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(K)eine wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung

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Sozial-ökologische Transformation: (K)eine wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung

Am 23.11.2022 veranstaltete das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW) eine Tagung zum 50. Jubiläum des Club of Rome Berichtes „Die Grenzen des Wachstums“. Mit dem Aufhänger „Wirtschaften als gäbe es ein Morgen“ hat das IÖW und VÖW einen wunden Punkt getroffen. Noch ist es dem globalen Norden nicht gelungen einen seriösen und nachhaltigen Weg einzuschlagen, welcher aussichtsreich und nachhaltig planetarische Grenzen schützt und den sozialen Frieden stärkt. 

Im Rahmen der Veranstaltung wurden verschiedene Ideen und Problematiken aufgegriffen, die genau den wunden Punkt betreffen. So wurde über verschiedene Ideen, Ansätze und Strategien nachgedacht, wie genau mit den Grenzen des Wachstums umgegangen werden kann. Vorschläge reichten von der Idee des Green Growth, die Entkopplung von wirtschaftlichem Wachstum vom Ressourcenverbrauch voraussetzt, bis hin zu Degrowth-Konzepten, welche dies nicht für möglich halten. Degrowth-Ansätze verwerfen das BIP als sakrale Kennzahl des Wohlstandes und fordern ein right-sizing von Volkswirtschaften ein. Was alle Ansätze doch gemeinsam haben, ist, dass der aktuelle Entwicklungspfad weder inter- noch intragenerational gerecht und nachhaltig ist. 

Deutlich wird, dass die Frage nach dem Wirtschaften der Zukunft nicht als ausschließlich wirtschaftswissenschaftliche Frage gedacht werden darf, sondern es eine inter- und transdisziplinäre Frage ist. So bedarf es der Naturwissenschaften, um konkrete biophysikalische Grenzen zu setzen, die nicht überschritten werden dürfen, der Sozialwissenschaften, um der Frage nach dem “guten Leben” für alle auf dem Grund zu gehen und die Menschen „vor Ort“, um lokales Wissen einzubringen, sowie Narrative zu verfolgen und Ziele umzusetzen. Die Ingenieurswissenschaften können technische Lösungen bereitstellen und die Philosophie die Konzepte und Fragen zur normativen Grundlage unseres Handelns liefern. Aber welcher Rolle kommt den Wirtschaftswissenschaften zu? 

Eine wichtige Frage, die die Wirtschaftswissenschaften in dem Kontext beantworten können, ist, wie wir die Ressourcen mobilisieren, die für die Transformation von einer fossilen-Wachstumswirtschaft zu einer, die im Einklang mit den sozio-planetaren Grenzen ist, nötig sind.  

Die Frage nach der Finanzierung muss eigentlich keine Frage sein, denn eigentlich ist es klar: „Anything We Can Do, We Can Afford“ (Keynes, 1942). Während nämlich, ganz im Sinne des Club of Rome-Berichtes, natürliche Ressourcen begrenzt sind, ist es Geld nicht. Das bedeutet, dass Diskussionen über die Finanzierbarkeit des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Umgestaltung des Personennahverkehres politischer und nicht wirtschaftlicher Natur sind. Es ist eine politische Entscheidung, welche begrenzten Ressourcen mit den finanziellen Mitteln eingesetzt werden. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist die finanzielle Machbarkeit der sozial-ökologischen Transformation keine Frage mehr. Das Geld kann geschaffen werden, wie gerade die bereitgestellten Sondervermögen zeigen. Auch die Aussetzung von Defizitgrenzen der EU und der nationalen Schuldenbremse waren und sind möglich, sofern der politische Wille vorhanden ist. Jetzt geht es darum, die technischen und politischen Lösungen zu finden. 

Eine große Stärke der Tagung war es aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Vertreter:innen zu gewinnen. Trotz der unterschiedlichen Rollen, die sie eingenommen haben, sei es Gewerkschaftsmitglied, Repräsentant:in von Naturschutzorganisation und Akademiker:in, wurde nochmals deutlich, dass alle dasselbe Ziel verfolgen: Mit Allianzen ein “gutes Leben” für alle zu ermöglichen. Die Erkenntnis, dass eine nachhaltige Umgestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft nicht am Geld scheitern muss, eröffnet neue Möglichkeiten, scheinbare Interessenskonflikte zu lösen. So muss zum Beispiel Klimaschutz nicht zu Lasten von Arbeitnehmer:innen fallen. Klimaschutzpolitik kann und soll auch neue, gerecht entlohnte Arbeitsplätze schaffen.  

Die Tagung vom IÖW und VÖW war in dem Sinne ein Erfolg, dass Menschen eine gemeinsame Plattform geboten wurde, um aus unterschiedlichen Perspektiven über unsere Zukunft nachzudenken. So wurde deutlich, dass die Debatte um die multiplen Krisen nicht nur aus Angst und Panik bestehen muss, sondern auch mit Hoffnung und neuen Ideen angegangen werden kann.  

1 Kommentare

  1. ich glaube nicht, dass das BIP eine „sakrale Kennzahl des Wohlstandes“ ist. Mit der absoluten Größe (pro Kopf) wird doch nicht hausieren gegangen.
    Was in der täglichen Diskussion immer ein Rolle spielt, ist das Wachstum des BIPs. Denn das ist eine strunz einfache Kennzahl (eine, die sogar ein Politiker versteht), die relativ zuverlässig anzeigt, ob es eine Krise gibt oder nicht. (mehr nicht!)

    Wo jetzt die Forschung ansetzen muss, ist die Ursache für diesen Wachstumszwang herausfinden. Denn wenn man die Ursache kennt, kann man sie abstellen.

    Das Hauptproblem der Zukunft ist, dass alle Entwicklungen gerecht sein müssen. Es darf also keine heiligen Besitzstände geben, wenn dadurch Ungerechtigkeiten entstehen. Und ewiges Wachstum gibt es nicht. Dem stimmt jeder normal Denkende zu, aber vielleicht muss man das Wirtschafts-Wissenschaftlern noch mal etwas näher bringen.

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