auch Sie mit Strom. Und hoffentlich sind bis dahin viele Menschen bereits vorher auf Elektrofahrzeuge umgestiegen, damit die Technologie dann effizient, ausgereift und bezahlbar ist.
    Spätestens seit Ludwig Bölkow und Franz Alt wissen wir, dass Sonnenenergie im Überfluss vorhanden ist und mit heutiger Technologie (Mix aus allen Gewinnungsmethoden) unseren Strombedarf bereits decken könnte, wenn wir wollten.

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