Angesichts der eskalierenden sozial-ökologischen Krise, die die systemischen Krisentendenzen unserer derzeitigen Wirtschaftsmodells offenlegt, müssen wir über systemische Alternativen wie die einer Demokratische Wirtschaftsplanung (Democratic Economic Planning – DEP) nachdenken. Am 2. April 2025 habe ich in der Online-Vortragsreihe von INDEP , dem Internationalen Netzwerk für Demokratische Wirtschaftsplanung, das Modell einer Kybernetischen Demokratischen Wirtschaftsplanung (Cybernetic Democratic Economic Planning – CDEP) vorgestellt, welches ich gemeinsam mit Jakob Heyer entwickelt habe. Die Aufzeichnung kann hier nachgelesen (PDF) und hier nachgesehen werden:
Viele bisherige Ansätze einer demokratischen Wirtschaftsplanung (Devine, 1988; Laibman, 2001) bleiben hinter den gegenwärtigen wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten zurück, gleichzeitig konnte sich in den letzten Jahren erneut eine verstärkte Debatte über moderne Formen einer demokratischen Wirtschaftsplanung etablieren (Groos & Sorg, 2025; Groos, 2021; Pitt, 2022; Planning for Entropy, 2022; Rochowicz, 2024; Vettese/Pendergrass, 2022). Daher werden in diesem Konzept des CDEP einer demokratischen, zentral-dezentral geplanten Wirtschaft an aktuellen theoretischen Debatten angeknüpft und in diese kybernetische Ansätze und Methoden aus der Nachhaltigkeits- und Umweltsystemforschung integriert, wie beispielsweise Planetare Grenzen (Bringezu, 2022; O’Neill et al., 2018), eine parametrische Steuerung und Regelung mit Feedbackschleifen (Dapprich, 2022a, b) sowie Methoden der ganzheitlichen Lebenszyklusanalyse und -Nachhaltigkeitsmodellierung und -bewertung (Zeug et al., 2023), die in einem ganzheitlichen Modellierungs- und Bilanzierungsrahmen ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen vereinen können.
In unserem Modell einer CDEP erfolgt Planung – verstanden als langfristige organisatorische Antizipation von Maßnahmen – auf mehreren Ebenen: strategischer zentraler Koordination, wissenschaftlicher gesellschaftlicher Bilanzierung sowie autonomer lokaler Koordination und Produktion (Heyer & Zeug, 2024). Das Ziel dieser Kombination aus zentralen Planungselementen sowie dezentralen Regelungs- und Vernetzungstechniken relativ autonom agierender Unternehmen ist, die gesellschaftlichen Bedürfnisse innerhalb planetarer Grenzen zu befriedigen. Mit dem CDEP-Ansatz präsentieren wir ein konkretes und lösungsorientiertes Modell und Instrument für strategische Elemente einer sozial-ökologischen Transformation, die auf die konkrete Utopie eines demokratischen Wirtschaftssystems verweist.
Literatur:
Bringezu, S. (2022): Das Weltbudget: Sichere und faire Ressourcennutzung als globale Überlebensstrategie. Springer Fachmedien Wiesbaden.
Dapprich (2022a): Optimal Planning with Consumer Feedback: A Simulation of a Socialist Economy. In: Review of Political Economy 35(4): 1-21.
Dapprich (2022b): Tokens make the world go round: socialist tokens as an alternative to money. In: Review of Evolutionary Political Economy 4: 497-513.
Devine (1988): Democracy and economic planning: the political economy of a self-governing society. Cambridge, UK: Polity Press.
Groos & Sorg (2025): Creative Construction. Bristol University Press.
Groos (2021): Distributed Planned Economies in the Age of their Technical Feasibility. BEHEMOTH A Journal on Civilisation, 14(2).
Heyer, J., & Zeug, W. (2024): Ökobilanz und kybernetische Wirtschaftsplanung. PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, 54(215), 267-286.
Laibman (2001): ‘Contours of the Maturing Socialist Economy’, Historical Materialism, 9(1), pp. 85–110.
O’Neill, D. W., Fanning, A. L., Lamb, W. F., & Steinberger, J. K. (2018): A good life for all within planetary boundaries. Nature Sustainability, 1(2), 88-95.
Pitt (2022): Self-Organizing Multi-Agent Systems. Algorithmic Foundations of Cyber- Anarcho-Socialism. London/Hackensack.
Planning for Entropy (2022): Democratic Economic Planning, Social Metabolism and the Environment. In: Science & Society 86(2): 291-313.
Rochowicz, N. (2024): Planning progress: Incorporating innovation and structural change into models of economic planning. Competition & Change, 29(1), 64-82.
Vettese/Pendergrass (2022): Half-earth socialism: a plan to save the future from extinction, climate change, and pandemics. Verso, London/New York.
Zeug, W., Bezama, A., & Thrän, D. (2023): Life Cycle Sustainability Assessment for Sustainable Bioeconomy, Societal-Ecological Transformation and Beyond. In Progress in Life Cycle Assessment 2021 (pp. 131-159). Springer.
Ich habe vor einigen Jahren ein Buch von Francis Spufford gelesen. Darin ging es u.a. darum, dass in den 50ern oder so ein Nobelpreis für Ökonomie an mehrere Leute vergeben wurde, die eine Optimierungsformel gefunden hatten (mir fallen die korrekten Namen für die Theorie nicht mehr ein). Und diese Leute kamen aus dem Osten und dem Westen.
Ihre Theorie erlaubt das Optimieren des Outputs bei gegebenem Input oder das Optimieren des Inputs bei gewünschtem Output. Und eigentlich hätte der Ostblock da mehr von gehabt, denn Firmen im Westen unterliegen dem Wettbewerb. Im Westen könnte man also nur auf Ebene der Firmen optimieren, im Ostblock auf der Ebene ganzer Industrien.
Wie Spufford dann zeigte, war das Problem für den Ostblock aber, dass alle Firmen einer Industrie Mangel an irgendwas hatten und bei der Angabe ihrer Zahlen (benötigt für die Formel der Theorie) ihre Daten manipulierte, in Antizipation weiterer Mängel und in der Hoffnung, das zu kriegen, was sie brauchten. Weil sie nun aber versuchten, die Formel durch manipulierte Daten zu beeinflussen, kam kein Optimum heraus.
Der eigentliche Grundgedanke stimmt aber: wenn ich diese Formel auf Industrie- oder Wirtschaftsebene anwende, könnte ich mehr optimieren als wenn ich das nur auf Abteilungs- oder Firmenebene mache, oder?